No money no Walk ….

… Wieder sind so viele Tage vergangen, wieder schreibe ich hier nach zu langer Zeit, verbrachte lieber mit Kati oder Dennis, oder vielen anderen temporären Mitläufern des Friedensmarsches, die Zeit. Eine kalte Zeit, verdammt kalt aber sowas würde mich eher weniger aufhalten.

Acht Monate, ja acht Monate (manchmal machen sechs Monate die Runde) soll der Marsch nun laut neuerer Planung bis zum finalen Ziel dauern.
Vier Monate wollte/könnte ich es schaffen, dank einiger Spenden wäre ich fähig zumal bis Wien zu kommen, also noch drei, vier Wochen weiter durch den strengen Winter, Schritt für Schritt, Meter für Meter…. mal in der Gruppe, mal allein, ganz für mich allein, weil eingepfercht vom Blaulicht und schnittigen, Ninja-artig aussehenden Spezialeinheiten, zieht der grade mal 25 bis 30 Leute zählende Tross für mich viel zu bewacht, zu sehr eingeengt übers Land. Wir sind ja schließlich eine Demo mit weißen Fahnen und frontales Banner, keine Wandertruppe eben.

Ich könnte der Enge ab und zu entfliehen, einfach mal im Zelt draußen im Schnee mein eigenes Ding machen und am nächsten Tag wieder dazustoßen. Nur so würden all die tausend Kilometer wohl auszuhalten sein, auch wenn ich die Truppe so sehr mag, mal mittendrinn zu sein.

Die Schuhe fläddern immer mehr aus, sind nun tagtäglich nass wegen dem Schneematsch. Ich brauche deshalb um so öfter all die Pausen in Kneipen und Cafes längs der Straßen hier in Tchechien, mein kleiner Luxus eben um diese scheußlichen Monate von Kälte, Dunkelheit und Nässe zu überstehen.
Doch so billig das gute, deftige Essen hier auch ist, so bregrenzter das Budget mittlerweile, kein wirklicher Sponsor hat zugesagt, ich wackle, wanke in meinem Selbstbewusstsein, glaube mittlerweile selbst nicht mehr an den ganzen Weg..

Prag, Samstag der 14 Januar. Drei Tage bin ich schon der Gruppe vorrausgelaufen, hatte mich hinter Leitmaritz gelöst um aus dem Polizeikorsett zu lösen, mal allein in der Stille über die böhmischen Dörfer zu ziehen (wie hießen die noch alle?)…. überlege wie ich noch irgendwie jemanden überzeugen könnte, mich zu sponsoren, oder soll ich nur noch bis Prag laufen?

320 km dürfte ich jetzt seit über drei Wochen mit und für den Civil March for Aleppo gegangen sein, gern auch das zehnfache wenn das Schiksal so wollte.
Aber ich spüre dass es jetzt doch Zeit ist wieder Heim zu kehren, versucht hatte ich alles, fast alles. Ein Sponsoring von Meindl, dessen Schuhe ich nun seit 3000 km ununterbrochen trage, wäre realistisch. Bin aber ausgebrannt was all das verdammte Marketing betrifft, will lieber alle Energie ins Wandern stecken, in diesen so strengen Winter, ins Bloggen hier und vielleicht Filme machen…..

Gestern bin ich endlich wieder 40 km gewalkt, war ganz schön heftig, aber nach all den Wochen im 15 bis 20 km Gruppenrythmus mal wieder ganz den alten Wanderleben-Tagen gerecht.
Heute nur 12 km, nach einer 14 Stunden Winter Nacht im Zelt. Gut ausgeschlafen hinein in die 1,3 Millionenstadt Prag, ins „Sir Toby Hostel“ für drei Tage mal.
Kostet nur neun Euro die Nacht im 12-Bettzimmer, ein großes Bier vom Fass: 1 €, ein deftiges tschechisches Essen: 4 bis 6 €.

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Allein in Prag angekommen. Der Fernwanderer braucht mal seine Einsamkeit, so wie hier mitten im Stadtzentrum kurz auf Erkundungstour.

Dredsen – Heidenau – Bad Gottleuba

Schnee, Kälte, und wieder eine „Circel of Power“, diesmal mitten auf dem Altmarkt in der 565.000 Einwohnerstadt Dresden wo gottseidank keine Frauke Petry uns attackiert und überhaupt keine Pöbler irgendwie das Klischee der berüchtigten Ostwut bestätigen konnten… ich bin mal (ganz wie in Brandenburg) echt positiv begeistert.

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Der Freundeskreis diesmal auf dem dresdener Altmarkt, wieder mal richtig groß mit 126 Leuten für die nächste Tagesetappe nach Heidenau, ganze 15 km weiter.

Ganz kurz konnte ich noch am Tag des Abgangs aus Dresden zumindest im Ansatz das kulturelle Gewicht dieser Stadt erahnen, ging früher los um mal die Semperoper und den Zwinger zu sehen.

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Das muss sein: Einmal die Semperoper sehen, dann war ich auch (neben ein Essen im Watzke) wirklich in Dresden.

Die nächsten 15 km nach Heidenau sind auf der Landkarte nicht wirklich der Brüller, ein Vorort der Großstadt Dresden wo für ca 90 von uns ein Nachtlager sicher ist.
Wieder eine Turnhalle (wie sollen auch so viele unterkommen?) wartet auf Schlafsäcke und Suppentöpfe. Heidenau, berüchtigt und rechts (?) begrüßt uns erstmal als kostenlose Unterkunft (die Turnhalle hat Toiletten und Heizung) ja, und dann kamen noch Heidenauer, wollten alles wissen, laufen die ganze belebte Halle ab und verteilen „Vitamine“ Obst für die Winterläufer, wirklich nötig dieser Tage.

