Bald Russlands Nr.3 …. ? – Kazan, die Wolgametropole –

Kazan, oder gesprochen wie Kasan, nun seit einigen Tagen mein Zuhause sowie noch bis zum 27 August, kurz vor Ablauf meines Visums könnte als finaler Abschluss dieser Fernwanderung nicht besser gewählt sein.
Als Zwischenziel auf dem langen Weg bis zu den Grenzen Chinas finde ich in dieser großen Kulturmetropole über all die Tage ganz viel Abwechslung sowie Menschen hinter den immer touristischeren Kulissen, wie der Reporter Sergey oder der Deutschsprachige Tatare Radik, die in dieser sich schnell wandelnden Metropole wohnen.

Schneller als noch alle anderen 12 Millionenstädte, die in der Gunst darum kämpfen, auf der Touristisch, Kulturell aber auch Wirtschaftlich dritten Stelle – wenn auch mit großem Abstand zu den Überriesen Moskau und Petersburg zu stehen im Riesenreich.

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Kazan: Alte Stadtmauern, Wolga-Strände und Neustadt voller Hochhäuser.
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Auf dem Kreml der Millionenstadt pausiere ich bei der Mittagshitze.

Kazan ist alles: Alt und ganz neu, erfinderisch und voller Expiremente welche die Stadt mal ganz interessant im Kontrast zu der etwa gleichgroßen Metropole Nischni Novgorod setzt; Multikulturell, einst vor 839 Jahren als Hauptstadt eines Tatarenreichs gegründet, (Tatarisches Khanat) und vor 464 Jahren (im Jahr 1552) von Ivan den Schrecklichen erobert, „Russifiziert“ und noch bis heute halb Russisch, halb (ursprünglich) Tatarisch heute eine ganz besondere, lebendige, Mischung.
Nischni Novgorod (1,3 Mio) und Kazan (1,2 Mio) sind somit schon historisch sehr ungleich. Erstere wirkt als große Stadt eher noch provinziell, zwar wirklich groß aber eben etwas verschlafen, lokal und einfach sehr Russisch.
Kazan aber hat eine ganz andere Energie, auch weil hier ordentlich Geld drinn steckt; Ölquellen ließen den Tatarischen Konzern Tatneft sehr mächtig werden, baute kürzlich ganze Sportarenen in die Stadtlandschaft, kilometerweite glanzneue Hochhausfronten für den neuen Mittelstand deuten auf eine große Zukunft hin; Kazan wächst wie nur wenige der „kleineren Metropolen“ Russlands; ein völlig neues Technopolis, sowie die weit außerhalb in die Landschaft geknallte „Innopolis“, eine Universitäts-Vorstadt, beweisen den Masterplan für Gegenwart und Zukunft.
Investieren lohnt also speziell hier, denn noch viele freie Flächen liegen ungenutzt brach in atraktiver Citynähe, wo noch urbane Wildnis etwas wirre das ansonsten so auftrebende Stadtbild zeichnet.

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Neubauten und Umgestaltung überall in Kazan.
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Von der 40 Meter hohen Aussichtsplattform des neuen Wahrzeichens "Cup of Kazan" der Blick auf Stadt und Wolga.

Bis zum Jahr 2030 wächst Kazans Bevölkerung nochmal um mindestens 250.000 Bewohner an, die Stadt zieht die Leute aus der ohnehin dünnen Provinz, bietet mal eine weltliche Alternative zu den beiden ewigen Moskau und Petersburg, wobei das finale Wachstum im Jahr 2050 bei 1,7 Mio seine Vollendung finden dürfte.
Russland ist ja nicht China, wo nahezu endlos viele Neubürger vom Land in die Stadt kommen, und da ist ja noch dieses Moskau…. dieser Primat, reich wie ein Oligarch und ebenso gierig, baut bald weitere Wohnungen für Millionen (so der Plan) ohne zu überlegen was aus all den unendlich weiten Provinzen wird, die Moskau komischerweise wie ein Staubsauger leerfegt, die Menschen verschlingt und nie wieder hergibt…
Eigentlich müsste Russland Millionen Chinesen einwandern lassen um seine großen Pläne überall zu verwirklichen.

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Wuchtig, nagelneu und eigentlich einfach nur ein Wahrzeichen: Der Gral von Kazan, oder einfach "Cup" - ein Eventzentrum für Hochzeiten oder als Aussichtsplatform ein schon gelungenes Stück Neugestaltung.

Kulturell setzt die Stadt sehr auf ihre historische Größe, die allerdings die Wirren und Verwüstungen der letzten Jarhunderte nicht substanziell überstand.
Der Kreml, also die traditionell Russische Stadtfestung wirkt mal authentisch gelungen als Symbol eines (mittlerweile) friedlichen Nebeneinanders der Kulturen (und Religionen) mit alter Kathedrale und nagelneuer, wuchtiger Moschee daneben, sowie ensembleartig verschiedene Überbleibsel an Bauten, wie Türme, Mauerwerk und Einzelbauten wo etwas unübersichtlich kleinere Museen viel Zeit bedürfen um alles zu überblicken.
Wie ein krudes Disneyland kommt es aber trotzdem nich rüber. Was so angenhem am Kazaner Kreml ist, ist seine Authentizität, seine echtheit in dieser gewachsenen Weise.

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Die Kul Scharif Moschee, wohl das deutlichste Wahrzeichen Kazans in der Mitte der Mitte; erst 2005 fertiggestellt als Symbol in Nachbarschaft zur alten, Orthodoxen Kathedrale, sowie zur Versöhnung; Ivan der Schreckliche hatte damals bei der Eroberung Kazans die alte Moschee die an der gleichen Stelle stand, niederreißen lassen und demonstrativ aus Teilen des Gesteins, in Moskau die brühmte Basilius Kirche erbaut.

Kazan, ein Sammelsurium an Eindrücken…. nach 4319 Kilometern Wanderschaft seit Recklinghausen (Deutschland) ein umwerfendes Ziel…. ja, bis zu diesem besonderen Ort zu wandern, ist schon echt berührend…

Ein Geheimtipp?
Ich denke ja, so wie eigentlich viele Orte im unfassbar riesigen Russland, gilt besonders Kazan als einer der bald nicht mehr so unbekannten Kandidaten des internationalen Tourismus.
Das hängt auch mit der künftigen Visapolitik zusammen, wobei das drei wöchige Touri-Visum eigentlich ganz einfach über Reisebüros in Deutschland gemacht sind.

Hier in Kazan allerdings treffe ich kaum ausländische Reisende, vielleicht ein paar Reisebusse mit Chinesen, aber um so mehr Russische Traveler. Die machen ca 85% aller Touristen hier aus, und irgendwie tut es schon gut nicht im bunten Theater eines maximalen, internationalen Tourismus unterzugehen.

So, noch ganze fünf Tage bis zum Heimflug… noch ein spannendes Meeting mit Filmreporter aus Moskau, ein Besuch im Deutschen Haus, Neues vom neuen Visum abwarten (ist dank der „Cheboksary Connection“ in Arbeit…) und ganz viel in der warmen Wolga schwimmen.

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