Wieder ZUHAUSE, angekommen in RECKLINGHAUSEN, da wo ich vor vierJahre in Richtung Santiago de Compostela ins Wanderleben aufgebrochen bin.
Und jetzt, 9363 Kilometer weiter durch acht Länder, pausiere ich mal wieder dort wo ich all die Kraft finde für das Leben unterwegs, einerseits wegen der Visa für Russland, anderseits weil ich auch die Heimat brauche; Wanderleben – Heimatleben…. das eine braucht das andere….
„Glücklich in der Ferne ist nur, wer Heimat im Herzen trägt“ – ein Zitat von mir selbst, und nahezu Standart Antwort auf einer der häufigsten Fragen die mir gestellt werden.
Heimat: Eine Verortung von Vertrautheit, einerseits in mir selbst; – fühle mich in mir selbst Zuhause – könnte somit vielleicht für immer unterwegs bleiben.
Anderseits bin ich bei der Familie wilkommen, bei all den Freunden, meiner Taverne, dem Stammlokal im Stadtteil Recklinghausen-Süd.
Das alles ist Heimat, Vertrautheit, Erinnerungen, aber auch etwas Verantwortung; so braucht mich die Mama immer wieder mal in der Nähe, Neffe Ben (6 j.) vermisst seinen „Onkel Jens“ immer ganz gewaltig, und der beste Freund Georg in Trier braucht auch nicht mehr nach Russland reisen, stellt schonmal den Champus kalt wenn ich komme freu
Jetzt sind erstmal drei, vier Tage nichts und wieder nichts angesagt, einfach ankommen..
Dann gehts aber wieder los, muss rann und Geld verdienen, mich um’s Visum kümmern… hoffe ja Adnan aus Cheboksary (Tschuwaschien/Russland) hat irgendwas erreicht.
12 Monate mindestens brauche ich für die übrigen 8670 km von Kazan nach Wladiwostok, am besten 14 Monate. Währe dann länger von der Heimat fort als je zuvor…
Kazan…. oh je, war noch kurzem da, alles noch so frisch, so gegenwärtig.
Letzte Nacht im heimischen Gästebett des Elternhauses träumte ich von den weiten Horizonten der letzten Monate, wache auf und mich grüßt Haushund „Else“….
Der Flug war sehr schön, hatte tolle Sicht erst auf Moskau dann auf Düsseldorf… und nun auf Mamas Gardienen, in der Gemütlichkeit Zuhause.
Draußen regenet es.
In Kazan hätte ich noch im Hostel bis zum letzten Tag bleiben können, für lau, einfach so. Aber bei all den sandigen Wolgastränden bei 35 Grad Spätsommerhitze, streifte ich mit Wanderwagen den ganzen Tag umher, traf Leute und sprang immer wieder in den Fluss.
Urban-Camping ist in Kazan ganz leicht, überall gibts Buschland, Gestrüpp und genug Deckung zum zelten in kühler, aber milden Sternennacht.
Den Wanderwagen muss ich mitnehmen, weil viele Reperaturen angesagt sind, aber auch für die Vorträge übers Wanderleben, wo mein Haus auf Rädern zum anfassen vor Ort ganz interessant sein dürfte.
Und natürlich wieder Moskau: Die 16 Millionenstadt breitete sich fantastisch unter ca 5000 Meter im Landeanflug aus, welch Erinnerungen dort vor fünf Wochen durchgewandert zu sein, jetzt landete ich hier um weiter nach Düsseldorf zu jetten. Im riesigen Flughafen gabs schonmal keine einzige Zeitung in Englisch oder gar Deutsch… ein Bier für 5 € verkniff ich mir dann auch. Das allerletzte Geld reicht gerade noch für das erste Bier im Stammlokal, noch fern in Recklinghausen.
So, das war die erste Russland – Etappe. In drei-vier Monaten gehts wieder weiter und zwischendurch berichte ich hier weiterhin aus dem „Heimatleben“ in stetiger Vorbereitung auf’s Wanderleben. …. 8.670 km durch den Sibirischen Winter/Sommer, Unendlichkeit…. bis nach China …
… kann so schön sein: Welcher Ort währe besser gewählt? St.Petersburg hat momentan zu viele Touristen, und Moskau ist zu teuer. Nischni Novgorod dann zu provinziell, die Tundra zu langweilig…
Also Kazan, wo eine ganze Woche nicht langweilig wird. Samstag um 10, geht der Flieger und ja, ich freue mich natürlich auf die Familie, träume Nachts nur noch davon.
