20.08.2016
Auch Kazan ist gut zu mir und will auch alles wissen. Einer der 1.216.000 Einwohner dieser Stadt, ist Journalist Sergey, der mich unvermeidlich übers Bloggernetzwerk in Cheboksary aufspührte.
Es ist aufregend zu wissen, dass ich zwischen Petersburg und Wladiwostok durch all die elektronischen Medien schwirre… ob auch schon der große Vladimir in Moskau bescheid weiß ?
Auch ein großes Lob an die Schuhe; Die deutsche Marke Meindl lief ich schon seit 9000 km auf allen Wegen, und ja, mit meinen 62 Kilo laufen die natürlich weniger schnell ab als mit 85 auf der Waage.
Noch einmal gibt Russland alles und schenkt mir sein Reichtum: Ein kostenloser Haarschnitt sowie ein Bett für lau im „Cat on the Roof Hostel“ – eingeladen über Couchsurfing kann ich in meiner „Bettkapsel“ so lang bleiben wie ich will.
Noch fünf volle Tage habe ich hier in dieser lebendigen Millionenstadt voller Energie, die so anders ist. Heute ist Sonntag, wieder heiße 35 Grad… und Zeit für Erkundungstouren in und um den Kreml, diesmal mit dicker Moschee mittendrinn…
Frisör und Jens kompett zufrieden; umsonst hatt mir der Maestro die Haare auf praktische Spätsommerkürze getrimmt.
Endlich, endlich, endlich…. Sergeys Freundin weiß sofort mein Frisurproblem zu lösen und stellt mich sofort ihrem Frisör vor
Interessante Gesprächspartner wie die 21 jährige Anna; Politik, Soziales, internationale Beziehungen; gut informiert sind sie hier in Russland, besser als bei mir Zuhause so mancher denkt…
Dank einer 100 Euro Spende kann ich jetzt auch die letzten Tage überstehen; Frühstück bei Mc Donalds, Essen in der Kantine, und natürlich das heilige Bier vom Fass (1,50€ das Pint) am Abend….
Spender und Weltreise-Seelenverwandter Reiner (selbst momentan im Kaukasus unterwegs) mag es mir gönnen.
Danke mein Lieber dafür 🙂
Neue Republik, neues Glück; nach 1763 Kilometern auf Russischem Boden erreiche ich nun das große Zwischenziel: Kazan, die Haupstadt des kleinen Landes im Land.
Und nun?
Zu früh angekommen, da all die Kilometer auf dem platten Land Hungerkur angesagt war, vielleicht mal alle 25 km eine Tankstelle oder Kaschemme, da musste ich ja rennen um anzukommen.
Gestern 35 km, vorgestern 40.
Dennoch ist genug Zeit, viel Zeit, denn mein Visum läuft erst zum 29.08 aus, werde diese letzten Tage in der Metropole Kazan (gesprochen: Kasan) verbringen, wieder eine der eher unbekannten Millionenstädte hier im großen Osten Europas.
Tataren kennt man schon irgendwo her, dieses Turk-Volk, einst von den Routen der Seidenstraße mal nach Norden abzweigend, bilden sie heute an der Wolga das nördlichste, muslimische Volk der Welt.
Wobei hier in den geschwungenden Weiten des hügeligen Graslandes mit vielen Äckern, erstmal keine Moschee zu sehen ist, sind 55% der 3,9 Mio Bewohner Tatarstans Muslime, so wie 46% Tatarisch und 40% Russisch sind.
Überhaupt; Russland und der Islam sind seit vielen Jarhunderte miteinander vertraut, leben doch heute 19,2 Mio Moslems in diesem Land, was 13% der Russischen Bevölkerung ausmacht (148 Mio), wer hätte das gewusst?
Noch einmal komme ich der Wolga so nahe, kämpfe mich auf und ab den langen, steilen Anstiegen über die Hügel, schwitze entsetzlich; 33 Grad sind es tagtäglich, die Sommer sollen heißer geworden sein erzählt man, der Regen dafür weniger. Die reichen Ernten der Gegend (50% Tatarstan sind Landwirtschaftlich genutzt) müssen zukünftig wohl durch Bewässerung gesichert werden, während die Winter mit minus 20 – 25 Grad eher weniger streng ausfallen.
Glück für Russland, wenn die globale Klimaerwärmung an Fahrt gewinnt; gewinnt auch der größte Flächenstaat der Erde. Der liegt ja so unglücklich Sub-Polar, Permafrostig im Norden, könnte bald neues Agrarland gewinnen dank der neuen Wärme, könnte locker Getreide für eine Milliarde Menschen produzieren…
Wenig Platz auf der Straße, dafür tolle Ausblicke auf Wolga und Nebengewässer.
Da ganz hinten sehe ich das Inseldorf Swiaschsk, inmitten der Wasserlandschaft einer im wahrsten Wortsinn ausufernden Wolga.
Weit schlängeln sich große Ausläufer der Wolga ins umgebene Land, quer durch Tatarstan macht die mächtige Wolga hier als größter Stausee Europas, die Region zu einer der Wasserreichsten im Riesenland.
Was essen die Tataren denn so? Erstmal Russisch; Reis und Hühnerbein, deftig und kompakt für 350 Rubel (5€), inklusive Cola. Dieses Essen soll dann für die nächsten 23 km (!) reichen …
Schwer zu knipsen: Eine seltende Wespenspinne flüchtet über meine Campingplanen. Die sieht gefährlich aus, ist aber nur schwach giftig und kaum agressiv. Zumal ihre Klauen zu klein sind um durch die Haut zu beißen.
Ja, das wandern selbst ist mal ganz schön hart; schlechte Seitenstreifen voller spitzer Schottersteine, heiße Sonne, kein Schatten, fette 40 Tonner die mich krachend laut auf 20 cm schneiden… es geht ständig bergauf und der Wanderwagen fährt ja nicht von selbst.