Sonntag, 20 Kilometer südlich von Heidenau, kommen wir der Grenze immer näher: Tschechien ist bald angesagt, ich ärgere mich über den WiFi/Internet Entzug zu deutschen Landen und hoffe auf eine offenere Onlinekultur in Tschechien, sitze jetzt ausnahmsweise im Hotel/Gastrohaus Hillig in Bad Gottleuba, grenzläufig zum Ost-Erzgebirge und der sächsichen Schweiz, wo ein WiFi und ……. ein frisch gezapftes vom Fass (Eibauer) schon um 14:25 nach der Ankunft, einfach mal gut tut, auch wenns schon zu früh ist.
Der Schnee sowie der fürchterlich kalte Wind zehren gewaltig an die Kondition aller, und ich könnte wieder unendlich erzählen.
Jetzt trinke ich erstmal und schalte ab.
Der Tag ist mal wieder fast vorbei. Noch 3170 km bis Aleppo…

Ich muss mir Zeit lassen ….

… Was habe ich auch sonst? Kein Geld, aber erstmal was viel wichtigeres: Zeit – um zu verstehen was hier überhaupt los ist, um zu sehen was mich grade so sehr mitreißt; plötzlich wieder im Wanderleben zu sein, irgendwie ungeplant, irgendwie mitten im Friedensmarsch nach Aleppo ….

Aleppo?
Ja, genau das, was seit Monaten, seit Jahren durch alle Medien seine Spur der Unmenschlickeit zieht, dieses Endlos-Elend in Syrien, zieht mich nun in seinen unsäglichen Bann …
Und das gleich in zwei Tagen: Wie besoffen stolpere ich durch die Altstadt von Trier, gefühlt drei Lichtjahre von Berlin entfernt, jaja, Berlin, mal wieder Berlin, wo alles losgehen soll; übermorgen am 26 Dez. startet dieser Friedensmarsch von dort – ich habe es jetzt erst erfahren, Nicky, ein Weltenbummler-Kollege schrieb mir bei Facebook davon. Er hat ganze Arbeit geleistet …

Wanderleben meets Civil March of Aleppo, ich glaube besser gehts nicht; ein Fernwanderer soeben von den Russen eine Visa-Abfuhr verpasst bekommen, (wollte ja für 12 Monate weiter in Russland gen China wandern) fühlt sich berufen an einem 3400 km Friedensmarsch mitzumachen.
Keine Ahnung wie das genau „laufen“ soll…. auf der Website haben sich schon 2655 Mitwanderer angemeldet, ich nun auch.

Freund Georg, mit dem ich eigentlich ein üppiges Weihnachtsfest plante, springt voll drauf an, spendiert mir sogar noch das spontane Bahnticket vom beschaulichen Trier an der Mosel ins Ruhrgebiet. Dort angekommen klappe ich wie ein Taschenmesser zusammen: Grippe, platt wie eine Flunder an Heiligabend im Bett, keine Chance diesen dort wartenden Wanderwagen zu reparieren, der sieht aus wie ein Karren eines Obdachlosen, nach tausenden Kilometern durch Russland.
13 Std Schlaf und schnell wieder weiter damit, egal, der rollt ja noch… in fünf verschiedenen Regionalzügen muss ich es damit bis Berlin schaffen.
Eine Ochsentour, krank und lethargisch kauere ich in mehreren Fahrradabteilen (im ICE gibts keinen Platz für große Kinderwägen/Wanderwägen) und komme im Dunkeln spät an: Berlin ist nach 8,5 Std erreicht, laufe noch die sechs Kilometer bis zum alten Flughafen Tempelhof, finde dort aber noch keine Spur von der Veranstaltung morgen, zelte somit erstmal in einem verwilderten Grünstreifen am Platz der Luftbrücke. Es regnet.

Am nächsten Tag dann gehts mir gottseidank wieder besser, die ersten Backpacker an der Tankstelle unweit des Treffpunktes laut Facebookverkündung tauchen auf. Alles polnische Leute. Ich ahne dass die Gründerin Anna Alboth, eine in Berlin lebende Polin ein weites Echo in ihrer Heimat auslöste.

2655 Zusagen, sowie fast 10.000 Interessenten für den Friedensmarsch nach Aleppo hatten sich kürzester Zeit auf ihren Versuch zum Aufruf irgendwas zu unternehmen gegen den Krieg in Syrien, auf ihrer Aktionseite bei Facebook gemeldet.
Auch ich spührte diese Energie sofort als das sah, fühlte mich verantwortlich endlich mal was tun zu können, „wandern für den Frieden“, mein Gott… was kann ich sonst machen? Ich tue es, ich mache es. Kämpfe mich durch bis Aleppo (Syrien) …. laufe mit all den anderen die berüchtigte Flüchtlingsroute – nur umgekehrt, für Frieden, für 400.000 syrische Kriegstote, gegen all die anderen Kriege (im Jemen, 1600 km südlich von Syrien, beginnt momentan genau die gleiche Katastrophe)
Was bringts?
Praktisch nichts, aber was solls, ganz ganz viele kleine Schritte, ganz viele kleine Dinge die das ganz Große verändern können, mit den Friedensmärschen zum Diskutieren anregen, zum reden, Aufsehen erregen.
In Aleppo mal angekommen (wenn überhaupt möglich) zeigen wir, dass auch kleinste, einfachte Menschen was erreichen, scheinbar unmögliche Wege schaffen (… im tiefsten Winter zu Fuß durchs arschkalte Osteuropa, durch den finsteren Balkan) … das erfüllt mich und 350 weitere Demonstranten, ja das Ganze ist ordentlich mit Polizei/Blaulicht flankiert, also ganz offiziell als Demolauf die halbe Ausfallstraße bis Mahlow vor Berlin blockierend.