Aber nur noch zwei volle Tage?
Danach einfach nicht mehr auf Planet Russland?
Komische Vorstellung, nach nun mittlerweile fast drei Monaten Wanderzeit …
Wie schnell die jeweils andere (Lebens)form, oder Seite vermisst sein kann, zeigt sich besonders zwischen Stadt und Land; selbst hier innerhalb Kazans ziehe ich nun wieder umher, wandere vom einem Ende der Metropole zum anderen, fast wie ein Stadtstreicher sehe ich jetzt aus mit dem Wanderwagen, und zelte in den urbanen Waldgebieten, gut versteckt im Dickicht.
Im „Cat on the Roof Hostel“ hätte ich ja bleiben können die ganze Zeit, aber dort war es eben drei Tage schön und die restliche Zeit genieße ich meine Unabhängigkeit, streife durch Kazan und freue mich diese Zeit zu haben.
Hier kommt man nur hin, wenn genug Zeit ist, oder lässt sich in gewaltigen Touristenbombern (Busse mit 70 Leuten Fassungsvermögen) ankarren…. zum Palast der Kulturen der Welt, eine seit 14 Jahren permanent in Bau befindliche Synthese aus allen sakralen Baustielen von Christlichen Kirchen über Moscheen bis zu Hindutempel, dazu etwas Buddha.
Wieder zeigt sich Kazan multikulturell, wieder gelungen, wenn auch dieser Palast der Kulturen weit vom Schlag, 10 km außerhalb des Zentrums liegt, und leider nicht zugänglich ist, eher noch wie eine Baustelle wirkt; festgetretender Lehmboden drumherum, überall Bauzeug, etwas Schutt.
Doch es lohnt hierher zu kommen in diesem urbanen Wildwuchs-Viertel, wo die Datscha ähnlichen Familienhäuser teils wie Bruchbuden zusammengezimmert neben einer Leichtbau Villa lediglich von Wellblechzäunen voneinander getrennt, stehen.
Zelten im Stadtwald nahe dem Palast der Kulturen, und wo sind die Moskitos geblieben? Die sumpfige Wolga gleich in Sichtweite und kaum Mücken…. welch ein Geschenk 🙂
Der Palast ist eher ein Ensemble und besteht aus mehreren miteinander verschachtelten Gebäuden.
Abseits der Hauptstraße nach hinten, verläuft eine Eisenbahnstrecke am Palast vorbei der hier noch eine Art Portal im Ägyptischen Stil zeigt.
Aber auch das hintere Eingangsportal führt erstmal ins Leere. Irgendwie scheint der Palast nur von Außen zu bewundern möglich.
Auch die Seitenzugänge des Palastes laden nicht wirklich ein, wirken eher wie sehr geduldige Baustellen.
Die lange Straße zum Palast, mit einfachsten Häusern, oft Marke Eigenbau, verwilderten Hecken und fehlenden Gehsteigen. Ein typisches Außenviertel von Kazan.
Einerseits noch in der Bauphase, anderseits schonwieder am bröckeln, kommt mir der Palast eher wie ein gewaltiges Gewächs vor, das mal hier, mal da neue Triebe bildet…
Gestern noch (vor dem Besuch am Palast) der große Termin mit dem Filmemacher im Auftrag vom Studio RT, Deutsches Büro Moskau, wo wir bei bratender Sonne vom Kreml aus über die Baumana Straße bis ins Hostel sämtliche Szenen drehten, morgen dann das Treffen in der Kazaner Uni, Deutsche Fakultät.
Heute einfach garnichts machen, den langen Weg zurück in die City mit Espresso belohnen, mit der Familie schonmal vor-freuen auf meinen Besuch auf „Heimaturlaub“ bald.
Übermorgen dann Abflug in die Heimat….
Die „Kasanskaja“ dieses Goldüberladene Bildniss Marias mit Jesuskind, hatte ich lang genug gesucht, und fand sie in der Kathedrale allerdings nicht.
Dort steht ein glitzernder Sarkophag… ob die vielleicht dort drinn liegt?
Nicht alles kann ich klären hier, zumal die Stunden bei Espresso und Gespräche mit vielen Leuten über alles Mögliche so wunderbar charmant die Zeit vertreibt.
Doch wichtig: Dieses Maria Bildnis ist für Russland ein ganz, ganz dickes Ding: Schon damals vor vielen Jarhunderten soll das Original, den Zaren zu überwältigenden Siegen verholfen haben, selbst Peter der Große war ganz wild auf das Bild. Doch in den Wirren der Geschichte enstanden gleich mehrere Kopien, und ein vermeintliches Original gilt heute offiziell als verschollen.
