Augustow: 30.000 Einwohner.

Uuuff, um 12:00 Uhr angekommen nachdem ich ganze vier Stunden Power-Wandern seit sechs Uhr morgens machte. Wetter: Wie immer bedeckt, aber wenigstens kein Schnee, bei ca minus zwei Grad.

In Augustow finde ich ein Lokal mit WiFi, habe wieder einen Online Marathon zu packen: Couchsurfing vorrausplanen/erledigen bis Riga (Lettland) zum 12 August.

Läuft nicht ganz so schlecht; für Vilnius und Riga, beides große Städte, habe ich bereits Gastgeber an der Angel….
Außerdem kommt Freund Georg auch dorthin, am 18 April dann.

Wanderleben = Terminleben.

Augustow, dank meiner Galeriefähigkeiten mal in Bildern beschrieben, ist eine Kleinstadt die vom Sommertourismus lebt. Zwei größere Seen im Norden und Süden der Stadt sorgen für Polnische Urlauber zur Zeit des Sonnescheins hier…. jaja, Sonnenschein soll es hier laut Touristenbüro (ich war dort) wirklich geben. Somit seien meine matten Bilder der Winterzeit geschuldet.

Gleich in anderthalb Stunden wirds schonwieder dunkel…. und muss schnell wieder raus aus dem Ort. Am liebsten würde ich mir hier und jetzt eines der vielen leeren Zimmer nehmen…. für nur schlappe 40 Zloty (10€) aber die Zeiten sind vorbei…. kann nur noch fürs Essen Geld ausgeben.

Also dann den Tablet aus, und los gehts raus in den Wald ….

(Morgen: 35 km weiter Couchsurfen bei Jan in Suwalki, der letzten Polnischen Stadt meines Weges)

30 Kilometer, Zeltlager im Wald bei Promiski.

Laut Lach … als alter Promisk zu Gast in Promiski …. 

Witzig manchmal die Dorfnamen, was „Promisk“ heißt, einfach mal bei Wikipedia nachgucken …

Jaja,ganz unpromisk verdiene ich mir mein Bier heute schon um vier, noch zwei Stunden bis zum Dunkelwerden. Bin voll müde und schaffe es morgen locker bis Augustow, der nächsten Stadt.

Die Gegend ist wieder voller Wälder, auch „Auenwälder“, wo die Bäume fast das ganze Jahr über im Wasser stehen. Meist sind das Erlen (wie im Bild) die sowas besonders gut können. Erlen wachsen hier besser als bei uns, werden viel größer und mögen anscheinend diese langen Winter.

Bei ca null Grad grefrieren nur die seichten Pfützen etwas.

Am Zelt kämpfe ich wie immer mit eiskalten Fingern wärend alles andere wunderbar warm ist. Schreiben würde ich gern, kann aber nicht….einfach zu schweinekalt.

Nächsten Ziele: Augustow, Suwalki, Grenze zu Litauen, Alytus, Vilnius …. (Ausgaben heute: 23 Zloty/5€ im Landkiosk für etwas Käse, Orangensaft, Birnen, Bier.)

Sümpfe, Kanäle, Naturschutz und Müll …

Ungläubig laufe ich unter strahlend blauen Himmel von Podlachien. Also gigts den doch diesen Himmel ohne Wolken…!?

Bevor ich wirklich daran glaube, zieht sich böse und muffig der graue Fluch zusammen in Form von Strato-Kumulus, gnadenlos, den ganzen Tag….

Jacke zuknöpfen, etwas Creme ins Gesicht, der Wind haut scharf vor die Poren und nur mit Arbeit bleibe ich warm; die eigentlich feuchte, ca null Grad kalte Luft ist viel schlimmer als minus 20!

Schlaglöcher in der Sandpiste durch die weiten Sümpfe zwingen die altbewägrte Federung des Wanderwagens arg in die Knie, im Schlängellauf versuche ich den Weg des geringsten Wiederstands, viele Kilometer weit, dann durch wüstenhaft weite Weiden, aber ohne jegliches Vieh drauf. Die sind noch in den Ställen da der März hier totaler Winter ist.