In Mahlow gibts gleich auch eine ganze Turnhalle für uns. Mittlerweile sind wir nur noch zu 130.
60% kommen aus Polen, 30 Deutsche folgten dem Ruf nach Aleppo, ca 30 aus vielen weiteren Ländern, die Halle wurde von der Stadt Mahlow gestellt, ich fühle mich emotional wie zurückversetzt auf dem Jakobsweg….. welch ein Traum.

Dresden, Freitag der 06.01.2017.

Und ein ganz großer Sprung, 200 Kilometer weiter südlich von Berlin, jaaa, bis hierhin haben wir es schon geschafft; 90% des Marsches haben schon gewechselt, 12 Tage Friedenszug durch die Brandenburgische Provinz durch die nun scheußlichsten Monate des Jahres: Der Januar, nasskalt dann extrem eiskalt gibt alles.
Ich weiß garnicht mehr in wie viel Turnhallen oder kalten Umkleidekabinen wir übernachtet hatten, von risengroß und schön warm bis lausig, kalt und eng (Silvester…) zog es sich täglich (ohne Pause) immer 20 km von Dorf zu Dorf.

Internet gab es nur sehr selten und wenn dann war ich halt völlig fertig, entweder von der Schblone der Gruppe überfordert, oder viel zu müde, hungrig und platt um groß Journalistische Glanzstücke zu zaubern.
Eben alles so sehr anders als im freien Wanderleben wo ich als einsamer Wolf so sehr frei bin, einfach irgendwo einkehren kann um hier meiner Zeilen zu fröhnen, da wo es spontan ein WiFi gibt, oder mal ein Käffchen.

Das ist jetzt anders.
Schön oder nervig?
Beides, und sich immer völlig schnell abwechselnd. Nein, da mache ich nicht mehr mit, will mein eigener Herr sein, auf meinen Landkarten die Striche malen.
Und so ziehe ich nun im Strom mit, alles ist vorgegeben, wenn auch das „Orga Team“ hinter den Kulissen ständig irgendwie rumbastelt, Kontaktarbeit mit den nächsten Bürgermeistern oder Pfarrern der nächsten Dörfer meistert; irgendwie müssen zwischen 60 und 30 Leute möglichst im Warmen unterkommen…. ganz große Logistik, auch für die mobile Küche die schonmal vorprescht, sowie auf der Route den großen Wasserkessel zum kochen bringt, hunderte Teebeutel auf die frierenden Läufer des Friedens warten.

Heute war es mal wieder soweit, ich war kurz davor alles hinzuschmeißen, der Wanderwagen ist kaputt, habe seit 12 Tagen zum ersten mal geduscht (weils immer so nervig war, zuvor so lang zu warten bis die seltenen Duschkabinen frei waren) die Kleidung stinkt, sehe aus wie ein Wehrwolf, muss dringend zum Frisör……
Doch dann, nach Tagen des Zweifels (ich hatte kaum Fotos gemacht, trottete einfach mit) lese ich die vielen Grüße bei Facebook, kleine Geldspenden lassen hoffen, ein reges Interesse macht die Runde, ob in meinem Freundeskreis oder in den Medien “ Toll was Du machst, hab die in der Abendschau auf mdr gesehen“ heißt es in einer Mail von einem fernen Bekannten.
Freund Jürgen aus Berlin spendet mir sowie Gerben aus Moers (Ruhrgebiet), bewahren mich vor dem Gröbsten. Danke auch an alle weiteren die in den schweren Zeiten etwas Wärme in den Marsch brachten, ohne eure Spenden kann selbst der ausdauernste Wanderer dieser großartigen Sache nicht mehr weiter.

So, das war mal ein großer Umriss der ganzen Sache und ja, ICH WERDE KÄMPFEN, – helft mir bitte dabei, helft somit den Civil March for Aleppo und spendet auch dort auf dessen Homepage, geht an die Logistik und Versorgung des gesamten Weges für uns.

Jeder kann natürlich mitmachen, der Marsch lebt davon, ist zudem so eine Art Staffellauf. Es kommen die Allermeisten für einige Tage dazu und gehen wieder.
Einige nur für einen einzigen Tag, sogar angereist aus Polen… jeden Tag neue Gesichter, neue Geschichten.

Der Friedensmarsch nach Aleppo ist völlig neutral, unser Symbol ist eine weiße Fahne, wir sind gegen Niemanden, nur gegen Krieg und für den Frieden.

Ich bin „Noliner“ …

… Erstmal ein ganz dickes Sorry für meine ewige Abwesenheit …. unterwegs in der Wüste Gobi… ääh, ich meinte Brandenburg, wo weit und breit kaum ein WiFi existiert, und wenn, dann passt es nicht in die Gruppendynamik; ja, ich bin ja jetzt mit Wanderwagen, Sack und Pack wieder unterwegs, völlig spontan auf einem Freidensmarsch 3400 km nach Syrien (Aleppo) … mit vielen Anderen von einer Turnhalle über die Dörfer, bis zur nächsten.

Erst jetzt und hier im Dorf Schönfeld, auf dem Weg von Berlin nach Dresden (es geht nach Süden bis Griechenland und Syrien längs der Flüchtlingsroute) bekommen wir von der Kirche einen Raum um digital dessen WiFi zu fröhnen.