Die aktuelle Kasanskaja aber wurde von Wissenschaftlern als historisch sehr authentisch bewertet, ist mindestens 250 Jahre alt und somit mal nicht made in China aus Plastik.
Zugegeben finde ich die slavische Sakralkunst irgendwie überladen-verzerrt; das Jesuskind in adulter schrumpf-Optik mag da etwas verwirren, ist aber wesentlicher Bestandteil der hisigen Sakral-Ästhetik. – Andere Länder, andere Jesus-Kinder.
Kazan, oder gesprochen wie Kasan, nun seit einigen Tagen mein Zuhause sowie noch bis zum 27 August, kurz vor Ablauf meines Visums könnte als finaler Abschluss dieser Fernwanderung nicht besser gewählt sein.
Als Zwischenziel auf dem langen Weg bis zu den Grenzen Chinas finde ich in dieser großen Kulturmetropole über all die Tage ganz viel Abwechslung sowie Menschen hinter den immer touristischeren Kulissen, wie der Reporter Sergey oder der Deutschsprachige Tatare Radik, die in dieser sich schnell wandelnden Metropole wohnen.
Schneller als noch alle anderen 12 Millionenstädte, die in der Gunst darum kämpfen, auf der Touristisch, Kulturell aber auch Wirtschaftlich dritten Stelle – wenn auch mit großem Abstand zu den Überriesen Moskau und Petersburg zu stehen im Riesenreich.
Kazan ist alles: Alt und ganz neu, erfinderisch und voller Expiremente welche die Stadt mal ganz interessant im Kontrast zu der etwa gleichgroßen Metropole Nischni Novgorod setzt; Multikulturell, einst vor 839 Jahren als Hauptstadt eines Tatarenreichs gegründet, (Tatarisches Khanat) und vor 464 Jahren (im Jahr 1552) von Ivan den Schrecklichen erobert, „Russifiziert“ und noch bis heute halb Russisch, halb (ursprünglich) Tatarisch heute eine ganz besondere, lebendige, Mischung.
Nischni Novgorod (1,3 Mio) und Kazan (1,2 Mio) sind somit schon historisch sehr ungleich. Erstere wirkt als große Stadt eher noch provinziell, zwar wirklich groß aber eben etwas verschlafen, lokal und einfach sehr Russisch.
Kazan aber hat eine ganz andere Energie, auch weil hier ordentlich Geld drinn steckt; Ölquellen ließen den Tatarischen Konzern Tatneft sehr mächtig werden, baute kürzlich ganze Sportarenen in die Stadtlandschaft, kilometerweite glanzneue Hochhausfronten für den neuen Mittelstand deuten auf eine große Zukunft hin; Kazan wächst wie nur wenige der „kleineren Metropolen“ Russlands; ein völlig neues Technopolis, sowie die weit außerhalb in die Landschaft geknallte „Innopolis“, eine Universitäts-Vorstadt, beweisen den Masterplan für Gegenwart und Zukunft.
Investieren lohnt also speziell hier, denn noch viele freie Flächen liegen ungenutzt brach in atraktiver Citynähe, wo noch urbane Wildnis etwas wirre das ansonsten so auftrebende Stadtbild zeichnet.
Bis zum Jahr 2030 wächst Kazans Bevölkerung nochmal um mindestens 250.000 Bewohner an, die Stadt zieht die Leute aus der ohnehin dünnen Provinz, bietet mal eine weltliche Alternative zu den beiden ewigen Moskau und Petersburg, wobei das finale Wachstum im Jahr 2050 bei 1,7 Mio seine Vollendung finden dürfte.
Russland ist ja nicht China, wo nahezu endlos viele Neubürger vom Land in die Stadt kommen, und da ist ja noch dieses Moskau…. dieser Primat, reich wie ein Oligarch und ebenso gierig, baut bald weitere Wohnungen für Millionen (so der Plan) ohne zu überlegen was aus all den unendlich weiten Provinzen wird, die Moskau komischerweise wie ein Staubsauger leerfegt, die Menschen verschlingt und nie wieder hergibt…
Eigentlich müsste Russland Millionen Chinesen einwandern lassen um seine großen Pläne überall zu verwirklichen.
Kulturell setzt die Stadt sehr auf ihre historische Größe, die allerdings die Wirren und Verwüstungen der letzten Jarhunderte nicht substanziell überstand.