Als alter Schleusen Fan freue ich mich zur Pause über eine über 80 Jährige Kanalschleuse, heute nur noch im Sommer für die Ausflügler aus Warschau in Betrieb. Erinnerungen an Irland werden wach, damals zwei Wochen mit Freund Georg über den Shannon mitten auf der Insel mit tausend Schleusen…. Podlachien küsst Irland…

Holzhäuser die im Sonnenlicht eigentlich wunderbar ausschauen dürften, jetzt aber eher trostlos wirken sind überall hier zu sehen. Die traditionelle Art des Ost-Polnischen Bauernhauses eben, viele von ihnen um die 100 Jahre alt und oft im schlechten Zustand. Die modernen Billig-Neubauten daneben werden modernen Platzansprüchen gerechter; unter 100 Quadratmeter wohnt in Podlachien keiner auf dem Land heute.
Lediglich die alte Matka, meist als Witwe fristet garnicht mal so unglücklich ihr Dasein neben den Neu-Burgen ihrer Kinder auf den Höfen.

Jaja, die Kinder.
Heut schon selbst Eltern aber im Rausch ihrer modernen Zeit verfallen, überfordert ihrer Konsumfallen werfen (nicht alle, aber viele) ihren Müll überall hin; selbst im Naturschutzpark sehe ich längs des Weges immer wieder Müllhaufen, sehr oft bestehend aus Bierdosen oder Wodkaflaschen, dahingeschmissen im Sumpfgras, am Waldrand….

Das fällt auf, und wirft Fragen auf; warum das alles? Vielleicht weil leider viele nicht das Leben genießen können, weil viele somit nicht würdigen (anerkennen) was ihnen lieb ist.
Landschaften werden eben nur benutzt, so wie vieles andere im Leben solcher Leute auch, ob der eigene Körper, oder Dinge des Alltags; ist ein „Schöngeist“ wirklich sowas seltenes? Können gut 50% aller Leute nicht wirklich frei sein, und somit würdigen?
Ohne Würde keine Rücksicht….oder?

Wanderleben = Philosophenleben …

Friedhof von Jaswily (Dorf, 1200 Einwohner)

Echt Polnisch auch die Eindrücke der Friedhöfe hier.
Voller bunter Blumen, auch nach vielen Jahren noch üppig beladen mit floralen Erzeugnissen, oft made in China aus Plastik.
Hat natürlich auch was, und zwar nur Vorteile: Die Blumen halten auch bei Minusgraden oder schlimmster Sommerhitze, und zudem noch über Jahre.
Glänzende Steinplatten kommen ja auch schon bei uns in Mode und alles im allem sind sie oft ein waher Blickfänger im grauen Einerlei Polnischer Landschaften: Die Friedhöfe, Orte farblicher Blütenpracht – in Plastik.

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Sehnsucht: Des Fernwanderers Glück (?)

… Kälte, eisiger Wind, weg sein von Zuhause…. das alles macht erstmal wenig Spaß.

Aber deshalb finde ich das Glück um so mehr, um so verlässlicher auf diesen Inseln….  beim Zelten zum Nachmittag im Wald; Feierabend. Oder wenn ein ganz bischen doch noch die unbarmherzige, dicke, ewige Wolkensperre etwas Licht durchlässt; unwirklich viel blauer Himmel recht plötzlich da ist und eine ungeheure Stimmung verschafft.

Sowas sind große Momente des ansich kleinen Glücks auf dem Weg.

Auch die (Scype)Telefonate mit Freund Georg und Mama, jene heimatlichen Vitamine deren Tagesdosis von den Lieben Daheim recht zuverlässig geliefert werden.

So wie soziale Vitamine, seltene, kleine Gespräche mit Einheimischen, die ich mir schon etwas Kontaktfreudiger vorgestellt habe. Sicher scheitert es schon an der Sprache. Nur die allerwenigsten sprechen Englisch, und mein Polnisch braucht wohl noch weitere 5000 Streckenkilometer bis ich es einigermaßen könnte…. verstehe aber umgekehrt immer mehr.

Heute ist der 16 März, ca minus ein Grad (gefühlte minus 10!) und labe mich noch am üppigen Lunchpaket aus Bialystok. Ich esse alles was ich kriegen kann, Eier, große Mengen Brot, viel Schokolade (putze mir zweimal täglich gut die Zähne!!!) – sparen wo es nur geht ist noch zusätzlich angesagt; 24 Zloty (6€) hab ich heute wieder ausgegeben für frisches Wasser, was ich am Zelt auch als Katzenwäsche-Hygienewasser nutze, Schokolade und Bier (natürlich echt Podlachisch mit dem Büffel/ZUBR) (Bild) ….