Um so schöner kommt dann der „Feierabend“, oft nach 35 km wenn endlich (endlich) ein winziger Straßen-Dorfladen kaltes Bier und Wasser bereithält.
Dann dauert es nicht lang und ich nehme mir das Land; zelten auf riesigen Sommerwiesen. Unvergessliche Momente..
Die große Brücke über die Wolga war erwartungsgemäß dramatisch, wie überall durch Baustellen noch enger, noch weniger Platz und eigentlich wäre es garnicht möglich hier zu gehen. Aber ich muss da durch, gucke einfach nch vorn und ziehe die Meter gradeaus durch…. auf Zentimeter „in touch“ mit all dem Schwerlastverkehr.
Kazan, ich sehe es links in der diesigen Ferne über den Wolga See…. noch 20 km wegen eines Umweges, die Autobahnartige Straße scheint nie zu enden, Wald umgiebt das Vorurbane Verkehrsgetöse auf quälende Kilometer; wieder bin ich ausgemergelt, hungrig denn die Vorräte sind dank nicht vorhandener Versorgungsmöglichkeiten leer.
Dann knallt noch ein Reifen durch.
20 Minuten brauche ich um den Schlauch zu wechseln, greife die letzten 10 km an, finde aber inmitten dieses Vorstadt – Waldes diesen wunderbaren See; grünes, frisches Wasser…. ich denke nicht, mache nur…. tauche, schwimme und dümpel in dieser Traumwelt.
Russland jetzt von seiner schönen Seite.
17.08.2016, Tschuwaschien, kurz vor der Grenze zur Republik Tatarstan, 30 Grad, Sonnig.
Hey, und noch mal ein WiFi hier in der Pampa… laufe und laufe durch endlos weite Landschaften als wolle ich es noch vor dem 27.08. bis Wladiwostok schaffen…
Ob all der (kleine) Medienrummel vielleicht doch noch ein Wunder vollbringt? Ich im Lande bleiben darf um es in voller Länge zu durchqueren?
Zeit all die Kilometer zum Träumen jedenfalls hab ich genug, uff, setze mich erstmal auf den Bordstein und trinke gierig den eiskalten Energydrink für 105 Rubel, hier irgendwo kurz vor der Tatarischen Grenze.
Träume; …. noch bin ich hier im ewig weiten Land, der Wind ist noch so warm. Die Sehnsucht nach Hause im Minutentakt, doch der Kampfgeist, diese unbändige Lust auf den Horizont lässt mich an Wunder glauben, auch wenn ich fast komplett pleite bin, alles so unmöglich erscheint…. Kazan; die große Zwischnstation wirds zeigen.
Ja, jaaa… wieder eine Mail gerade gelesen: Fernsehreporter aus Moskau wollen mich treffen…. und ein Journalist aus Kazan hat auch schon angefragt. Fehlt ja nur noch der Präsident, …ja wie heißt denn der noch…?
… Ja, das erste Ziel ist tatsächlich bald erreicht: Noch 100 km bis zur Metropole Kazan, wo meine gemalten Striche auf der Landkarte aufhören, wo eben das Visum endet…
Fast geschafft, welch bangen und hoffen all die fernen Kilometer zurück, ob ich es überhaupt soweit schaffe; insgesamt 1080 € an Spenden machten den Lauf seit Tallin (Estland) überhaupt möglich, über drei Monate ist das jetzt her, gut 2000 km .
Jetzt bin ich erstmal in einer Oase auf der öden Fernstraße, dieser Irbis Raststätte wo es endlich Internet (WiFi) gibt, für 2,20€ ein deftiges Frühstück (Plov-Reis mit dicker Frikadelle, & Softdrink) verputze. Hier irgendwo im Nirgendwo zwischen Cheboksary und Kazan.
Cheboksary, diese in unseren Breiten ja nun völlig unbekannte Großstadt, verließ ich erstmal mit einer Reifenpanne, platt und ohne Flickzeug stand ich wirkloch blöd da; das Russische Reifenflickzeug taugte leider nicht die Bohne; die Klebe hielt nicht im geringsten.
Oh Glück, zwei Autowerkstätte später, wurde mir eine schummerige Garage gewiesen, in der wohl ein Reifenhändler und Reperateur zu finden sei.
Der hatte sogar ganz zufällig den selben dünnen Schlauch gleich neben der Werbank hängen…. Zufälle gibts… reparierte den alten noch. Ängstlich aber auch dankbar zückte ich die Börse, … was mochte das nun kosten? Konnte sie aber gleich wieder einstecken; der Wanderwagen wirkt manchmal kleine Wunder, und brauche nichts bezahlen.
Jaja, so heldenhaft mein Tun durch dieses kontinental große Land zu spazieren, so verletzlich ist allerdings auch alles; hätte mich der Platten auf endlos weiter Fernstraße getroffen, was währe dann?
Besser nicht weiter überlegen und einfach staunen über all die Leute die mich um ein Selfie (Foto) bitten, schließlich bin ich offenbar eine kleine Berühmtheit im Land geworden. Dank der letzten Interviews kursiere ich im Internet und dem einen oder anderen Fernsehbericht durch die Medien….
Ich esse wie ein Staubsauger, verschlinge all die Einkäufe von Cheboksary und stehe zum Tagesende, 33 km fast ohne alles da. Unmöglich jetzt einfach das Zeltlager aufzubauen, auch wenn links und rechts eine offene Traumlandschaft mit weiten Wiesen und einladenen Pinien locken; wieder hungrig muss ich also bis zur nächsten Stadt traben, Ziwilsk, eine 13.000 Einwohnerstadt mit mal so gar keinem sehenswerten Inhalt, lediglich ein Monument inmitten des zentralen Kreisverkehres versucht sowas wie eine örtliche Identität zu stiften.