Sollte für mich als Blogger ja DIE Chance sein, aber was die anderen wieder auf Kommando schaffen, pack ich nicht, bin hungrig, unterkühlt und müde, hab noch die feuchten Klamotten an und soll jetzt alles bloggen und  präsentieren was die letzte Woche an Ereignissen sich überschlug….
Ich baue lieber das Zelt jetzt auf, windgeschützt bei Schneeregen um der vollen Turnhalle zu entgehen; dort hat uns die Stadt Schönfeld so gastfreundlich aufgnommen; über 50 Wanderer in Schlafsäcken, Matten und Bockwurst vom Gastgeber.
Eigentlich ein Traum, aber so ein Ferneanderer wie ich braucht Platz, seinen eigenen, und das schon früh um neun Abends, wenns akustisch hoch hergeht bis Mitternacht in der Halle.

Uff, eiskalte Füße jetzt…. bin übervoll von Eindrücken aber dennoch ohne Zeit. Mal sehen was kommt…. es ist alles so dicht, so übervoll an Eindrücken.
Ich schreib bald mehr, ganz bald ganz viel 🙂

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Eigentlich als Demo angemeldet: Wir vom Friedensmarsch nach Aleppo, mittlerweile im Dorf Ruhland (Süd-Brandenburg) bei Minusgraden unterwegs.
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Mal 60 mal um die 50 Läufer sind wir auf den ersten Etappen von Berlin nach Dresden mit dem Fernziel Aleppo in Syrien. Die allermeisten laufen für einige Tage mit, und es wechselt ständig der "Staffellauf". (Gruppenfoto vor dem Rathaus in Großräschen)

Ein anderer Weg nach China …?

1800 Kilometer Russland, eigentlich auch ein Erfolg bei all den tollen Leuten und Erlebnissen, fußläufig durch das alte, kulturelle Herz dieses Riesenlandes von St. Petersburg über Moskau bis Kazan, weit hinten an der Wolga.
Eine Story für sich, offenbar und erstmal abgeschlossen.

Es geht weiter im Wanderleben, nach all den Monaten dennoch auf einmal viel zu plötzlich, musste gestern noch alle Pläne komplett über den Haufen werfen, Heiligabend mit Freund Georg in Trier, sowie Silvester mit Jürgen im angesagten Lokal „More“ in Berlin-Schöneberg, wo ich eingeladen war, muss jetzt weichen, denn erst gestern erfuhr ich von diesem „Civil March for Aleppo“ und es war passiert: Wie besoffen, ja besessen hatte ich keine Chance mehr zu wiederstehen, da muss ich mit….. nur noch drei Tage und ca. 3000 Leute machen sich auf den Weg zum Friedensmarsch von Berlin nach Aleppo (Syrien).

Keine Ahnung wie das dort am Morgen des 26.12 am riesigen Hangar des alten Flughafens Tempelhof abgehen wird, ob da gleich tausende mitmachen, oder sinds viel weniger?
Jedenfalls verspricht die Website www.civilmarch.org/de … eine nun wirklich tolle Aktion, Zigtausende Unterstützer bekunden bei Facebook ihr Interesse, …. laufen für eine bessere Welt ….bis in die ehemalige Millionenstadt Aleppo in Syrien, die zu 70% komplett zertümmert ein Sinnbild dieses abscheulichen Krieges aus unseren Medien nur zu gut bekannt sein dürfte.

Ob es wirklich bis dorthin geht ist natürlich nicht klar, zudem auch nicht wirklich wichtig. Was zählt ist mitmachen, (irgendwas) tun und Aufsehen errregen, so weit wie möglich den selben langen Weg fußläufig zurücklegen wie schon zuvor 1,5 Millionen Flüchtlinge – nur auf entgegengesetzter Route, von Berlin über den Balkan und durch die Türkei.

Ich jedenfalls sitze jetzt bereits im Zug, komme spät in Recklinghausen an, schlafe dann wohl erstmal noch und packe den kompletten Wanderwagen zurecht.
Weihnachten läuft nebenbei, muss früh in die Haia, morgen geht der nächste Zug schon um sieben nach Berlin, wo ich in insgesamt vier Regionalzüge über acht Stunden unterwegs sein werde… nur so kriege ich den dicken Wanderwagen voller praller Winterklamotten, Schlafsäcke, Thermomatten, und, und, nach Berlin. (In den schnellen IC’s passt der nicht rein)

Es war Freund Georg der mir noch die Tikets sponsorte, genau jener lieber Partner an meiner Seite der sich so sehr auf das gemeinsame Fest freute, aber selbst erkannte wie wichtig heute – gerade in diesen Tagen einer neuen (wut)bürgerlichen Hass-Lust gegen Fremde(s), eine Kundgebung des miteinanders, der Menschlichkeit ist.

Vielleicht sehen viele nicht die Absicht oder Sinnhaftigkeit einer solchen Aktion, aber egal, lass uns darüber reden, lass uns auffallen. Ich will mitmachen, – soweit die Füße tragen.

Die Politik sagt „njet“

Sooo, nach Monaten des Wartens überschlagen sich die Sachen, nach einer langen Zeit bei Familie und Freunden (es hätte schon ewig so bleiben können) stellt sich das Heimatleben bald ins Wanderleben um: Die Russische Botschaft in Berlin hatte mir kurz vor Weihnachten eine Absage für’s 12 Monats-Visum unter dem Weihnachtsbaum gelegt … das Warten hatte nun ein Ende, ….. der Deutsch-Russische Freundschaftslauf hat die Politik nicht überstanden, vorbei an all uns Menschen; 148 Mio. Russen, 83 Mio. Deutsche, – wo zumindest mir praktisch all die Menschen in Russland freudig klar machten, “ lauf, lauf…. unser Land ist Dein Land“ …. es klingt mir noch jetzt im Ohr.

Was nun? Wieder (lediglich) drei Monate weiter durch die größten nationalen (russischen) Weiten dieser Welt, streng nach Visa-kurz-Laufzeit ein paar Zentimeter mehr auf die breite Landkarte dieses Flächengiganten?
Dann wieder schnell mit dem Jet zurück nach Hause zum „Visa Run“?
Dann Runde Drei, Runde Vier bis Fünf…. mittlerweile bis zum Jahr 2019 um endlich Wladiwostok erreichen zu dürfen, Wind und Wetter zum trotz, was sind schon minus 40, oder 8760 km bei all der Bürokratie?