Jaaa, endlich hab ich es raus we man die komplizierte Galerie auf meiner WordPresseite schafft; jede Menge nervige Bildbearbeitung vorausgesetzt, und die Sache läuft einigermaßen; Wanderleben = Digitalleben  stööööhn

Land ohne Sonne …

15 März, sechs Uhr früh: Schnee rieselt auf Zelt und 12 Std warmer Schlaf sind nun vorbei.

Bis hinters Dorf Kulikowka hatte ich es gestern noch geschafft, so 18 km raus aus Bialystok in der tiefsten Pampa.

Nass, alles ist nass…..  wieder trieft die Zeltplane ohne Ende, packe das nasse Ding ein ohne irgendeine Aussicht auf gesunde Trockenheit fürs geschundene Material, oh je, mein armes Zelt…

Das nächste Couchsurfing ist erst vier Tagen bei Jan in Suwalki, noch 120 Kilometer mindestens bis dahin. Zuvor kommen nun die leersten Weiten auf meinem 870 m langen „Camino Polonia“ – dem polnischen Teil des Weges um die Welt… das Sumpland von Podlachien.

Schmierig knirscht der sandige Lehm unter Sohlen und Reifen, auf und ab geht der Sandweg in Richtung Norden. 70 km weiter östlich fängt schon die Russische Welt an; Weißrussland versperrt mit seine doofen Visabestimmungen den Weg nach Osten…. die 200 km entfernte Grenze zu Litauen ist somit das Ziel.

Ich muss mich wohl dran gewöhnen…. die dauerkalten Finger, die klammen Handschuhe, die feuchten Socken, der permanent graue, jeden Moment sich niederschlagende, düstere Himmel…. das Eiswasser zum Frühstück, einen Kocher habe ich nicht. War zu teuer und braucht immer Gas. (Wie auch jetzt Feuer machen in all dem feuchten Schmodder?)

Doch kalt macht alt; bin gut abgehärtet, abgesehen davon das die Nase täglich literweise läuft, scheine ich recht wiedrestandsfähig zu sein.
Gut auch, Russland ist auch nicht in der Karibik gelegen, und das hier währe nur ein winziger Vorgeschmak…. uff, Wanderleben – Hartleben …..

Letzter Ort vor der großen Einöde: Knyszyn, vielleicht 2000 Einwohner klein, hat ein Lokal mit WiFi…. jaaa, ich glaubs nicht. Schnell posten und mit Mama scypen.

Dann müssen mindestens noch 25 km auf die Sohlen ….

Wieder alles Grau in Podlachien.

Ein einziger Sonnentag in zwei Wochen, seit ich wieder in Warschau gestartet bin, kaum ein Sonnestrahl. Außer gestern eben, wie ein kurzer Traum wieder vorrüber…. seufz.

Doch Sonne im Herzen, sag ich immer gern. Und sonnige Gastgeber; zu ende meine Tage in der Stadt, Mama Stascha ist so begeistert, dass sie noch drei Kilometer mitkommt, will mal den Wanderwagen schieben.
Wir verstehen zwar sprachlich nichts voneinader, aber egal, der Jakobsweg verbindet uns so sehr, dass ich eben eingeladen war (Bei Marcs Familie über Couchsurfing).

Heute ziehe ich weiter, die morgentliche Sonne erstickt schnell im fiesen Dunst des Hochnebels, und nochmal muss ich 50€ wechseln.

Dann gehts wieder raus aus der Stadt, die Landkarten knittern in meinen Händen, der scharfe Wind vereist mir die Finger. Mama Staschas gewaltige Esspacket sorgt aber für den nötigen Stoffwechsel bei Minusgraden und Kilometern.

Nach Norden suche ich den Weg, wie immer abseits der Hauptstraßen, entdecke abseits der Stadt wieder Wildnis, so wie eine dicke Saalweide, die von Bibern fast durchgefressen ist. Biber sind hier fast schon eine Plage;  oft sieht man abgenagte, somit gefällte (meist dünnere) Bäume nahe den Gewässern.
Gesehen hab ich aber noch nie so einen „Bubber“ wie die Viecher lustig auf Polnisch heißen, auch nicht einen Wolf die es hier auch gibt.

Jetzt muss es natürlich auch noch schneien, packe die Plastikplane über den Wanderwagen und ziehe schlecht gelaunt ins ferne Grau…. für die nächsten 120 km, also vier Tage sind erstmal reine Wildnis angesagt. Kaum größere Orte gibt es entlang der „Via Terrestris“ ,meinem Weltweg hier oben in der äußersten Nordostecke Polens, und bekomme die Kriese wenn das so bleibt mit dem Kackwetter……………..