Eine goldglänzende Neubau-Kirche steht ganz weit draußen am Ortsrand.
Die allerletzten 5000 Rubel ziehe ich mir heute an diesem 16 August vom Automaten in Ziwilsk, wo ich nun zum erneuten Einkauf von Proviant kurz zurückkehre, dort vergeblich noch ein Lokal mit WiFi suche. Hier gibts einfach garnichts… und bin froh für den Tag die Speicher nun gefüllt zu haben.
Schwer beladen (5 Liter Wasser) holpert der Wanderwagen über die Schlaglöcher in Richtung Ferne.
Die Telefonate mit Georg und Mama werden zum einen feierlicher, da ich bald nach Hause komme, zum anderen angespannter, da ich für die letzten zwei Wochen nur noch 65 Euro habe.
Mama hat kein Geld, und Georg hat schon mehr als genug gespendet, jetzt hoffe ich noch auf ein bischen Glück für’s Spendenkonto, eben für die letzte Zeit in Kazan. Der Heimflug ist fast bezahlt, es fehlt noch der Wanderwagen als Extra-Gepäck, was locker mal 50 € kostet, denn der muss mit, weil viele Reperaturen anstehen, sowie ich ihn unbedingt brauche für meine Vorträge übers Fernwandern, um für die baldige Fortsetzung zu verdienen.
Unglaublich: Wieder hält ein Auto und zwei junge Männer stürmen über den Asphalt zu mir; ein Foto wollen die, versuchen irgendwas auf Englisch zu sagen und sind schnell wieder weg.
Unwirklich finde ich mich im Trott meiner Einsamkeit, vertieft in all den Gedanken wieder… bis wieder jemand hupt und winkt, den Daumen zeigt…
Irgendwie freue ich mich total über die kleine Unterbrechung, sehe bald die Familie wieder… anderseits könnte und würde ich einfach weiterlaufen, ja bis Wladiwostok…. gewöhnt habe ich mich so sehr ans Land, doch wo kein Visum da kein Weg mehr…. und so knapp wie jetzt war auch mein Geld noch nie.
Heute: 17.08.2016, ca 30 km weiterwandern ohne irgendwelche größeren Orte. Lediglich das Dorf Emetkino lässt mich auf einen Laden hoffen um dort Brot und Trank zu finden.
Zum Tagesende will ich die Grenze zur nächsten Republik erreichen; Tatarstan, das Reich der Tataren erwartet mich dann…
92 Kilometer sinds von Cheboksary, bis zur Nachbar-Haupstadt Yoshkar Ola ( 240.000 Einwohner ) die allerdings strikt nach Norden gelegen kaum auf meine Wanderroute nach Osten passt.
Also dann mal für 2,80 € in den kleinen Bus und los gehts. Ganze 80 km führt die Straße durch ununterbrochendes Waldgebiet. Kein Dorf, kein Garnichts bis dahinter plötzlich die typisch, triste Plattenbaufront erscheint: Yochkar Ola ist erreicht.
„Rote Stadt“ heißt Yochkar Ola in der Sprache der Mari übersetzt, und „Mari El“ (Menschen-Land) die Bezeichnung dieser neuen (Teil)republik, erschaffen als Wortspiel für’s Territorium der ehemligen „Tscheremissen“ wie dieses finno-ugrische Volk ethnisch korrekt heißt, also im Gegensatz zu den Turk (türkisch) affinen Tschuwaschen ursprünglich aus dem finnischen Kulturkreis stammten.
Welch ein Durcheinander im Post Völkerbewanderten Wolgagebiet, mit all ihren Nationen im Staat.
Ja, es ist alles sehr erschwinglich hier, das Hostel kostet nur 450 Rubel, lande somit ins letzte freie Bett im Gemeinschaftsraum, schwitze aber die ganze Nacht wie Hulle…. mit wieder über 35 Grad war der Tag echt wieder Russisch – Tropisch ….
Zuvor konnte ich mir die Stadt ansehen, die neuerdings in ganz Russland für Aufsehen erregt; nahezu komplett neu glänzt ein kurioses Disneyland-Stadtzentrum voller Nachbauten aus der ganzen Welt.
Flucht nach Vorn hat’s wohl geheißen, als noch das Stadtzentrum aus wäldlich, urbaner Wildnis bestand, die kleine Haupstadt nahezu frei jeglicher bildliche Identität war, und der Zerfall nur noch Yoshkar Ola als lokaler Universitätsstandort etwas entgegensetzen konnte, wo es sich billig lebt.
Abertonnen geschliffener Granit umranden den neuen Festungskomplex, markieren somit den Umriss eines Kremls, den es historisch in der jungen Stadt nie gab. Vor ca 450 Jahren gegründet von den expandierenden Russen noch als Militärfestung, ausgerechnet zur Eroberung des dortigen Mari Landes, blieb Yoshkar Ola noch bis zum Ende der Zarenzeit, vor über 100 Jahren, lediglich ein ärmliches Provinznest von kurzlebigen Holzhäusern.
Also, nicht nur in China enstehen neue Eifeltürme oder bayrische Landschlösser vom Reißbrett, auch in Yoshkar Ola lässt sich ein kurios mutiger Versuch bewundern, einer völlig neuen Selbsterfindung; Belgische Gildenhäuser, Italienische Turmbauten, Deutsche Schlossromantik, und venezianische Dogenbaukunst – wenn auch letzteres im Rohbau, um nur einiges zu nennen, wirken wie eine Fata Morgana in der unendlich, tristen Weite einer Tundra ähnlichen Waldlandschaft, weit, weit hier im unbekannten, fernen Osten Europas.
Das Land der Mari El ist zwar fast doppet so groß wie das nahe Tschwaschien, hat aber mit 687.000 Einwohner nahezu die Hälfte der Einwohner.