Also: Drei weitere 3-Monatsvisa dauern hintereinander einfach zu lang… als muss ein anderer Weg her.

Naja, ich habs sehen kommen…. Russland hätte mich nicht in seiner Größe bezwungen, vielleicht in seinen Extremen bei minus 50 Grad oder Bärenattacken, …. kommt Zeit kommt Rat, aber eben daran fehlt’s; Zeit gibt mir das Land nicht. Genug Zeit um es zu Fuß am Stück zu bewältigen.

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Warten auf’s neue Visum…

… und: Ja, auch noch Geld verdienen für die nächste Mega-Wanderung; 8.670 km durch Nord Asien, Sibirien, bis China…

Keine Ahnung wie ich das schaffe, bräuchte eigentlich über 9.300 € für die 12 Monats Tour, (Pro Tag – 25€) weil im Russischen Winter oft eben auch ein Motel/Hotel bei minus 40 Grad längs der Straße nahezu überlebenswichtig ist.

Also, dann fange ich mal an:

Arbeit als Baumpfleger, Fäller oder Schnittarbeiten im Garten gesucht. Wer kann mir & dem Wanderleben helfen?

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11 Jahre war ich Baumpfleger und weiß welche Äste raus müssen. Kann gut klettern aber auch geschickt Bäume fällen.

Natürlich hab ich als Berufs-Wandersmann kein Auto, sowie keine Ausrüstung für Baumschnitt und Gartenarbeiten, und bin auf eure Geräte angewiesen, kann aber gut improvisieren und reise gern mit Bus oder Bahn an, primär im Raum Ruhrgebiet, aber eben auch überall, sofern es sich etwas lohnt. (Berlin, Frankfurt, München, Schweiz …)

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Hilf dem Wanderleben: Ich suche Arbeit in Garten und Bäume oder Heckenschnitt. Habe 11 Jahre Erfahrung damit.

Und ganz besonders gern:

VORTRÄGE über das Wanderleben, – Leben im Zelt, Draußen bei Wind & Wetter.

Wie geht sowas, was ist nötig dafür, was nicht.

Aussteigen? Fernwandern? Worauf kommt es an beim „lange mal weg sein“?

Ich besuche euch Bundesweit und halte auf SPENDENBASIS einen Vortrag über Fernwandern, Ausrüstung, RUSSLAND, Draußen (über)leben, Land und Leute, Wissenswertes, Persönliches.

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Ein Leben unterwegs... wie geht das? Seit Jahre verbringe ich meine Tage überall im Zelt und mag gern darüber vortragen; Fragen um Fragen, und ich weiß einige Antworten.

Was bedeutet Fernwandern für Dich, oder wem auch immer? Was braucht man (oder Frau) für so ein „komplett anderes Leben“ – da Draußen in totaler Freiheit, aber sauber bleiben, was und wie Essen, wie schläft es sich gemütlich in der Wildnis ?

Ach so, da wäre auch noch RUSSLAND, dieser kontinental-große Superstaat, den ich eine lange Zeit intensiv auf 1.763 km durchwandert habe… unendlich viele Eindrücke sammeln konnte, Abenteuer erlebte, viel Langeweile hatte auf den unendlichen Pisten, und so verschiedene Menschen antraf… ohne die Sprache vorher zu lernen, zu verstehen…

Darüber will und kann ich sehr gern berichten!

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Bin ich eigentlich schon ein Russland Experte? Ich denke ja, kenne das Land in und auswendig, war mittendrinn so lang, so weit und werde bald noch viel tiefer vordringen in die Fernen des größten Landes der Welt.

Wer kann mir helfen und lädt mich ein zum Vortrag ein (DVD oder Beamer) ? Kann einige interessierte Leute organisieren und lässt mich eure Zeit bereichern?
Ich denke das jeder mit einer Spende, anschließend der Sache wirklich hilfreich wäre, darüber hinaus den „Deutsch Russischen Freundschaftslauf“ als gesellschafts-politisches Projekt fördert und somit sicherlich Gutes tut.

Gern auch ganz offiziell für Institutionen, Vereine oder Kultureinrichtungen jeder Art, ich reise Bundesweit an und hoffe jetzt so sehr dass es funktioniert: Das Projekt Wanderleben trägt sich selbst, finanziert sich selbst, – solang ich noch im Lande bin …

Der Zeitplan: Am 01.02.2017 starte ich mitten im Russischen Winter, bei minus 35 Grad weiter, weiter und weiter – bis Wladiwostok, wo Russland zu Ende ist.
Also noch einige Monate hier in Deutschland, um noch einiges zu schaffen.

Ich freue mich auf Meldungen, Einladungen, Fragen….

Der Jens – momentan im „Heimatleben“.

Wanderleben/Heimatleben

Wieder ZUHAUSE, angekommen in RECKLINGHAUSEN, da wo ich vor vierJahre in Richtung Santiago de Compostela ins Wanderleben aufgebrochen bin.
Und jetzt, 9363 Kilometer weiter durch acht Länder, pausiere ich mal wieder dort wo ich all die Kraft finde für das Leben unterwegs, einerseits wegen der Visa für Russland, anderseits weil ich auch die Heimat brauche; Wanderleben – Heimatleben…. das eine braucht das andere….

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Mittendrinn, wieder Daheim. Jetzt brauche ich Familie + Freunde und organisiere die nächste Etappe durch Russland.

