Wäschetrocknen unter Fichten.

27 km später war es dann wieder soweit: Wald ohne Ende, also leichtes Spiel ein sicheres Plätzchen zum Wildcampen zu finden.

Hätte noch weiter gehen können, aber es drängt mich die noch feuchten, frisch gewaschenen Klamotten zu trocknen. Zusammengepackt im Wanderwagen geht sowas nähmlich garnicht; die Sachen fangen nach zwei, drei Tagen an zu muffen, brauchen also unbedingt frische Luft, in Panevezys bei Peter hat dazu die kurze Nacht nicht gereicht.

Manchmal hatte ich einfach nie Zeit einzelne Kleidungsstücke lang genug aufzuhängen, besonders im Winter, kurze Tage, wenig Sonne…. kostete mir sowas Socken und Unterwäsche. Die faulten im feuchten Knäul über die Tage vor sich hin…

Fichtenzweige zei Dank lasse ich Unterhosen & Co einige Stunden atmen. Um sieben ist alles gut und trocken und ich agbefüllt mit anderthalb Liter Bier.

Ein besinnlicher Abend in guter Waldluft mit etwas Waschküchencharakter.

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Litauen, lecker, lecker ………..

(Panevezys – 95.000 Einwohner)

Unglaublich: Die beiden laden mich komplett ein… ich darf noch nicht einmal das Bier spendieren; Litauen ist soooo gut zu mir, Peter & Asta zeigen was hier auf den Holztischen kommt: Pilzcreme im „echten Brotkorb“ – eine echt litauische Art feine Creme-Suppen zu schlemmern, die mit der Zeit ins Brot einzieht und soooo lecker ist….

Weitere Kalorien Anschläge sind diese gefüllten Klöße, genial deftig und sehr (!) reichhaltig. Gefüllt mit Hack, damit nicht genug; Sauerrahm mit öliger Speckeinlage … alles verrühren und dann wirds noch deftiger.

Alles ganz traditionell natürlich mit dem Lebenselexier, dem litauischen Bier. Diesmal ein weißes vom Fass, ganz, ganz frisch, ja etwas zitronig sogar.

… Der Bauch spannt, ich bin voll…. das reicht wohl für die nächsten 2000 Kilometer, uff …

Couchsurfen bei Peter & Asta.

(Panevezys – 95.000 Einwohner)

Endlich wieder eine Couch, endlich wieder Leute; Peter aus Italien (Südtirol) kann sogar Deutsch, doch wir reden auf Englisch, – so wie die beiden überhaupt, als Italo-Litauisches Paar hier in Panevezys.

Ja wie kommt denn ein Italiener hier hin ???

Na, wie so oft wenn Fremde an die unmöglichsten Enden dieser Welt der Liebe wegen gehen …. Asta ist hier einheimisch, Peter folgte ihr in die Provinz, lebt sogar nicht schlecht als, ja rate mal, als IT Fachmann.

Da brauch er vom „Homeoffice“ nichteinmal mehr die Wohnung verlassen. Will er auch nicht; er kann schon drei Sprachen perfekt, aber litauisch, das kommt dem chinesischen gleich…. kann man mal nicht von heut auf morgen lernen.

So, jetzt sind auch mal meine Klamotten fällig. Ab in die Waschmaschiene damit und trocken sind die jetzt, am nächsten Morgen zwar immer noch nicht, aber SAUBER.

(Bilder: Peter & Asta im Shoppingcenter von Panevezys, meine Gastgeber hier. Wilde Tiere am Bett, bin ich gewöhnt, nur ist es heut Nacht mal kein Wildschwein sondern Reiesenhund „Muffin“)

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Panevezys (95.000 Einwohner)

20 km fernab vom taunassen Flussufer bin ich stolz nun die kleinere Großstadt Panevezys erreicht zu haben.

Jetzt versinke ich im Sessel des super angesagten „Cosmo Cafes“ in der überschaubaren Innestadt und finde es komisch dass ich den viel zu laut dröhnenden dance House Beat sogar genieße.
Wohl im Ausgleich zum tagelangen Fernwandern in aller Stille.

Panevezys, eine der fünf Großstädte des Landes ist eigentlich keine mehr; auch hier purzeln die Einwohnerzahlen nur so hinunter; einst 135.000 lebten hier, Plattenbauten umringen – wie überall im urbanen Litauen, die Kernstadt, die fototechnisch schwer zu erfassen ist, weil kaum Markantes im bildlichen Zusammenhang steht.

