Wanderleben – Großstadtleben.

Bialystok ist erreicht, und ja… richtig groß ist sie; Kilometer weit versuche ich sowas wie ein Zentrum zu entdecken, der kalte Wind bläst ungastlich ins Gesicht, die kommunistischen Häuserblocks wirken ganauso kühl.
Bialystock ist eine eher unbekannte Größe in unserem Nachbarland, wohl auch weil so abgelegen tief im Osten als letzter Posten vor Weißrussland. Weißrussen leben hier auch noch als Minderheit, die Mentalität überhaupt kommt mir mehr und mehr „slavisch“ vor.
Irgendwann finde ich über all die breiten Straßen dann ein Stadtzentrum, ganze fünf Kilometer urbanes Wandern hats gebraucht, rolle mit dem Wanderwagen durch eine überschaubare Fußgängerzone und finde dieses Holzhaus mitten zwischen den Plattenbauten, das „Hostel Podlasie“ – jetzt ist Feierabend angesagt.
Total allein bin ich nun in diesem Acht-Bett Zimmer, welch ein Luxus, und das für 33 Zloty (7€) … naja, Bialystok ist eben nicht Barcelona; leer und günstig.
So ganz leer ist die Stadt ansich nicht wirklich: Mit 298.000 Einwohnern ist Bialystok das totale urbane Zentrum im polnischen „fernen Osten“.
EU Gelder und sonstige Förderungen wurden reichlich reingepumpt; die Wirtschaft floriert, wenn auch auf niedrigen Niveau; 33% der Kaufkraft innerhalb der EU erreicht Podlachien, ein aufgeblasenes Einkaufszentrum, die Galeria Jurowieka wurde neulich mutig aus dem Boden gestampft, leer und weit sind die Flure dort, aber alles glitzert und lediglich vorm Mac Donalds reiht sich eine Schlange aus Schülern.
Ich bin schnell durch; die Basillika, ein Neugothischer Bau der letzten 200 Jahre sowie wenig Historische Blickfänge lassen mein Bild auf einen Kilometer Fußmarsch entlang der Lipowa, der zentralen Flaniermeile, über Bialystock komplettieren.
Mindestens drei Tage will ich bleiben, Zeit haben und Leute kennenlernen, Bialystok verstehen.

Etwas krank, (Stirnhöhlenentzündung) pausiere ich viel im Hostelbett. Draußen nevt das permanente Dauergrau.

Ich scype viel mit Mama und Freund Georg, lasse mir das schlechte Gewissen ausreden, mal echt deftig Essen zu gehen; im „Babka“ finde ich echte Kuchina Podlasie, aber auch die Küchen der Nachbarschaft: Russisch, Weißrussisch, Litauisch und Jüdisch kommt hier auf den rustikalen Tisch.
Letztres war hier mal ganz angesagt: 60.000 Juden lebten vor 80 Jahren hier, die halbe Stadtbevölkerung damals, bis die deutsche Wehrmacht nahezu alle deportierten; nahezu keiner hatte diese faktische Auslöschung der Stadt überlebt.
Heute leben fast keine jüdischen Menschen in der Stadt, lediglich eine Gedenktafel erinnert an die große Synagoge von Bialystok, – und eben dieses Gericht auf der Speisekarte im Babka mit dem Davidstern.

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