Gute Landkarte sei Dank (in Warschau für 2,50€ gekauft) finde ich weite, sehr ruhige Feldwege in den Norden.
Der Schnee lässt nach, kommt immer wieder und schmilzt sofort auf Jacke, Schuhe und Hose. Doch warum mag ich diese bittere Landschaft in ihrer immernoch unveränderten Winterstarre so skurril süßlich wahrnehmen?
Große Philosophie, aber auch sicherlich etwas  genetisches Glück das Fernwandern so zu lieben, oder ?

Jetzt liege ich im Zelt, der Schnee rieselt leise aber beständig auf die Plane, ich schreibe und speicher alles ab bis zum nächsten WiFi. Eine Pulle „Lomza“ – podlachisches Bier, darf natürlich nicht fehlen dabei.

Ich bin glücklich, auch wenns nervt, dass da draußen offenbar nie sowas wie Frühling kommen mag. Podlachische März Romantik eben…

So, jetzt noch ein Mega-Sandwich von Mutter Stascha, und dann? Ist es fast 18 Uhr…. werde wohl wieder schlafen die nächsten 12 Stunden …


Couchsurfen, Mamas deftiges Essen, Büffel, – Bialystok

Und raus aus dem Hostel; bedrohlich sammelten sich all diese Kerle im Flur, fluteten das kleine Haus und seine Zimmer, ….alles ganz junge aber massige Hünen, platzsuchend, alle Steckdosen sind sofort voll mit Handykabel, gebrabbel überall, alles polnisch.
Ich fand herraus, dass diesen Samstag ein Konzert angesagt ist, und die Prognose dass jenseits um Mitternacht der Sturm auf die engen Doppelbetten von unzählige, besoffene Bauernsöhne jede Ruhe in jeglicher Form zerstören wird.
Also dann, Wanderwagen zusammenpacken und eine späte Einladung folgen, ich ziehe rüber in den Plattenbau, vier km zu Marcs Familie.
Den hatte ich zuvor auf Couchsurfing angeschrieben, ob wir vielleicht auf ein Bier zusammen kommen. Ich wollte mehr erfahren von der Stadt, bestmöglich von Einheimischen.
Schnell war ich sehr einheimisch in Bialystok, Marcs Papa holt mich + Sack und Pack vom Hostel ab, und Marcs Mama macht richtig deftig Essen…..
Die Eltern sprechen kein Englisch, Marc hingegen gut, er lebt schließlich in London und ist auf Heimatbesuch hier. Eben auch einer im Wanderleben, erst London, dann Kolumbien, dann Ideen in Venezuela Land zu kaufen, währe jetzt zu Kriesenzeiten billig dort….. und so weiter… mann, die Polen sind einfach überall in der Welt staune ich.
Während der massige Kater Benek sich in meiner Jacke gemütlich macht, räume ich so zimlich alles an Klamotten in Richtung Waschmaschiene. Jaaaaaa, die ollen Sachen sind bald wieder sauber.

Hauptthema: Der Jakobsweg. Im Katholischen Polen immer mehr in Mode, was letztlich mich und Marc bei Couchsurfing zusammenbrachte.

Und: Was trinkt man im „Buffalo State“ Podlachien? – ZUBR – was Büffel heißt, ein echt kräftiges Bier, oder eben den Wodka mit gleicher Aufmachung.

Büffel sind auch heute am Sonntag ein Thema; ich bleibe noch ein Tag länger hier, gib der Einladung Marcs nach und ziehe heute noch nicht weiter.
Ja, und was ist das? DIE SONNE SCHEINT (!?)

Der kleine Bialystok Zoo zeigt einheimische Tiere, eben auch diese Wisente, Europas einzige Büffelart, fast damals ausgerottet aber heute wieder in der Wildnis zu finden, im 80 km entfernten Urwald-Nationalpark an der Grenze zu Weißrussland gelegen. Ca 800 bis 1100 Kilo wiegen diese Kolosse.

Kontrast gibt es noch mit etwas Barock am Branickich Palast aus Zeiten der Stadtgründung vor über 350 Jahren, blauer Himmel und Wintersonne satt. Immernoch fühlt sich hier nichts Frühlingshaft an…. hier so weit im Osten.

Marc (Bild: erste Person von links am Esstisch) hat mir eine tolle Zeit verschafft, doch noch bekomme ich die Gastfreundschaft miterlebt und treffe noch weitere lustige Einheimische in der angesagten Kellerkneipe „Knay-Pub“ (Bild: Michaeł/Michau glaubt einfach nicht, dass ein Pint Guiness in Irland fünf Euro kostet.)

