Sonne!
Ich wache auf um sieben in der Früh. Tiergeräusche aller Art mal wieder in dieser schauerigen Nacht… Schokoladenfrühstück, Rasieren, Katzenwäsche, Zähne putzen, einpacken und weiter durch den noch nassen Wald hinaus zur großen Stadt.
Die ist wirklich groß; ganze 13 Kilometer schlängeln sich teils entlang endloser, fürchterlich trostloser Industrie/Gewerbegebiete, auch hier dem Zerfall preisgegeben, die breiten Straßen.
Rostige Bauten, gewaltige Schlaglöcher und hohe, gebrochene Bordsteine fordern den Wanderwagen heraus, den lenke ich mit nötigem Geschick über holperige Trampelpfade entlang der Straßen und uralten Wegplatten durch eine ganz andere Großstadt; Kaunas zeigt sich hier in den Außenbezirken von seiner rostigen, vergammelten Seite…
Doch dann lässt mich die Stadt in ihr Inneres.
Hier wirds schon gleich besser, wobei überall die urbane Flickschusterei ganz klar zeigt in welch einem Überlebensdrama diese so große Stadt steckt.
Selbst die so stolze Fußgängerzone hat an ihrem Anfang erstmal Schotterboden. Über 2,5 km lang zieht sich der Kernbereich Autofrei hinunter bis durch die feine Altstadt.
Wieder ein langer aber mal schöner Weg durch das andere Kaunas.
Hier treffe ich nun die liebe Silvija, bin wieder zum Couchsurfen verabredet und los gehts mit dem Wanderwagen drei km raus, wieder in das Vorstädtische Durcheinander zu ihrer Wohnung, außen trist, aber innen schlicht-gemütlich-sauber einfach mal gut tut.
Silvija ist 27, lebt allein und gefällt mir wirklich sehr.
Jaja, nichts falsches denken, nein. Wir kommen echt super miteinander aus. Dann ist sie weg: Schönwetter draußen, ab die Post nach Trakai, 80 km weit weg ein altes Schloss angucken mit Freundin.
Ohne mich, da sie wirklich versteht, dass ich Kaunas anschauen möchte. – „Be relax“ und drückt mir die Hausschlüssel in die Hand.
Nackig stehe ich fortan im wildfremden Badezimmer und verbrühe mich erstmal im Studium der Dusch-Amaturen, sehe mich etwas stolz im Spiegel und sage: „Geil, Kaunas ist gut zu mir“
…. Sonntag der 03 April …
Zwei Tage sind nun wieder vorbei, und die zweitgrößte Stadt Litauens war schnell überblickt; eine lange Innenstadt mit ganz vielen Kneipen (gute Biere für 2,50€) und einige wenige Bauwerke die auffallen.
Alles in allem steht Kaunas deutlich hinter Vilnius, kommt viel provenzieller rüber und muss wirklich zusehen, seinen Schwund zu meistern; Bauruinen, Verfall und Leerstand prägen das ganze Umfeld des Stadtkerns. Mit 150 Quadratkilometer total aufgebläht auch sehr groß, doch verwildert oder verlottert kein wirkliches Magnet auf Menschen wie einst; im 18ten Jahrhundert noch als Gegengewicht zu Vilnius, ja sogar kurz mal Hauptstadt Litauens, eine florierende Industrie und Handelsstadt steht Kaunas heute der Prognose gegenüber bis zu 70.000 Einwohner weniger zu haben im Jahr 2050.
Doch einige wollen bleiben: Silvija lebt gerne hier, ist ganz im Trend ihrer Landsleute kinderlos und eher gegen den Trend recht glücklich.
Och, ich könnte noch so viel schreiben…. so viel ist passiert, aber nun sitze ich hier auf meinem kleinen Sofa in Silvijas Küche und schreibe und schreibe….
Es ist schon acht Uhr…uff..
Morgen ziehe ich wieder weiter, hoch nach Norden… Fernziel: Riga.
Bilder: Eindrücke von Kaunas, schöne Seiten, schrullige Seiten, Zu Gast auf dem Küchensofa & zu Tisch bei Silvija, Wanderwagen Parkplatz im Wohnzimmer.