„Glücklich in der Ferne ist nur, wer Heimat im Herzen trägt“  – ein Zitat von mir selbst, und nahezu Standart Antwort auf einer der häufigsten Fragen die mir gestellt werden.

Heimat: Eine Verortung von Vertrautheit, einerseits in mir selbst; – fühle mich in mir selbst Zuhause – könnte somit vielleicht für immer unterwegs bleiben.
Anderseits bin ich bei der Familie wilkommen, bei all den Freunden, meiner Taverne, dem Stammlokal im Stadtteil Recklinghausen-Süd.
Das alles ist Heimat, Vertrautheit, Erinnerungen, aber auch etwas Verantwortung; so braucht mich die Mama immer wieder mal in der Nähe, Neffe Ben (6 j.) vermisst seinen „Onkel Jens“ immer ganz gewaltig, und der beste Freund Georg in Trier braucht auch nicht mehr nach Russland reisen, stellt schonmal den Champus kalt wenn ich komme freu

Jetzt sind erstmal drei, vier Tage nichts und wieder nichts angesagt, einfach ankommen..

Dann gehts aber wieder los, muss rann und Geld verdienen, mich um’s Visum kümmern… hoffe ja Adnan aus Cheboksary (Tschuwaschien/Russland) hat irgendwas erreicht.
12 Monate mindestens brauche ich für die übrigen 8670 km von Kazan nach Wladiwostok, am besten 14 Monate. Währe dann länger von der Heimat fort als je zuvor…

Kazan…. oh je, war noch kurzem da, alles noch so frisch, so gegenwärtig.
Letzte Nacht im heimischen Gästebett des Elternhauses träumte ich von den weiten Horizonten der letzten Monate, wache auf und mich grüßt Haushund „Else“….
Der Flug war sehr schön, hatte tolle Sicht erst auf Moskau dann auf Düsseldorf… und nun auf Mamas Gardienen, in der Gemütlichkeit Zuhause.
Draußen regenet es.

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Warten in Kazan auf den Flieger nach Düsseldorf. Die letzten freien Tage in der Wolga-Stadt waren herrlich, konnte schön runterfahren, viele Leute treffen und hier und da mein Lager aufschlagen nach einem Bad in der Wolga.

In Kazan hätte ich noch im Hostel bis zum letzten Tag bleiben können, für lau, einfach so. Aber bei all den sandigen Wolgastränden bei 35 Grad Spätsommerhitze, streifte ich mit Wanderwagen den ganzen Tag umher, traf Leute und sprang immer wieder in den Fluss.
Urban-Camping ist in Kazan ganz leicht, überall gibts Buschland, Gestrüpp und genug Deckung zum zelten in kühler, aber milden Sternennacht.

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Zelten neben dem Flughafen von Kazan. Noch eine Nacht und morgens dann gehts über Moskau nach Düsseldorf. 30 km weiter sieht man noch die Metropole Kazan in der Ferne.
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Der Wanderwagen im Flugmodus; alles kompakt und fest. Saftige 150€ als "oversized" Gepäck kostet die Nummer noch extra. Mein letztes Geld ist somit nun auf und davon....

Den Wanderwagen muss ich mitnehmen, weil viele Reperaturen angesagt sind, aber auch für die Vorträge übers Wanderleben, wo mein Haus auf Rädern zum anfassen vor Ort ganz interessant sein dürfte.

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Moskau aus 5000 Metern Höhe; mit etwas Mühe sind die Wolkenkratzer vom Moskau City, sowie der 548 Meter hohe Ostankinow Fernsehturm zu erkennen.

Und natürlich wieder Moskau: Die 16 Millionenstadt breitete sich fantastisch unter ca 5000 Meter im Landeanflug aus, welch Erinnerungen dort vor fünf Wochen durchgewandert zu sein, jetzt landete ich hier um weiter nach Düsseldorf zu jetten. Im riesigen Flughafen gabs schonmal keine einzige Zeitung in Englisch oder gar Deutsch… ein Bier für 5 € verkniff ich mir dann auch. Das allerletzte Geld reicht gerade noch für das erste Bier im Stammlokal, noch fern in Recklinghausen.

So, das war die erste Russland – Etappe. In drei-vier Monaten gehts wieder weiter und zwischendurch berichte ich hier weiterhin aus dem „Heimatleben“ in stetiger Vorbereitung auf’s Wanderleben. …. 8.670 km durch den Sibirischen Winter/Sommer, Unendlichkeit…. bis nach China …

Warten in Kazan ….

… kann so schön sein: Welcher Ort währe besser gewählt? St.Petersburg hat momentan zu viele Touristen, und Moskau ist zu teuer. Nischni Novgorod dann zu provinziell, die Tundra zu langweilig…

Also Kazan, wo eine ganze Woche nicht langweilig wird. Samstag um 10, geht der Flieger und ja, ich freue mich natürlich auf die Familie, träume Nachts nur noch davon.
Aber nur noch zwei volle Tage?
Danach einfach nicht mehr auf Planet Russland?
Komische Vorstellung, nach nun mittlerweile fast drei Monaten Wanderzeit …

Wie schnell die jeweils andere (Lebens)form, oder Seite vermisst sein kann, zeigt sich besonders zwischen Stadt und Land; selbst hier innerhalb Kazans ziehe ich nun wieder umher, wandere vom einem Ende der Metropole zum anderen, fast wie ein Stadtstreicher sehe ich jetzt aus mit dem Wanderwagen, und zelte in den urbanen Waldgebieten, gut versteckt im Dickicht.

Im „Cat on the Roof Hostel“ hätte ich ja bleiben können die ganze Zeit, aber dort war es eben drei Tage schön und die restliche Zeit genieße ich meine Unabhängigkeit, streife durch Kazan und freue mich diese Zeit zu haben.

