Schluss mit dem Lotterleben…

… jetzt ist wieder Power – Wandern angesagt… muss aber noch erst bloggen, mich waschen, essen und mit Freund Georg & Mama scypen…. dann dürfte es schonwieder halb elf sein.

Diesmal nicht so schlimm, weil es jetzt erst gegen sieben dunkelt am Abend. Also noch genug Zeit um einige Kilometer zu schaffen, raus aus der Großstadt die mir drei Tage so gut tat; Zwei Tage bei Valdas, und letzte Nacht im Hostel (für 8 €) im 6-Bett Zimmer. – Super Zentral in der Altstadt direkt an der weißen Kathedrale.

Gastgeber Valdas begab sich in den Bann einer Frau, der er jetzt sich selbst hinterfragend, nach Kleipeda folgt… (Litauens Hafenstadt an der Ostsee) ich wollte noch länger bleiben und freue mich einfach über solch billige Chancen wie hier im „Pogo Hostel“.

Zugegeben musste ich auch etwas mehr Geld ausgeben. Müssen oder wollen, schwer da jetzt einen Unterschied zu machen, da gestern und vorgestern der eine oder andere Euro – vor allem beim Bier, recht locker saß; 54 € für drei Tage Vilnius sind eigentlich supergünstig, dennoch für mich erstmal eine Großinvestition.

Die aber lohnte 🙂

Also, los jetzt…die Sonne scheint draußen, die Stadt erwacht und in vier Tagen will ich im 130 km entfernten Kaunas sein…. los,los….

(Bilder: Weitere Eindrücke der Stadt, vom Couchsurfen bei Valdas, dessen Straße mit Neubau in wüster Umgebung, das Bier mit „litauischer Käsesammelung“ – für insgesamt 5,50 € – die Altstadt mit Fußgängerzone und Hare Krishna Musikant, Wanderwagen Parkplatz im Hostel Wohnzimmer)

Wanderleben = Einkaufleben

Von wegen der Wanderer braucht fast nichts wenn er durch die Weiten zieht…. so wie es oft in den Globetrotterforen heißt; Was braucht man schon? Kein Bus, kein Bahntiket, kein Hotelzimmer (Zelt) …. nahezu ein Geld – freies Leben….

Nicht ganz, z.B. ist jeden Tag Einkaufen angesagt in einem der Läden in den Dörfern oder Städten. Ein fester Bestandteil im Plan eines Wanderlebens, weil die halbe Welt ist das gute Essen………….. 

Ich kann mir kaum vorstellen eben auch das noch zu reduzieren… bis 10 Euro brauche ich hier in Litauen für den täglichen Kalorienbedarf, und alles andere ist wirklich egal; schlafen kostet nichts, Fortkommen tue ich selber, lediglich Essen und Trinken soll nicht ganz so bescheiden sein.

Das erzähle ich auch Irena, (Bild)eine Verkäuferin im Dorfladen von Pivašlūnai, die etwas Englisch kann und ein reges Interesse am Wanderleben zeigt.
Naja, ist auch mal eine Abwechslung in Pivašlūnai, was die Säufer draußen neben dem gelben, hölzernen Laden ähnlich sehen; sie lallen mir noch einen Schwall litauische Grüße hinterher.

(Bild: Dorf Pivašlūnai, auf der Straße nach Vilnius)

Schöne Kilometer.

Litauische Weiten in Sonne und klarer Sicht, welch Wohltat nach all den fiesen Wochen in Grau… dennoch zischt ein scharfer Wind über die matten Weiden, von Frühling (fast) noch keine Spur; aber hab den ersten Zitronenfalter gesehen, und die erste Biene meinte, im roten Iso-Band am kaputten Lenker des Wanderwagens eine Blume zu erkennen… noch etwas verpeilt das Tier.

Bei all den Flächen gibt sich die Landwirtschaft eher mittelmäßig: Litauen, fast so groß wie Bayern, produziert wohl längst nicht so viel wie unser größtes Bundesland; zu wenig geben die eher sandigen Böden her, Weizenanbau geht zwar, aber in geringerer Ertragsqualität als jener von fetter Braun oder Schwarzerde.

Zur Selbstversorgung reicht es aber dicke, ja sogar für einer der größten Industriezweige des kleinen Landes: Braugerste wächst hier gut, und Bier braucht das Volk nicht zu knapp.

So auch die Holzfäller, die seit Jahrhunderten dafür sorgen, dass für jeglichen Wald eigentlich (wie fast überall in Europa) nur das Wort „Holzplantage“ taugt in Litauen.
Neben Weideland fürs Rindvieh, und Weizenfelder, wächst hier jede Menge Holz, – Holz von hohen Waldkiefern die wie Birken, den sandigen Boden mögen.
Fette Eichenstämme sind hier nicht im Massen zu ernten, und die eleganten Buchen fehlen hier oben im kontinental Klima komplett.

Ganz anders als noch in Polen, fallen hier die Höfe aus; während drüben die polnischen Bauernhöfe groß und propper als richtige Unternehmen ihre Massen produzieren (dank neuer Agrarsubventionen der EU) sehen die litauischen Ländereien wesentlich bescheidener aus.
Nahezu etwas verfallen, und alt sind die oft an die 100 Jahre alten Holzhäuser in Leichtbauweise.

Alytus (63.000 Einwohner)

„Keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten in Alytus“ sagt Wikipedia über die schlichte Stadt.