Also, morgen aber ziehe ich wieder weiter, ersetze die so gemütliche Wohnung (80 Quadratmeter, 5 Zimmer) wieder mit meinem Zelt, und bete dass es doch so sonnig bleibt….

Beten dürfte gerade in Bialystok einfach sein: Die Stadt gilt als „City of God“ – Marc erzählt, es gebe hier mehr Kirchen als Kneipen.

Podlasischer Zungensalat.

…. Keine Ahnung was da steht, aber sowas wie Salad erkenne ich noch, lasse reichlich das (lithauische) Bier zapfen für je 2€ der Liter, erlaube mir heute Suppe und Salat, bekomme dann erstmal Zunge…. naja, ist eben DIE einheimische Leichtkost hier, vielleicht etwas zu chick mit modischen Ruccola aufgestylt…

54 Zloty kostet die Nummer, also gerade mal 12 Euro.

Drei große Bier, zwei Gerichte. Überleben kann man hier schon, doch lebe ich dennoch über meine Verhältnisse wenn ich sowas mache mit lediglich 300 Euro für die nächsten 4000 km – oder sechs Monate ?
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Wanderleben – Großstadtleben.

Bialystok ist erreicht, und ja… richtig groß ist sie; Kilometer weit versuche ich sowas wie ein Zentrum zu entdecken, der kalte Wind bläst ungastlich ins Gesicht, die kommunistischen Häuserblocks wirken ganauso kühl.
Bialystock ist eine eher unbekannte Größe in unserem Nachbarland, wohl auch weil so abgelegen tief im Osten als letzter Posten vor Weißrussland. Weißrussen leben hier auch noch als Minderheit, die Mentalität überhaupt kommt mir mehr und mehr „slavisch“ vor.
Irgendwann finde ich über all die breiten Straßen dann ein Stadtzentrum, ganze fünf Kilometer urbanes Wandern hats gebraucht, rolle mit dem Wanderwagen durch eine überschaubare Fußgängerzone und finde dieses Holzhaus mitten zwischen den Plattenbauten, das „Hostel Podlasie“ – jetzt ist Feierabend angesagt.
Total allein bin ich nun in diesem Acht-Bett Zimmer, welch ein Luxus, und das für 33 Zloty (7€) … naja, Bialystok ist eben nicht Barcelona; leer und günstig.
So ganz leer ist die Stadt ansich nicht wirklich: Mit 298.000 Einwohnern ist Bialystok das totale urbane Zentrum im polnischen „fernen Osten“.
EU Gelder und sonstige Förderungen wurden reichlich reingepumpt; die Wirtschaft floriert, wenn auch auf niedrigen Niveau; 33% der Kaufkraft innerhalb der EU erreicht Podlachien, ein aufgeblasenes Einkaufszentrum, die Galeria Jurowieka wurde neulich mutig aus dem Boden gestampft, leer und weit sind die Flure dort, aber alles glitzert und lediglich vorm Mac Donalds reiht sich eine Schlange aus Schülern.
Ich bin schnell durch; die Basillika, ein Neugothischer Bau der letzten 200 Jahre sowie wenig Historische Blickfänge lassen mein Bild auf einen Kilometer Fußmarsch entlang der Lipowa, der zentralen Flaniermeile, über Bialystock komplettieren.
Mindestens drei Tage will ich bleiben, Zeit haben und Leute kennenlernen, Bialystok verstehen.

Etwas krank, (Stirnhöhlenentzündung) pausiere ich viel im Hostelbett. Draußen nevt das permanente Dauergrau.

Ich scype viel mit Mama und Freund Georg, lasse mir das schlechte Gewissen ausreden, mal echt deftig Essen zu gehen; im „Babka“ finde ich echte Kuchina Podlasie, aber auch die Küchen der Nachbarschaft: Russisch, Weißrussisch, Litauisch und Jüdisch kommt hier auf den rustikalen Tisch.
Letztres war hier mal ganz angesagt: 60.000 Juden lebten vor 80 Jahren hier, die halbe Stadtbevölkerung damals, bis die deutsche Wehrmacht nahezu alle deportierten; nahezu keiner hatte diese faktische Auslöschung der Stadt überlebt.
Heute leben fast keine jüdischen Menschen in der Stadt, lediglich eine Gedenktafel erinnert an die große Synagoge von Bialystok, – und eben dieses Gericht auf der Speisekarte im Babka mit dem Davidstern.

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