Dem demographischen Abschwung steht krass eine völlige Umwandlung im Wohnverhältniss gegenüber, die klar sichtbar wird mit all den wild durcheinander gebauten, chiken Familienhäusern an den scharf definierten Stadträndern der Plattenbauten.
Modern, dynamisch und kantig fügen sich die neuen Familienheime ein, in eine insgesamt dermaßen damit überforderte Infrastruktur, das nackte Erdpisten als einziger Zuweg zu den neuen Vierteln hier als traurige Normalität gelten.
Die Kommunen sind völlig überfordert mit dem privaten Wildwuchs im Bausektor, genemigen aber jedes Vorhaben um eben die Wirtschaft zu beleben, die flüggen Einwohner aus den Plattenbauten im Stadtgebiet zu halten.

Am Fluss mit den Biebern.

Zelten an der „Upyte“ so heißt hier der Fluss mit dem braunen aber klaren Wasser. Gerade noch gut genug zum Waschen, rutsche aber ab und sinke mindestens einen halben Meter in den eckligen Schlik …. Wassermaden, Stabwanzen und sonstiges Getier in Insektengestalt umzingeln mich.

Jetzt bin ich völlig versifft, fülle mit reichlich Zorn zwei leere Pullen mit dem Wasser was wie Schwarztee aussieht, reinige mich weitab dann auf der Wiese. Winzige Nacktschnecken kleben an meinem Fuß ….

Nachts planschten hier wesentlich freudiger die Bieber im Nass, lassen sich wie Kartoffeln einfach ins Wasser plumpsen sobald ich mich im Zelt bewegte. Zu lang dauerte es bis zwei Reisverschlüsse offen waren, den Blick ins fahle Mondlicht freigaben und die flinken Kartoffeln längst abgetaucht oder sonstwo verschwanden.

Camper Romantik pur, erst recht mit der immer gleichen Plörre von litauischen Kartoffelsalat aus der Konserve; eine grausige Qualität und schlimmer noch: Es gibt einfach nix anderes in den Kaufläden…….. also tagtäglich kalte Kartoffelwürfel in tumbe Mayo, dazu eine antidelikate Fischkonserve.

Ein Bier dazu aus der maxi-Literflasche und der Wanderleben-Feierabend ist perfekt.

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40 km später ….

… bin ich garnicht so fertig als ich zuvor dachte.

Erst ein frischer, nordisch-sonniger Morgen und weite Kilometer durch ein leeres aber permanent durchpfügten Land; Litauen ist Agrarnation durch und durch. Pferdedroschken unterstreichen malerisch dieses Feeling..

Dennoch muss es natürlich wieder Salzsäure vom Himmel regnen; ärgerlich trampel ich die letzten 10 Kilometer in voller Plastik-Gummimontour ab bis die angepeilten 40 km voll sind.

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Kedainiai (24.000 Einwohner)

27 Kilometer weiter hält mich Kedainiai …. uff, sprich das mal aus, oder merk dir das…  also, Kedainiai, die Stadt lass ich mal nicht links liegen.

Bin auch sowieso ein bischen faul und finde eine sauberes, aufgeräumtes, ja sehenswertes Provinznest vor, hier bleibe ich gern mit Caffee und WiFi an der Hotelbar und ziehe mir erstmal intensiv die Tagesschau.de hinein. Einfach mal komplett Pause vom longtime-Wandern machen…. und sich den Kopf über diese „Panama Papers“ zerbrechen …

Um einiges später kehre ich geistlich wieder zurück von Panama nach Kedeiniai, wollte eigentlich noch fünf km weiter raus, in den Busch zum zelten, aber wende mich vom Weg ab und suche dieses komische Minarett.
Jaja, hier soll es ein Minarett geben in einem Land was wohl am weitesten in jeder Hinsicht von jeglichen muslimischen Glaubens sein dürfte….
Litauen ist recht stolz auf seine katholische Identität, dreht allerdings nicht so volks-oberfrömmisch durch wie noch die Polen das machen.

Um so mehr wundert mich eben dieses völlig einsame Minarett im Walde am Stadtrand; erbaut vor 133 Jahren von einem Baron in Erinnerung an den Krimkrieg dieser Zeit.
Offenbar hat das wohl mit den muselmanischen „Krimtataren“ zu tun, mutmaße ich. Weitere Informationen fand ich im Ort nicht darüber.