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Auch hier führt mich der Weg hin: Zum Palast der Kulturen der Welt, ca 10 km am Stadtrand von Kazan.

Hier kommt man nur hin, wenn genug Zeit ist, oder lässt sich in gewaltigen Touristenbombern (Busse mit 70 Leuten Fassungsvermögen) ankarren….  zum Palast der Kulturen der Welt, eine seit 14 Jahren permanent in Bau befindliche Synthese aus allen sakralen Baustielen von Christlichen Kirchen über Moscheen bis zu Hindutempel, dazu etwas Buddha.

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Als privates Gebäude mal offen für Kulturevents, mal mit Caffeebetrieb, natürlich heute, wo ich hier bin, geschlossen.

Wieder zeigt sich Kazan multikulturell, wieder gelungen, wenn auch dieser Palast der Kulturen weit vom Schlag, 10 km außerhalb des Zentrums liegt, und leider nicht zugänglich ist, eher noch wie eine Baustelle wirkt; festgetretender Lehmboden drumherum, überall Bauzeug, etwas Schutt.
Doch es lohnt hierher zu kommen in diesem urbanen Wildwuchs-Viertel, wo die Datscha ähnlichen Familienhäuser teils wie Bruchbuden zusammengezimmert neben einer Leichtbau Villa lediglich von Wellblechzäunen voneinander getrennt, stehen.

Einerseits noch in der Bauphase, anderseits schonwieder am bröckeln, kommt mir der Palast eher wie ein gewaltiges Gewächs vor, das mal hier, mal da neue Triebe bildet…

Gestern noch (vor dem Besuch am Palast) der große Termin mit dem Filmemacher im Auftrag vom Studio RT, Deutsches Büro Moskau, wo wir bei bratender Sonne vom Kreml aus über die Baumana Straße bis ins Hostel sämtliche Szenen drehten, morgen dann das Treffen in der Kazaner Uni, Deutsche Fakultät.
Heute einfach garnichts machen, den langen Weg zurück in die City mit Espresso belohnen, mit der Familie schonmal vor-freuen auf meinen Besuch auf „Heimaturlaub“ bald.
Übermorgen dann Abflug in die Heimat….

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Reporterin Mariana (r.) und Deutsch-Übersetzerin Sofia berichten auch vom Camp auf der Hostel-Wiese inmitten von Kazan.
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Ganz großes Thema hier: Die Gottesmutter von Kazan, oder "Kasanskaja" genannt, das wohl größte Heiligtum der Orthodoxen Kirche, aufbewahrt in der zentralen Kathedrale im Kasaner Kremel.

Die „Kasanskaja“ dieses Goldüberladene Bildniss Marias mit Jesuskind, hatte ich lang genug gesucht, und fand sie in der Kathedrale allerdings nicht.
Dort steht ein glitzernder Sarkophag… ob die vielleicht dort drinn liegt?
Nicht alles kann ich klären hier, zumal die Stunden bei Espresso und Gespräche mit vielen Leuten über alles Mögliche so wunderbar charmant die Zeit vertreibt.
Doch wichtig: Dieses Maria Bildnis ist für Russland ein ganz, ganz dickes Ding: Schon damals vor vielen Jarhunderten soll das Original, den Zaren zu überwältigenden Siegen verholfen haben, selbst Peter der Große war ganz wild auf das Bild. Doch in den Wirren der Geschichte enstanden gleich mehrere Kopien, und ein vermeintliches Original gilt heute offiziell als verschollen.
Die aktuelle Kasanskaja aber wurde von Wissenschaftlern als historisch sehr authentisch bewertet, ist mindestens 250 Jahre alt und somit mal nicht made in China aus Plastik.
Zugegeben finde ich die slavische Sakralkunst irgendwie überladen-verzerrt; das Jesuskind in adulter schrumpf-Optik mag da etwas verwirren, ist aber wesentlicher Bestandteil der hisigen Sakral-Ästhetik. – Andere Länder, andere Jesus-Kinder.

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Der Silant; eine Drachenschlange aus der Welt der Mythen dürfte wohl noch vor der Katze das wahre Symbol-Wesen der Stadt Kazan sein. Erzählt man mir...
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Mittlerweile meine Stammbar: Der Antikremlin, wie der Name schon sagt, gleich gegenüber der Kreml Festung (Kremlin=Kreml) wo der halbe Liter vom Fass faire 1,10€ kostet....

Bald Russlands Nr.3 …. ? – Kazan, die Wolgametropole –

Kazan, oder gesprochen wie Kasan, nun seit einigen Tagen mein Zuhause sowie noch bis zum 27 August, kurz vor Ablauf meines Visums könnte als finaler Abschluss dieser Fernwanderung nicht besser gewählt sein.
Als Zwischenziel auf dem langen Weg bis zu den Grenzen Chinas finde ich in dieser großen Kulturmetropole über all die Tage ganz viel Abwechslung sowie Menschen hinter den immer touristischeren Kulissen, wie der Reporter Sergey oder der Deutschsprachige Tatare Radik, die in dieser sich schnell wandelnden Metropole wohnen.

Schneller als noch alle anderen 12 Millionenstädte, die in der Gunst darum kämpfen, auf der Touristisch, Kulturell aber auch Wirtschaftlich dritten Stelle – wenn auch mit großem Abstand zu den Überriesen Moskau und Petersburg zu stehen im Riesenreich.

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Kazan: Alte Stadtmauern, Wolga-Strände und Neustadt voller Hochhäuser.
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Auf dem Kreml der Millionenstadt pausiere ich bei der Mittagshitze.