Arm und schwerpunktmäßig auf die Holzindustrie beschränkt, leidet die ohnehin kleine Republik unter starker Abwanderung, dürfte selbst seine erfinderische Haupstadt bis 2050 ganze 40.000 Bewohner ärmer sein; der Tourismus aber dürfte es schaffen den Schwund zu begrenzen, anderes nämlich, gibt es in Yoshkar Ola nicht.
Und auch hier heißt es das Rampenlicht in Stellung zu bringen; Nastja trifft mich am nächsten Morgen um halb neun zum Interview; natürlich übers Wanderleben, aber auch um mir einiges über ihre außergewöhnliche Heimatstadt zu erzählen.
Wobei sie als Weißrussin vor 25 Jahren geboren, lang in Südrussland lebte, heute aber ihr Herz in Yoshkar Ola zu Hause weiß.
Ein Tag (und eine Nacht) in Yoshkar Ola, 92 km abseits vom Wanderweg.
Mal im venezianischen Baustil, dieses neue Haus nahe der Innenstadt.
Unweit der Innenstadt von Yoshkar Ola fallen wieder diese farbenfrohen Kuppeln der Kirchen auf.
Das staatliche Mari – Theater mit Aufführungen ausschließlich in der Mari Sprache in bekannter Palast-bauweise – selbstverständlich gleich mit einem Lenin nebenan.
Pomp und Gloria, griechische Säulen. So mag (mochte) man die Stadtplanung im Russischen Reich, wobei hier in Yoshkar Ola alles noch recht neu ist.
Eine tolle Fußgängerzone zieht sich mal einen Kilometer durch die neue Innenstadt, für Russische Verhältnisse schon sehr groß.
Die Hitze macht hier selbst die Jüngsten zu schaffen. 35 Grad hier in Yoshkar Ola an diesem 20 August.
Dem Moskauer Kreml nachempfunden, Portal mit Kathedrale, alles brandneu, erst ein paar Jahre alt.
Knapp ein Jahr fertig, die glitternde, glänzende Zentralkirche im komplett neu erschaffener Umgebung des wohl jüngsten Krmls in Russland.
Eine komplett neue Kulisse entlang des Flusses schaffte sich Yoschkar Ola, so wie hier eine Simulation der Gildenhäuser von Brügge in Belgien.
Und mal im Genovesischem Stil, das „Grand Chateau“ – französisch benannt und italienisch gestylt…. gibts eigentlich nur in China noch, oder eben in Yoshkar Ola…
In jeder Russischen Stadt vorhanden: Die Flamme des unbekannten Soldaten, so auch hier gleich mitten in der Fußgängerzone von Yoshkar Ola.
… Und wieder zurück nach Cheboksary, wo das ganze Gepäck (Wanderwagen, Rucksack) im Hostel zwischengelagert sind. Immernoch folge ich der Einladung Adners (den ich allerdings die letzten zwei Tage nie mehr wieder sah) im Filippo Hostel zu bleiben, lohnt sich ohnehin nicht mehr heute noch groß zu wandern, werde morgen früh dann wieder starten, …. auf nach Kazan…
… Erst exotische Millionenstädte, und nun ganze Republiken, ja Länder die sich hier in den unendlichen Weiten des Russischen „Kontinents“ finden.
Ja, natürlich aus der Deutschen Perspektive, wenngleich hier in Russland natürlich jeder die Republik Tschuwaschien kennt, besonders wer selbst zu den 1,23 Mio Einwohnern dieses Landes gehört, oder zumindest aus dem Schulunterricht. Überhaupt kennen die Russen sich in ihrem Riesenland recht gut aus, ein Resultat einer effizienten Heimatkunde seit Schulzeiten.
Einerseits ein Punkt auf der Landkarte, doch nun mal ein echter Staat im Staat; Tschuwaschien, eine der 22 Repubiken (!) im Land bildet nun den Übergang im Wanderleben vom Altrussischen Kernland in die weiteren Gebiete anderer Völker, die vor zwei, drei Jarhunderten im Zuge der östlichen Expansion des Russischen Zarenreiches, stattfanden.
Erstmals staune ich im Weitblick übers Land; auf und ab zog sich der Übergang von der Altrussischen Nischni Novgorod Oblast hinüber nach Tschuwaschien mit fantastischen Fernsichten:
Oh Gott, welch ein weites Land…. Tschuwaschien, Nischni Novgorod Oblast, sowie die Republik Mari El am Horizont rechts, vereint zur Russischen Welt in all ihrer Weite ….
Grün, saftig und so lebendig; jeder Meter dicht bewachsen voller Leben. Mein weites Russland im Duft seines so warmen Sommers, voller Erhabenheit bis (warhaftig) zum Ende der Welt.
Welcher der 127.000 Flüsse mag das sein? Ich hab es vergessen, aber werde wohl diesen Moment zur kleinen Pause am Geländer mit Flussblick niemals vergessen.
Der Wanderwagen in Sichtweite und alles ist gut; futtern (Plov-Reis mit Hühnchen) in der Raststätte für nur 2,70€ um die nächsten Kilometer zu schaffen.
Irgendwie wie ein Grenzübergang; von der großen Nischni Novgorod Oblast in die Republik Tschuwaschien. Mitten im tiefsten Russland aber.
Die erste Nacht auf Tschuwaschischem Boden steht bevor, hier auf dem Acker, weit genug von der lauten Straße entfernt.
Im Straßendorf Yungaposi gibts erstmal für kleines Geld einen Kaffee + WiFi Internet (rechts im blauen Haus) als wilkommende Pause zwischen all den endlosen Kilometern.
Und immer wieder Landschaften ohne Ende.
Traum – Ausblick vom Zelt auf die Felder Tschuwaschiens, bei 25 Grad am Sommerabend.
