Neue Republik, neues Glück; nach 1763 Kilometern auf Russischem Boden erreiche ich nun das große Zwischenziel: Kazan, die Haupstadt des kleinen Landes im Land.
Und nun?
Zu früh angekommen, da all die Kilometer auf dem platten Land Hungerkur angesagt war, vielleicht mal alle 25 km eine Tankstelle oder Kaschemme, da musste ich ja rennen um anzukommen.
Gestern 35 km, vorgestern 40.
Dennoch ist genug Zeit, viel Zeit, denn mein Visum läuft erst zum 29.08 aus, werde diese letzten Tage in der Metropole Kazan (gesprochen: Kasan) verbringen, wieder eine der eher unbekannten Millionenstädte hier im großen Osten Europas.
Tataren kennt man schon irgendwo her, dieses Turk-Volk, einst von den Routen der Seidenstraße mal nach Norden abzweigend, bilden sie heute an der Wolga das nördlichste, muslimische Volk der Welt.
Wobei hier in den geschwungenden Weiten des hügeligen Graslandes mit vielen Äckern, erstmal keine Moschee zu sehen ist, sind 55% der 3,9 Mio Bewohner Tatarstans Muslime, so wie 46% Tatarisch und 40% Russisch sind.
Überhaupt; Russland und der Islam sind seit vielen Jarhunderte miteinander vertraut, leben doch heute 19,2 Mio Moslems in diesem Land, was 13% der Russischen Bevölkerung ausmacht (148 Mio), wer hätte das gewusst?
Noch einmal komme ich der Wolga so nahe, kämpfe mich auf und ab den langen, steilen Anstiegen über die Hügel, schwitze entsetzlich; 33 Grad sind es tagtäglich, die Sommer sollen heißer geworden sein erzählt man, der Regen dafür weniger. Die reichen Ernten der Gegend (50% Tatarstan sind Landwirtschaftlich genutzt) müssen zukünftig wohl durch Bewässerung gesichert werden, während die Winter mit minus 20 – 25 Grad eher weniger streng ausfallen.
Glück für Russland, wenn die globale Klimaerwärmung an Fahrt gewinnt; gewinnt auch der größte Flächenstaat der Erde. Der liegt ja so unglücklich Sub-Polar, Permafrostig im Norden, könnte bald neues Agrarland gewinnen dank der neuen Wärme, könnte locker Getreide für eine Milliarde Menschen produzieren…
Ja, das wandern selbst ist mal ganz schön hart; schlechte Seitenstreifen voller spitzer Schottersteine, heiße Sonne, kein Schatten, fette 40 Tonner die mich krachend laut auf 20 cm schneiden… es geht ständig bergauf und der Wanderwagen fährt ja nicht von selbst.
Um so schöner kommt dann der „Feierabend“, oft nach 35 km wenn endlich (endlich) ein winziger Straßen-Dorfladen kaltes Bier und Wasser bereithält.
Dann dauert es nicht lang und ich nehme mir das Land; zelten auf riesigen Sommerwiesen. Unvergessliche Momente..
Die große Brücke über die Wolga war erwartungsgemäß dramatisch, wie überall durch Baustellen noch enger, noch weniger Platz und eigentlich wäre es garnicht möglich hier zu gehen. Aber ich muss da durch, gucke einfach nch vorn und ziehe die Meter gradeaus durch…. auf Zentimeter „in touch“ mit all dem Schwerlastverkehr.
Kazan, ich sehe es links in der diesigen Ferne über den Wolga See…. noch 20 km wegen eines Umweges, die Autobahnartige Straße scheint nie zu enden, Wald umgiebt das Vorurbane Verkehrsgetöse auf quälende Kilometer; wieder bin ich ausgemergelt, hungrig denn die Vorräte sind dank nicht vorhandener Versorgungsmöglichkeiten leer.
Dann knallt noch ein Reifen durch.
20 Minuten brauche ich um den Schlauch zu wechseln, greife die letzten 10 km an, finde aber inmitten dieses Vorstadt – Waldes diesen wunderbaren See; grünes, frisches Wasser…. ich denke nicht, mache nur…. tauche, schwimme und dümpel in dieser Traumwelt.
Russland jetzt von seiner schönen Seite.