Kazan ist alles: Alt und ganz neu, erfinderisch und voller Expiremente welche die Stadt mal ganz interessant im Kontrast zu der etwa gleichgroßen Metropole Nischni Novgorod setzt; Multikulturell, einst vor 839 Jahren als Hauptstadt eines Tatarenreichs gegründet, (Tatarisches Khanat) und vor 464 Jahren (im Jahr 1552) von Ivan den Schrecklichen erobert, „Russifiziert“ und noch bis heute halb Russisch, halb (ursprünglich) Tatarisch heute eine ganz besondere, lebendige, Mischung.
Nischni Novgorod (1,3 Mio) und Kazan (1,2 Mio) sind somit schon historisch sehr ungleich. Erstere wirkt als große Stadt eher noch provinziell, zwar wirklich groß aber eben etwas verschlafen, lokal und einfach sehr Russisch.
Kazan aber hat eine ganz andere Energie, auch weil hier ordentlich Geld drinn steckt; Ölquellen ließen den Tatarischen Konzern Tatneft sehr mächtig werden, baute kürzlich ganze Sportarenen in die Stadtlandschaft, kilometerweite glanzneue Hochhausfronten für den neuen Mittelstand deuten auf eine große Zukunft hin; Kazan wächst wie nur wenige der „kleineren Metropolen“ Russlands; ein völlig neues Technopolis, sowie die weit außerhalb in die Landschaft geknallte „Innopolis“, eine Universitäts-Vorstadt, beweisen den Masterplan für Gegenwart und Zukunft.
Investieren lohnt also speziell hier, denn noch viele freie Flächen liegen ungenutzt brach in atraktiver Citynähe, wo noch urbane Wildnis etwas wirre das ansonsten so auftrebende Stadtbild zeichnet.

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Neubauten und Umgestaltung überall in Kazan.
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Von der 40 Meter hohen Aussichtsplattform des neuen Wahrzeichens "Cup of Kazan" der Blick auf Stadt und Wolga.

Bis zum Jahr 2030 wächst Kazans Bevölkerung nochmal um mindestens 250.000 Bewohner an, die Stadt zieht die Leute aus der ohnehin dünnen Provinz, bietet mal eine weltliche Alternative zu den beiden ewigen Moskau und Petersburg, wobei das finale Wachstum im Jahr 2050 bei 1,7 Mio seine Vollendung finden dürfte.
Russland ist ja nicht China, wo nahezu endlos viele Neubürger vom Land in die Stadt kommen, und da ist ja noch dieses Moskau…. dieser Primat, reich wie ein Oligarch und ebenso gierig, baut bald weitere Wohnungen für Millionen (so der Plan) ohne zu überlegen was aus all den unendlich weiten Provinzen wird, die Moskau komischerweise wie ein Staubsauger leerfegt, die Menschen verschlingt und nie wieder hergibt…
Eigentlich müsste Russland Millionen Chinesen einwandern lassen um seine großen Pläne überall zu verwirklichen.

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Wuchtig, nagelneu und eigentlich einfach nur ein Wahrzeichen: Der Gral von Kazan, oder einfach "Cup" - ein Eventzentrum für Hochzeiten oder als Aussichtsplatform ein schon gelungenes Stück Neugestaltung.

Kulturell setzt die Stadt sehr auf ihre historische Größe, die allerdings die Wirren und Verwüstungen der letzten Jarhunderte nicht substanziell überstand.
Der Kreml, also die traditionell Russische Stadtfestung wirkt mal authentisch gelungen als Symbol eines (mittlerweile) friedlichen Nebeneinanders der Kulturen (und Religionen) mit alter Kathedrale und nagelneuer, wuchtiger Moschee daneben, sowie ensembleartig verschiedene Überbleibsel an Bauten, wie Türme, Mauerwerk und Einzelbauten wo etwas unübersichtlich kleinere Museen viel Zeit bedürfen um alles zu überblicken.
Wie ein krudes Disneyland kommt es aber trotzdem nich rüber. Was so angenhem am Kazaner Kreml ist, ist seine Authentizität, seine echtheit in dieser gewachsenen Weise.

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Die Kul Scharif Moschee, wohl das deutlichste Wahrzeichen Kazans in der Mitte der Mitte; erst 2005 fertiggestellt als Symbol in Nachbarschaft zur alten, Orthodoxen Kathedrale, sowie zur Versöhnung; Ivan der Schreckliche hatte damals bei der Eroberung Kazans die alte Moschee die an der gleichen Stelle stand, niederreißen lassen und demonstrativ aus Teilen des Gesteins, in Moskau die brühmte Basilius Kirche erbaut.

Kazan, ein Sammelsurium an Eindrücken…. nach 4319 Kilometern Wanderschaft seit Recklinghausen (Deutschland) ein umwerfendes Ziel…. ja, bis zu diesem besonderen Ort zu wandern, ist schon echt berührend…

Ein Geheimtipp?
Ich denke ja, so wie eigentlich viele Orte im unfassbar riesigen Russland, gilt besonders Kazan als einer der bald nicht mehr so unbekannten Kandidaten des internationalen Tourismus.
Das hängt auch mit der künftigen Visapolitik zusammen, wobei das drei wöchige Touri-Visum eigentlich ganz einfach über Reisebüros in Deutschland gemacht sind.

Hier in Kazan allerdings treffe ich kaum ausländische Reisende, vielleicht ein paar Reisebusse mit Chinesen, aber um so mehr Russische Traveler. Die machen ca 85% aller Touristen hier aus, und irgendwie tut es schon gut nicht im bunten Theater eines maximalen, internationalen Tourismus unterzugehen.

So, noch ganze fünf Tage bis zum Heimflug… noch ein spannendes Meeting mit Filmreporter aus Moskau, ein Besuch im Deutschen Haus, Neues vom neuen Visum abwarten (ist dank der „Cheboksary Connection“ in Arbeit…) und ganz viel in der warmen Wolga schwimmen.