Selbstverständlich habe ich kürzlich kaltes Bier vom letzten Laden an der Straße dabei und feiere den Abend nach deftigen 35 Kilometern Fußmarsch verdient.
Und natürlich gibts in der versteckten Republik auch eine Haupstadt: Cheboksary, die ich Donnerstags am 11 August bei 30 Grad Sommersonne verschwitzt erreiche, aber freudig die Nachricht empfange dass Adner Yegorov, mich dazu einlädt ins Filippov Hostel zu nächtigen.
Digital hatte ich mich schon verabredet mit jemanden zum Couchsurfen, entscheide mich aber letztendlich für den Blogger, Journalisten, Historiker und Netzwerker Adnan, eine Waschechten Tschuwaschen, wortwörtlich.
Der hat auch gleich ordentlich Puplikum aufgefahren um den müden Wandersmann gebührend zu würdigen; ca 10 Studenten quer aller Fakultäten versammeln sich im rustikalen Bierlokal ganz nahe dem Hostel um mich.
Das Bierlokal steht ganz im Zeichen dafür, dass sich Cheboksary als Bierhauptstadt von ganz Russland rühmt, ein Biermuseum gleich nebenan will ich noch besuchen die Tage, Zeit nehme ich mir hier an diesem Ort gern, denn am 27.08 geht ja wieder der Rückflug des Visums wegen in die Haimat, und bis Kazan, dem großen Zwischenziel ist’s nicht mehr so ganz weit.
Die noch historisch jüngere Stadt Cheboksary, soeben 500 Jahre alt liegt direkt an der Wolga, wächst allerdings noch immer und hat seinen Höchststand warscheinlich noch nicht erreicht; 472.000 Menschen sind hier Zuhause, was zudem deutlich das neue Wahrzeichen „Mother Patroness Monument“ – ich nenne es „Mama Tschuwasch“ – zeigen soll, ein Symbol des „Zuhause sein“ in Erinnerung daran wo man herkommt.
Tschuwaschien: Eine kleine, charmante Entdeckung hier ganz weit am unbekannten, östlichen Rand Europas liegt zusammen mit den anderen Republiken „Mari El“ und „Tatarstan“ ( dem Tataren-Land ) an der großen Wolga, die hier teils so breit aufgestaut ist, dass der Blick nicht hinüber gelangt.
Die übersichtliche Innenstadt Cheboksarys reicht gut und gern für einen Tagesaufenthalt. Es ist billig hier, der Espresso für 1 €, der halbe Liter gutes Bier vom Fass für 80 Rubel (1,10€) sowie ein Essen für 350 Rubel (5€) sind überschaubar.
Mir fällt auf, dass Cheboksary ein jüngeres, vitaleres Stadtbild hat als ähnliche Städte dieser Größe; Neubauten, sowie Rohbauten (wegen der Wirtschaftskriese) im Baustopp, prägen das Bild.
Schlimm aber: Immer mehr junge Leute verlassen (wie überall in Russland) ihre Dörfer um nach Cheboksary zu ziehen. Noch schlimmer: Mir erzählen nicht wenige, dass sie sogar ganz fortziehen wollen, – selbstverständlich nach Moskau.
Wieder finde ich mich im Getümmel einer „Press Conference“ wieder, diesmal im Schatten des Mother Monuments im Herzen Cheboksarys. Reporter, Studenten und sogar die Polizei – vorgefahren im nostalgischen Lada der 70er Jahre, klebt mir demonstrativ Reflektoren an den Wanderwagen.
Das hat’s auch noch nicht gegeben: Mit der Polizei im Rampenlicht, inclusive alten Dienstlada nebst Wanderwagen. Blogger Albert (l.) auch dabei.
Fragen & Antworten beim Pressetermin morgens um 10 am Mama-Denkmal. Auch der Wanderwagen muss aus dem Hostel mitgenommen werden.
Keine Ahnung wer welche Zeitung oder welchen Internet Blog bedient. Ich antworte und erzähle, erzähle und berichte vom Wanderleben….
Den Wanderwagen (demonstrativ) verkehrsicher machen. Dürfte bei den noch anstehenden 8.500 km bis Wladivostok auch ganz nötig sein.
Da passt auch noch ein Reflektor hin; nun ist der Wanderwagen wirklich verkehrsicher!
Mit dabei: Die junge Bildungs-Elite, auch interessiert an so unkonventionelle Erscheinungen wie Wanderer auf dem Weg um die Welt.
Marina übersetzt von Deutsch ins Russische. Die stolze Tschuwaschin spricht nahezu perfekt Deutsch.
Das Filippov Hostel beherbergt mich gratis, ein vorbildlich, top geführtes Haus mit fantastischen Duschräumen, großzügig in Marmor und wenig belegten Mehrbettzimmern, WiFi, und eben kaum internationales Publikum, da Cheboksary einfach kaum bekannt ist in den restlichen (westlichen) Breiten Europas.
Erstmal gibts viel zu tun: Wäsche waschen, trocknen, Duschen, und, und, und…. Nach acht Tagen draußen auf Wanderschaft stinkt nahezu jedes einzelne Kleidungsstück.
Begrüßung mit Gastgeber und Gönner Adnar (rechts) sowie Kollege Andre mit Nachwuchs im Filippo Hostel mitten in Cheboksary.
„Will ich auch mal machen, wenn ich groß bin“ – um die Welt spazieren.
Und so schlage ich mich mit den letzten Resten an Rubeln durch die Stadt, überlege hin und her wie es noch die nächsten drei Wochen weitergeht bis zum Heimflug (der ist bereits bezahlt) und hoffe weiterhin auf Kilometer-Spenden. Mein Spendenkonto findet sich unter „Kontakt“ hier auf der Website.