Der Kreml, also die traditionell Russische Stadtfestung wirkt mal authentisch gelungen als Symbol eines (mittlerweile) friedlichen Nebeneinanders der Kulturen (und Religionen) mit alter Kathedrale und nagelneuer, wuchtiger Moschee daneben, sowie ensembleartig verschiedene Überbleibsel an Bauten, wie Türme, Mauerwerk und Einzelbauten wo etwas unübersichtlich kleinere Museen viel Zeit bedürfen um alles zu überblicken.
Wie ein krudes Disneyland kommt es aber trotzdem nich rüber. Was so angenhem am Kazaner Kreml ist, ist seine Authentizität, seine echtheit in dieser gewachsenen Weise.
Kazan, ein Sammelsurium an Eindrücken…. nach 4319 Kilometern Wanderschaft seit Recklinghausen (Deutschland) ein umwerfendes Ziel…. ja, bis zu diesem besonderen Ort zu wandern, ist schon echt berührend…
Die Mariä Verkündungskathedrale, seit Ivan dem Schrecklichen zentraler Bestandteil des Kazaner Kremls. Heute nach wie vor einer der wichtigsten Kirchen Russlands, wenn auch bei weitem nicht die älteste, ein Symbol der Russisch-Orthodoxen Expansion nach Osten, über Herrschaft aller Völker bis ins hinterste Sibirien.
Der Kazaner Kreml (Alte Stadtfestung) bei Nacht im kulturellen Nebeneinander.
Mitten im Kazaner Kreml steht prächtig die Kul Scharif Moschee, erst seit 2005 ein Neubau, als Symbol des friedlichen Nebeneinanders der Religionen in der Stadt.
Von der „Unterstadt“ der Blick hinauf zur Festung. Damals lebte das einfache Volk in Holzhäusern um die Kremlmauern herum.
Die Moschee mit Blick über die alte Festungsmauer (Kreml) hinunter auf die Stadt.
Der Kazaner Kreml am Abend in sommerlicher Wärme.
Kommt gut rüber mit all dem Flutlicht. Die neue Moschee in der Mitte der alten Festung.
Soll Europas größte Moschee sein, stimmt aber nicht: In der Türkei gibts gleich zwei größere: Die Sultan Ahmed im europäischen Teil Istanbuls, sowei jene in Edirne nahe der bulgarischen Grenze…
Der Gral, oder „the Cup“ von Kazan nahe der Neustadt mit ihren Wolgastränden, eines der neuen Wahrzeichen dieser aufstrebenden, energiegeladenen Metropole.
Die echt schöne Uliza Baumana, für mich Russlands schönste Fußgängerzone mit über einen Kilometer länge soll nkcht die einzige bleiben. Kazan plant richtigerweise noch mehr solche Oasen der städtischen Gelassenheit.
Die Katze als neues Symbol Kazans, wohl eher von der emsigen Tourismuswirtschaft geschickt in Szene gesetzt, wirkt als Magnet fürs Fotoalbum; Hand auf den dicken Bauch, und Du hast Glück. Daran glauben die meist Russischen Touristen gern.
In der Baumana Straße, der noch einzigen Autofreien Meile, baut sich immer mehr ein internationales Flair, besonders im algegenwärtig touristischen Sinne auf; so auch die Kutsche Katharina der Großen als Nachbildung, die damals viel damit durchs weite Reich reiste und heute als die große (Neu)erbauerin Kazans gilt.
Tourismus, Nippes und Souveniers in bunter Fülle gibts satt in der Uliza Baumana, der zentralen Flaniermeile Kazans. Tatarische Puppen (im Fenster) und Russische Matroschkas, gleich Metergroß, warten auf die immer mehr werdenenden Besucher Kazans.
Mann ist das Heiß heute wieder. Ein kühler Becher Kwas muss da her und die Erkundung des Kasaner Kremls bei 35 Grad, kann weitergehen,
Westeuropäische Architektur fand seit Katherina der Großen auch in Kazan Einzug. So wie hier in der weitläufigen Innenstadt.
Beliebt in allen Russischen Metropolen, die Nachbildungen klassizistischer Säulenbauten.
Viele Nebenstraßen der Kasaner Innenstadt sehen so aus seit Katharinas ll Umgestaltung/Neuaufbaus vor über 230 Jahren.
Tataren als Muslime leben zu 46% in Kazan, während Moscheen allerdings wenige im Stadtbild zu sehen sind. Diese hier fand ich nahe meines Hostels in der äußeren Innenstadt.