Fast neben den Minarett entdecke ich ein schönes Versteck im Busch für die Nacht im Zelt.

(Bilder: Kedeiniai; schöne Häuschen, Holzkirche (barock im Innern) und typische Plattenbauten drumherum)

Kaunas (300.000 Einwohner)

Sonne!

Ich wache auf um sieben in der Früh. Tiergeräusche aller Art mal wieder in dieser schauerigen Nacht… Schokoladenfrühstück, Rasieren, Katzenwäsche, Zähne putzen, einpacken und weiter durch den noch nassen Wald hinaus zur großen Stadt.
Die ist wirklich groß; ganze 13 Kilometer schlängeln sich teils entlang endloser, fürchterlich trostloser Industrie/Gewerbegebiete, auch hier dem Zerfall preisgegeben, die breiten Straßen.
Rostige Bauten, gewaltige Schlaglöcher und hohe, gebrochene Bordsteine fordern den Wanderwagen heraus, den lenke ich mit nötigem Geschick über holperige Trampelpfade entlang der Straßen und uralten Wegplatten durch eine ganz andere Großstadt; Kaunas zeigt sich hier in den Außenbezirken von seiner rostigen, vergammelten Seite…
Doch dann lässt mich die Stadt in ihr Inneres.
Hier wirds schon gleich besser, wobei überall die urbane Flickschusterei ganz klar zeigt in welch einem Überlebensdrama diese so große Stadt steckt.
Selbst die so stolze Fußgängerzone hat an ihrem Anfang erstmal Schotterboden. Über 2,5 km lang zieht sich der Kernbereich Autofrei hinunter bis durch die feine Altstadt.
Wieder ein langer aber mal schöner Weg durch das andere Kaunas.
Hier treffe ich nun die liebe Silvija, bin wieder zum Couchsurfen verabredet und los gehts mit dem Wanderwagen drei km raus, wieder in das Vorstädtische Durcheinander zu ihrer Wohnung, außen trist, aber innen schlicht-gemütlich-sauber einfach mal gut tut.
Silvija ist 27, lebt allein und gefällt mir wirklich sehr.
Jaja, nichts falsches denken, nein. Wir kommen echt super miteinander aus. Dann ist sie weg: Schönwetter draußen, ab die Post nach Trakai, 80 km weit weg ein altes Schloss angucken mit Freundin.
Ohne mich, da sie wirklich versteht, dass ich Kaunas anschauen möchte. – „Be relax“ und drückt mir die Hausschlüssel in die Hand.

Nackig stehe ich fortan im wildfremden Badezimmer und verbrühe mich erstmal im Studium der Dusch-Amaturen, sehe mich etwas stolz im Spiegel und sage: „Geil, Kaunas ist gut zu mir“


…. Sonntag der 03 April …

Zwei Tage sind nun wieder vorbei, und die zweitgrößte Stadt Litauens war schnell überblickt; eine lange Innenstadt mit ganz vielen Kneipen (gute Biere für 2,50€) und einige wenige Bauwerke die auffallen.
Alles in allem steht Kaunas deutlich hinter Vilnius, kommt viel provenzieller rüber und muss wirklich zusehen, seinen Schwund zu meistern; Bauruinen, Verfall und Leerstand prägen das ganze Umfeld des Stadtkerns. Mit 150 Quadratkilometer total aufgebläht auch sehr groß, doch verwildert oder verlottert kein wirkliches Magnet auf Menschen wie einst; im 18ten Jahrhundert noch als Gegengewicht zu Vilnius, ja sogar kurz mal Hauptstadt Litauens, eine florierende Industrie und Handelsstadt steht Kaunas heute der Prognose gegenüber bis zu 70.000 Einwohner weniger zu haben im Jahr 2050.

Doch einige wollen bleiben: Silvija lebt gerne hier, ist ganz im Trend ihrer Landsleute kinderlos und eher gegen den Trend recht glücklich.

Och, ich könnte noch so viel schreiben…. so viel ist passiert, aber nun sitze ich hier auf meinem kleinen Sofa in Silvijas Küche und schreibe und schreibe….

Es ist schon acht Uhr…uff..

Morgen ziehe ich wieder weiter, hoch nach Norden… Fernziel: Riga.

Bilder: Eindrücke von Kaunas, schöne Seiten, schrullige Seiten, Zu Gast auf dem Küchensofa & zu Tisch bei Silvija, Wanderwagen Parkplatz im Wohnzimmer.