Cheboksary, Tschuwaschien, Wolga, Nina, und ständig Sommerwetter; eine schöne Zeit in einer spannenden, freundlichen Großstadt …. so fern, aber immernoch in Europa…
Natürlich hat die Republik Tschuwaschien auch eine eigene Flagge.
Ausblicke auf die Stadt Cheboksary, sowie einer schönen Zeit nach langer, langer Wanderung…
Das Zentrum von Cheboksary im späten Licht des Nachmittags.
Weiter rechts zur Wolga hin steht das Monument der Mutter.
Stadteindrücke am Nachmittag in Cheboksary.
Nina die gute Fee von Cheboksary, erklärt mir ihre Heimat.
„Zuhause“ – welch ein schönes Monument; die Mutter Tschuwaschiens, erst vor wenigen Jahren erbaut am Wolgahafen in Cheboksary.
Mama hält die Arme offen, denn hier ist eure Heimat. Das rührt mich sehr.
Nahe der Innenstadt ist in Cheboksary noch genug Platz zum bauen. Wie wärs mit einer riesigen Shoppingmall hier? Wer hat mal ein paar Millionen zum investieren?
Neue Wohnungen brauchen die Städte auch in Russland. Nach 60 Jahren verfallen die Plattenbauten draußen in den Randbezirken immer dramatischer.
Stadbild östlich der Innenstadt mit neuen, modernen Wohnhochhäusern.
Der Platz der Republik mit der staatlich, tschuwaschischen Akademie der Landwirtschaft. – Müsste eigentlich „Parkplatz der Republik“ heißen, da hier eher alles für Autos und Busse ausgelegt erscheint.
Jede Stadt ihren Lenin. So auch hier in Cheboksary am Platz der Republik.
Natürlich hat die Republik Tschuwaschien auch einen eigenen Regierungspalast, gleich hinter dem Leninpark in bekannter sozialistischer Pracht.
Umzingelt von 14 Jährigen in der Fußgängerzone von Cheboksary kurz nach dem Journalisten/Blogger Meeting; den Digital Natives entgeht heute nichts und wurde schnell erkannt.
Morgen (Samstag) mache ich sogar einen Ausflug: Rüber nach „Mari El“ will ich. … 92 Kilometer Busfahrt in dessen Haupstadt Joskar Ola sind dann angesagt und bleibe eine Nacht dort.
Vielleicht bin ich da privat eingeladen; die Kontakte über Facebook laufen heiß, und wer weiß was alles kommt.
Sonntag bleibe ich dann noch in Cheboksary, Adnar mag mich noch länger hier halten. Was er wohl vor hat?
Montag dann mache ich mich auf den Weg nach Kazan, vorläufig die letzten Kilometer durch dieses großartige Land….
… Oder Kilometer Nr. 4.113 von Recklinghausen (Deutschland) aus betrachtet, – oder 9.363 km insgesamt, mit Jakobsweg verbunden durch nahezu ganz Europa, von West nach Ost in einem Stück.
Hey, kommt ja echt schon was zusammen im Wanderleben, und habe noch nicht einmal dafür den Kontinent verlassen. So groß ist er, so unbekannt … oder kennt jemand Tschuwaschien? Die Republick Tschuwaschien!
Ja, bis dahin bin ich jetzt fast gekommen, wandere Tage durch recht leeres Land, freue mich nun über die Oasenartige Luk-Oil Tankstelle mit Cafe, Laden und jaaaaa: WiFi Internet.
Steckdosen zum aufladen inklusive, der Akkurasierer jubelt.
Etwas fertig noch von der Nacht bin ich, trinke mal ausnahmsweise den Espresso aus Pappbecher, blicke auf eine stark verregnete Nacht zurück, und unglaublich nervende Mäuse am Zelt; die nagten lautstark am Wanderwagen, wühlten sich sogar unter der Luftmatratze im Erdreich. Ein Biss und das gute Ding knallt. Aufregung sowieso…. der Tag zuvor hatte es auch in sich….
Der gute 500ter den ich mal am Straßenrand fand, war eine Blüte… gestern wollte ich schön was kaufen davon, und kassierte stattdessen deftig Zoff; die bullige Olga war kurz davor mir den Abakus am Kopf zu fetzten, schimpfte lautstark über das offenkundige Spielgeld.
Anstatt irgendwie nur zu versuchen zu erklären, dass ich ein schusseliger Ausländer, ja Tourist sei, dem sowas ja nicht auf Anhieb auffalle, ergriff ich die Flucht, ließ die drei Sachen meiner Wahl auf der Theke liegen. Schnell nur noch weg.
Den falschen 500er aber klatschte sie mir noch vorwurfsvoll auf den Tisch, griff den einfach und verschwand.
Zum Glück fand ich gleich weiter einen anderen Laden, füllte so prall wie nur möglich die Vorräte auf, denn auf der Landkarte droht die nächsten 100 km nichts und wieder nichts ….
Lediglich karge Dörfer mit uralten Babuschkas die ihre Äpfel und Gurken am Standstreifen der Fernstraße feil bieten, sowie kleine Tankstellen mit überschaubaren Getränkeangebot gibts hier.
Erst Pfifferlinge, jetzt Äpfel; Saison am Straßenrand, ein so typisch Russisches Bild.
Von den Behörden geduldet, da garantiert steuerfrei; Verkaufsstände in den Kleindörfern.
Flucht aufs weite Kleefeld vor den Moskitos. Hier im Freien bin ich sicher vor alles was brummt und sticht.
Weiter, weiter, weiter…. da hinten liegt die Republick Tschuwaschien, ein Teil Russlands.
Also, Tschuwaschien ist heute dann mal angesagt, eine dieser unbekannten Republicken des Russischen Kontinents…. verlasse somit dann das Russische, historische Kernland und wandere nun in neue, spannende Gebiete.