Die Katze als Symbol Kazans immerwieder zu sehen, so wie hier in der Baumana Straße nebst Chinesischen Touristen die den Souvenierladen stürmten.
Ich treffe viele Leute hier in der Millionenstadt, z.B. Elimira im Hostel, die von mir „Expertenwissen“ über das Reisen in Frankreich erfahren wollte. Da helfe ich ihr gern.
Ein Geheimtipp?
Ich denke ja, so wie eigentlich viele Orte im unfassbar riesigen Russland, gilt besonders Kazan als einer der bald nicht mehr so unbekannten Kandidaten des internationalen Tourismus.
Das hängt auch mit der künftigen Visapolitik zusammen, wobei das drei wöchige Touri-Visum eigentlich ganz einfach über Reisebüros in Deutschland gemacht sind.
Hier in Kazan allerdings treffe ich kaum ausländische Reisende, vielleicht ein paar Reisebusse mit Chinesen, aber um so mehr Russische Traveler. Die machen ca 85% aller Touristen hier aus, und irgendwie tut es schon gut nicht im bunten Theater eines maximalen, internationalen Tourismus unterzugehen.
So, noch ganze fünf Tage bis zum Heimflug… noch ein spannendes Meeting mit Filmreporter aus Moskau, ein Besuch im Deutschen Haus, Neues vom neuen Visum abwarten (ist dank der „Cheboksary Connection“ in Arbeit…) und ganz viel in der warmen Wolga schwimmen.
20.08.2016
Auch Kazan ist gut zu mir und will auch alles wissen. Einer der 1.216.000 Einwohner dieser Stadt, ist Journalist Sergey, der mich unvermeidlich übers Bloggernetzwerk in Cheboksary aufspührte.
Es ist aufregend zu wissen, dass ich zwischen Petersburg und Wladiwostok durch all die elektronischen Medien schwirre… ob auch schon der große Vladimir in Moskau bescheid weiß ?
Auch ein großes Lob an die Schuhe; Die deutsche Marke Meindl lief ich schon seit 9000 km auf allen Wegen, und ja, mit meinen 62 Kilo laufen die natürlich weniger schnell ab als mit 85 auf der Waage.
Noch einmal gibt Russland alles und schenkt mir sein Reichtum: Ein kostenloser Haarschnitt sowie ein Bett für lau im „Cat on the Roof Hostel“ – eingeladen über Couchsurfing kann ich in meiner „Bettkapsel“ so lang bleiben wie ich will.
Noch fünf volle Tage habe ich hier in dieser lebendigen Millionenstadt voller Energie, die so anders ist. Heute ist Sonntag, wieder heiße 35 Grad… und Zeit für Erkundungstouren in und um den Kreml, diesmal mit dicker Moschee mittendrinn…
Frisör und Jens kompett zufrieden; umsonst hatt mir der Maestro die Haare auf praktische Spätsommerkürze getrimmt.
Endlich, endlich, endlich…. Sergeys Freundin weiß sofort mein Frisurproblem zu lösen und stellt mich sofort ihrem Frisör vor
Interessante Gesprächspartner wie die 21 jährige Anna; Politik, Soziales, internationale Beziehungen; gut informiert sind sie hier in Russland, besser als bei mir Zuhause so mancher denkt…
Dank einer 100 Euro Spende kann ich jetzt auch die letzten Tage überstehen; Frühstück bei Mc Donalds, Essen in der Kantine, und natürlich das heilige Bier vom Fass (1,50€ das Pint) am Abend….
Spender und Weltreise-Seelenverwandter Reiner (selbst momentan im Kaukasus unterwegs) mag es mir gönnen.
Danke mein Lieber dafür 🙂
Neue Republik, neues Glück; nach 1763 Kilometern auf Russischem Boden erreiche ich nun das große Zwischenziel: Kazan, die Haupstadt des kleinen Landes im Land.
Und nun?
Zu früh angekommen, da all die Kilometer auf dem platten Land Hungerkur angesagt war, vielleicht mal alle 25 km eine Tankstelle oder Kaschemme, da musste ich ja rennen um anzukommen.
Gestern 35 km, vorgestern 40.
Dennoch ist genug Zeit, viel Zeit, denn mein Visum läuft erst zum 29.08 aus, werde diese letzten Tage in der Metropole Kazan (gesprochen: Kasan) verbringen, wieder eine der eher unbekannten Millionenstädte hier im großen Osten Europas.