Alytus hält mich aber, besser gesagt das WiFi in einem Cafe; eine Stunde scypen mit Mama und Freund Georg, Bilder bearbeiten, Couchsurfing organisieren, Mails lesen und beantworten (auch von Sponsoren und Helfern) und dann hier noch posten…. uuuuffff, mein Versprechen am Samstag im 110 km entfernten Vilnius anzukommen, kann ich mir abschminken; ganze vier Stunden bin ich schon hier online, hab die Dinger permanent an der Steckdose und wurschtel mich durch.

Facebook mache ich nicht heut, muss jetzt auch noch essen…. was einkaufen und irgendwann dann: Loslaufen…..

… Vilnius, noch 110 km will ich bis Samstag erreichen…. (wenn ich fliegen kann…) bin dort verabredet zum Couchsurfen…

(Bilder: Ansichten auf Alytus, deren kulturelles Zentrum diese Kiefern-Holz Kirche sein dürfte, auf Anhöhe mit altem Friedhof drumherum.)

35 km später…

lande ich hier an der schönen Memel.

Alytus, das Tagesziel hatte ich erreichen können, dank Sonnenwetter und Eiswind, ca zwei Stunden vor dem Dunkelwerden. Wie immer rein in den Wald, der gleich an der Stadt grenzt, für einen Rundgang bin ich jetzt zu faul… muss noch das Lager aufbauen und einen Platz dafür finden; tief rein in den Wald stoße ich dann an eine natürliche Grenze: Plötzlich stehe ich vor der Memel, der längste Fluss des Landes, der hier aus Weißrussland kommend sich bis zur Ostsee schlängelt.

Auf eine Art Feuerstelle mit flachem Untergrund, baue ich das Zelt auf.

Heute mal Hotel Wanderleben mit Flussblick.

(Bilder: Matte aufpumpen am Abend. Schokoladenfrühstück mit Eiswasser am nächsten Morgen)

Identität aus Holz.

… Glaube ich hier in Serijai zu erkennen.

Das immernoch junge Land ist nach wie vor auf der Suche nach seiner Identität. In Gesellschaft mit den anderen beiden Ländern Lettland und Estland, versuchen diese ehemals immer wieder fremdbestimmten Nationen ihre kulturelle Eigenständigkeit zu unterstreichen; sich einer Baltischen Identität zu besinnen, was sprachlich schonmal recht gut klappt: Das litauische ist eines der „chinesischen Sprachen“ Europas, was total fremd, anders und sehr eigen rüberkommt.

Über die Geschichte dieses kleinen Landes im weiten nordosten Europas, muss ich noch demnächst einiges erfahren, Zeit dazu dürfte wohl da sein; ca 400 Kilometer zieht sich mein Weltweg durch Litauen.

Auffällig sind schon jetzt diese hölzernen Gebilde die hier und da mal ein nues Merkmal der ansonsten schlichten Landschaft bilden.

Weites, schönes Land im Sonneschein.

Och, welch Freud, welch Traum: Sonne blendet mich beim Blick zum weiten Horizont des sanft hügeligen Ostlandes unter meinen Füßen.
Da macht der eiskalte Wind im zuvor eingecremten Gesicht nicht mehr viel….

Die Richtung geht erstmal zur Haupstadt, die aber noch 140 km weit weg liegt, zuvor nehme ich Alytus ins Visier, hoffe aber bald im Dorf Seirijai (uff, was für Namen die Orte hier haben) ein WiFi zu finden.

Mitnichten, außer malerische, wenn auch sehr einfache Holzhäuser und zimlich langweilige Bauten aus weißen, verwitterten Ziegeln, finde ich nur einen Kaufladen im 1000 Einwohnerort, füller erstmal richtig die Vorräte und zahle satte 14 Euro für allerdings ganz viele Sachen.

Endlich trinke ich so viel ich will an Handwarmen Wasser, muss nicht mehr nippen weil die Eiskälte die Zähne zum schmerzen bringen. Fülle mich ab und esse wie ein litauischer Elefant….. so komme ich mir zumindest vor..

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Training für Russland…

Eiskälte ist dann der Preis für die ausnahmsweise regenfreie, klare Nacht; minus fünf, minus acht…. lese ich nächtens während ich mindestens fünfmal aufwache.

Irgendwo zieht es immer am Leib; mal am Knie, mal die Lenden, mal sind es die Schultern die eisgekühlt nach mehr Wärme rufen.

Klappt aber, die Schlafsäcke tune ich noch mit Pullovern und packe die Jacke noch hinein, bin ja nur 62 kg, da ist noch Platz unter den Decken und es wird tatsächlich kuschelig.

Am nächsten Tag haftet sogar Eis am Schlafsack, da wo mein Atem ihn anfeuchtet. Eis überall; erst feucht noch von den plädderigen Vortagen, fror das Zelt nun komplett ein. Raureif überall; schwer zieht sich auch der Reißverschluss. Hab Angst den kaputt zu machen, so stark muss ich ziehen…. 
Zwölf Stunden Nacht: Das macht durstig. Aber Bullshit, ich hatte vergessen das Wasser mit ins Zelt unterm Schlafsack zu packen; jetzt ist es komplett gefrohren, ein wahrer Eisblock in der Pulle.

Aber ausgeschlafen und etwas gesättigt von steinharter Schokolade macht die Aussicht auf ein Ende des ewigen Grau, des ständigen Regenterrors, alles wieder wett.

(Bilder: Gemütlichkeit im Frost. Trinkwasser wird zum Eisblock)