Hier, ganz weit am östlichen Rand Europas …
Seit Kstowo, der letzten Stadt hinter Nischni Novgorod kam einfach nix mehr, endlose Weite und zumindest Tankstellen, die sind gut für den einen oder anderen Energy Drink zwischendurch.
Viel zu erzählen gibts mal nicht jetzt hier ca 65 km weiter in der Kleinstadt Lyskowo, (21.000 Einwohner) die mit ihren Stadtleben und dem großen Kaufhaus mal wieder richtig gut tut.
Noch drei Tagesmärsche bis Ceboksary, der nächsten Großstadt, dort will ich drei Tage bleiben.
Eindrücke von der Fernstraße M7, Hitze, viel Kopfkino, und Kilometer, Kilometer, Kilometer ….
Zelten nahe der Straße; zwar keine Moskitos, aber laut ohne Ende über Nacht.
Na wo gehts denn nun lang? Bis Лысково (Lyskowo) will ich es heute noch schaffen….puuhh, 15 km sind schon geschafft, noch 25 mehr …
Schönes Russland; abseits der Fernstraße pausiere ich im Schatten der Bäume mit Weitblick übers Feld.
Weizenanbau dominiert in der Nischni Novgorod Oblast, ein riesiges, reiches Land, was bald noch mehr Getreide herstellen will als Kornkammer für die Welt…
Mein Alltag auf den steinigen Standstreifen der Fernstraße, mal bergab ganz angenehm.
Satte Anstiege aber lassen mich kräftig schwitzen. Auf und ab gehts hier in der Nischni Novgorod Oblast bei über 30 Grad…
Sauberes Russland: Viel getan wurde ich den letzten Jahren um das Müllproblem in den Griff zu bekommen, Müllsammler säubern den Straßenrand. Russland macht sich, und es ist wirklich sauber hier.
Letze Zeit hatte ich zimlich Kopfweh, offenbar wegen der permanenten Sonne, was die Birne auf dauer kräftig einheizt. Ansonsten „läuft“ die Gesundheit wieder ganz super, ich denke das überhaupt dieses tägliche gehen als einer der ursprünglichsten Zustände des menschlichen seins, viele gesundheitliche Probleme einer neuzeitlichen Lebensführung, beantworten kann; ich selber, kaum krank, als auch Freund Georg (65!) – immernoch auf dem Jakobsweg, befreit sich nahezu wunderhaft von alten, endlos-Beschwerden, nimmt ordentlich Kilos ab und entdeckt sich irgendwie neu – oder anders.
Er ruft mich ja täglich (über die günstige Scype-Telefonie) an, berichtet mir von seinen Etappen.
… Außerdem wirds wieder eng: Noch knapp 100 Euro in der Wanderkasse, – selbst für mich zu wenig für die anstehenden etzten drei Wochen Wanderschaft durch Russland.
Bald in Deutschland will ich genug zusammenkriegen für die anschließenden 8.500 km bis Wladiwostok, bin aber jetzt noch auf Kilometer-Spenden angewiesen, die es mich bereits bis hier schaffen ließen…
Dann ist KAZAN erreicht, das erste große Zwischenziel.
Gestern wars echt aufregend: Erstmal hatte ich mein Handy bei Mc Donalds in Niznij Novgorod vergessen, merkte erst einen Kilometer später das Desaster, stand kurz vor einem Herzinfarkt.
Und überhaupt war ja dieser Durchfall schuld; in heller Panik rannte ich aufs Klo, Portemonaie, Tablet-PC, Ladekabel, Notizheft…. war da nicht noch was?
Der Bauch läuft Amok, weniger wegen dem Fast Food, wohl einfach mal so denke ich und in all der Aufregung vergas ich zum ersten mal das Handy zwischen Pommesresten, und all dem mit Ketschup verklebten Papier.
Eigentlich machte es doch keinen Sinn wieder zurück zu rennen…. das Ding ist weg, ganz klar.
Aber die Hoffnung stirbt zuletzt, – Ich bin in Russland, und siehe da, schnell wurde ich wiedererkannt und ein liebes, junges Paar führte mich zur Bestelltheke, bekam das Ding zurück… ich bin begeistert.
Wobei mich Anton sogar zu sich nach Hause einlud, zog ich erstmal weiter, trotz Regenwetter treibt es mich recht stark wieder ins Freie, was Anton natürlich verstand, zudem liegt es in unserer Natur als Ewig-Reisende uns auf alle Fälle wiederzusehen; vielleicht sogar in Wladiwostok, wo er bald wohnen möchte…
Eine von den 15 Millionenstädten des Riesenlandes welches eben 40% des europäischen Kontinents besitzt, da ist es eben so eine Sache mit all den Orten dieser östlichen Landmassen, so gibt es ja noch Perm, Kazan oder Samara, weitere Metropolen dieser fernen Ferne im Unbekannten.
Ja, unbekannt ist fast schon exotisch; kaum irgendein Tourist aus Westeuropa ist hier zu sehen, Nischni Novgorod, mal so groß wie Köln, hat durchaus was zu zeigen; eine alte Handelsstadt am Zusammenlauf zweier mächtiger Flüsse, die Oka und Wolga, schaut auf 795 Jahre Geschichte zurück, zuerst ganz ehrfürchtig als „Untere Neustadt“ benannt, in namentlicher Abgrenzung zum damals schon längs existenten „Großen – oder bedeutendes Novgorod“, dem mir wohlbekannten Weliki Novgorod, noch recht am Anfang meiner Russlandwanderung.
Also zwei „Neustädte“ gibts in Russland, die eine historisch gewichtiger, die andere viel größer heute; mit 1,3 Mio eine weitläufige, ausgedehnte, aber auch relaxte Metropole die nicht so dermaßen überladen und stressig wirkt, eben lokal und ganz schön Russisch auftritt; wenig international, von der so touristisch vernetzten Welt recht unentdeckt.