Tataren kennt man schon irgendwo her, dieses Turk-Volk, einst von den Routen der Seidenstraße mal nach Norden abzweigend, bilden sie heute an der Wolga das nördlichste, muslimische Volk der Welt.
Wobei hier in den geschwungenden Weiten des hügeligen Graslandes mit vielen Äckern, erstmal keine Moschee zu sehen ist, sind 55% der 3,9 Mio Bewohner Tatarstans Muslime, so wie 46% Tatarisch und 40% Russisch sind.
Überhaupt; Russland und der Islam sind seit vielen Jarhunderte miteinander vertraut, leben doch heute 19,2 Mio Moslems in diesem Land, was 13% der Russischen Bevölkerung ausmacht (148 Mio), wer hätte das gewusst?
Noch einmal komme ich der Wolga so nahe, kämpfe mich auf und ab den langen, steilen Anstiegen über die Hügel, schwitze entsetzlich; 33 Grad sind es tagtäglich, die Sommer sollen heißer geworden sein erzählt man, der Regen dafür weniger. Die reichen Ernten der Gegend (50% Tatarstan sind Landwirtschaftlich genutzt) müssen zukünftig wohl durch Bewässerung gesichert werden, während die Winter mit minus 20 – 25 Grad eher weniger streng ausfallen.
Glück für Russland, wenn die globale Klimaerwärmung an Fahrt gewinnt; gewinnt auch der größte Flächenstaat der Erde. Der liegt ja so unglücklich Sub-Polar, Permafrostig im Norden, könnte bald neues Agrarland gewinnen dank der neuen Wärme, könnte locker Getreide für eine Milliarde Menschen produzieren…
Wenig Platz auf der Straße, dafür tolle Ausblicke auf Wolga und Nebengewässer.
Da ganz hinten sehe ich das Inseldorf Swiaschsk, inmitten der Wasserlandschaft einer im wahrsten Wortsinn ausufernden Wolga.
Weit schlängeln sich große Ausläufer der Wolga ins umgebene Land, quer durch Tatarstan macht die mächtige Wolga hier als größter Stausee Europas, die Region zu einer der Wasserreichsten im Riesenland.
Was essen die Tataren denn so? Erstmal Russisch; Reis und Hühnerbein, deftig und kompakt für 350 Rubel (5€), inklusive Cola. Dieses Essen soll dann für die nächsten 23 km (!) reichen …
Schwer zu knipsen: Eine seltende Wespenspinne flüchtet über meine Campingplanen. Die sieht gefährlich aus, ist aber nur schwach giftig und kaum agressiv. Zumal ihre Klauen zu klein sind um durch die Haut zu beißen.
Ja, das wandern selbst ist mal ganz schön hart; schlechte Seitenstreifen voller spitzer Schottersteine, heiße Sonne, kein Schatten, fette 40 Tonner die mich krachend laut auf 20 cm schneiden… es geht ständig bergauf und der Wanderwagen fährt ja nicht von selbst.
Um so schöner kommt dann der „Feierabend“, oft nach 35 km wenn endlich (endlich) ein winziger Straßen-Dorfladen kaltes Bier und Wasser bereithält.
Dann dauert es nicht lang und ich nehme mir das Land; zelten auf riesigen Sommerwiesen. Unvergessliche Momente..
Die große Brücke über die Wolga war erwartungsgemäß dramatisch, wie überall durch Baustellen noch enger, noch weniger Platz und eigentlich wäre es garnicht möglich hier zu gehen. Aber ich muss da durch, gucke einfach nch vorn und ziehe die Meter gradeaus durch…. auf Zentimeter „in touch“ mit all dem Schwerlastverkehr.
Kazan, ich sehe es links in der diesigen Ferne über den Wolga See…. noch 20 km wegen eines Umweges, die Autobahnartige Straße scheint nie zu enden, Wald umgiebt das Vorurbane Verkehrsgetöse auf quälende Kilometer; wieder bin ich ausgemergelt, hungrig denn die Vorräte sind dank nicht vorhandener Versorgungsmöglichkeiten leer.
Dann knallt noch ein Reifen durch.
20 Minuten brauche ich um den Schlauch zu wechseln, greife die letzten 10 km an, finde aber inmitten dieses Vorstadt – Waldes diesen wunderbaren See; grünes, frisches Wasser…. ich denke nicht, mache nur…. tauche, schwimme und dümpel in dieser Traumwelt.
Russland jetzt von seiner schönen Seite.