Meine dünnen Beine betteln nach Entspannung, auch die Füße sehen das ganz ähnlich.
Abgesehen von einigen recht langen Rundgängen in die Innenstadt, verbringe ich die Zeit an meinen Lieblingsorten, den Cafes, einem Mc Donalds, sowie der neuen Hero-Schoppingmall, – bei 35 Grad Sommerhitze stets klimatisiert entschwebe ich in dieser künstlichen Welt dem Full-Time Job Wanderleben ein wenig.
Gleich sechs Einladungen flatterten mir in den elektronischen Postkasten über die Zeit, meine Wahl viel auf Sergei, einem 24 Jährigen der sich total für Indien interessiert; ich solle ihm vom Land erzählen, ihm bei der Reiseplanung helfen.
Kein Ding für mich, kenne ich doch Indien wie meinen Wanderwagen in und auswendig.
Eindrücke einer besonnenden Großstadt, in angenehmer Mittelmäßigkeit: Nischni Novgorod, 400 km östlich von Moskau:
Viele Kirchen mit goldenen Türmen prägen sich mit der Zeit als die Wahrzeichen einer typisch Russischen Stadt ein.
Vom Kreml, der historischen Bergfestung fällt der Blick überall auf tolle Sachen der historisch neueren Unterstadt.
Nischni Novgorod liegt hoch über der Wolga mit seiner alten Mauerfestung (Kreml).
Sonnenuntergang über der Wolga in der Stadt.
Weit reicht der Blick hier nach Osten, wo ich schon bald wieder als Punkt am Horizont verschwinde ….
Die Sicht vom der fünften Etage der Nebo Schoppingmall auf die Stadt.
Neubauten entstehen auch in Nischni Novgorod überall; die Stadt wächst noch für einige Jahre.
Historische Fassaden entlang der Bolschaja Fußgängerzone im Zentrum der Stadt wechseln immer wieder mit sozialistischen Bausünden bildlich ab.
Was war das nochmal für ein Bau? Jedenfalls fällt der gut auf im Zentrum.
Die Bolschaja Straße ohne Autos, traumhaft hier in aller Ruhe dem automobilen Fluch aller Großstädte, zu entgehen.
Ca 1,5 Kilometer zieht sich die Fußgängerzone durch Nischni Novgorod.
Cafes und Kneipen gibts genug hier, allerdings sind die Portionen in den Restaurants reckordverdächtig winzig, und lediglich der Preis bleibt üppig…. vorbei die Zeiten sich biegender Tische in Russland (?)
120 Jahre alt, das Stadttheater von Nischni Novgorod. Oper und Konzert, sowie Balettsäle gibts hier auch noch in großer Fülle.
Noch sind die nüchtern, die Jungs von irgendeiner Militärsache – wie mir Gastgeber Sergei erzählt, und schon bald fliegen die Fäuste in Kneipen, Bars und Treffpunkten feierlicher Bierlaune.
Keine Russische Stadt ohne das ewige (!) Feuer am Denkmal des unbekannten Soldaten, so auch hier in Nischni Novgorod. Stellvertretend für alle namentlich nicht fassbar Gefallenen des zweiten Weltkrieges.
Im Kreml (Festung) der Stadt stehen überall verschiedenste Bauten, von althistorisch (die Stadtmauer) bis zweckmäßig profan jene der Stadtverwaltung.
Und natürlich Militärischer Patos innerhalb der alten Stadtmauer, wenn auch sehr gepflegt in aller Blumenpracht untermalt, mahnt als fester Bestandteil eines jeden Russische Stadtbildes, die Vergangenheit zur Schau gestellt.
Sergei muss – wie fast alle meiner Gastgeber, den ganzen Tag arbeiten. Ich verliere mich unweit vom Wohnhaus in der brandneuen Nebo Shoppingmall, in der es noch frisch gestrichen riecht, und viele Läden noch garnicht eingezogen sind.
Ein Wandel unserer Zeit im Sinne neuer Zentren; einst die Kirchplätze, und die Märkte, sinds heute diese überdachten Superkomplexe wo das komplette, geistige Abschalten durch permanente beriselung einer Glasglänzenden Scheinwelt, gehüllt in Popmusik und flimmernden Supermonitoren, gut funktioniert.
03.08.2016.
Endlich ist es kühler: Schweres Gewölk bringt wohltuenden Wind ins schwitzende Gesicht, wobei ich so wenig wie möglich unterwegs sein möchte, öle ich wie ein eingelegter Hering.
Die Zeit verbringen im Kaffehaus, was die günstigen Preise mir (noch) erlauben, tut mir am meisten gut.
Bis neun muss ich nun auf Sergei hier in seiner Wohnung warten, Zeit genug um mal hier wieder ordentlich zu bloggen; allein die ganze Bildbearbeitung dauert gut eine Stunde, natürlich gern geschehen, aber uff, manchmal läppert sich da ganz schön was zusammen.
Hier in den kruden Wohnvierteln unweit der Innenstadt, wo ich jetzt so gut untergekommen war.
Danieder liege ich in Sergeis Küche auf dem Klappbett. Drei Nächte nimmt er mich hier auf.
Wieder wohne ich in so einem typischen Hochhausviertel, ca drei km von der Innenstadt Nischni Novgorods entfernt.
Gruselig die Umgebung um die Wohnkasernen: Wildnis und abenteuerliche Brücken sowie rostige Leitungen und Kabelwerk.
Jahrzehnte wuchern Bäume selbst im Innenstadtbereich vor den Fenstern, verdunkeln so jeden sonnigen Tag wie im Jungel von Afrika.
Morgen ziehe ich dann wieder weiter, nach Osten…. diesmal wieder auf die ganz große Fernstraße, 240 km ohne jede Stadt bis Čeboksary, die Haupstadt der Republik Tschuwaschien…. ja kein Scherz, die heißt wirklich so.