“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (04.11.2015)

Sehr schön aber Gift für den Wanderwagen; der alte Natursteinpfad von Sulecin nach Osten führend, einst vor über 200 Jahren gepflastert, schüttelt meinen 28 Kilo-Bomber kräftig durch. Kilometer für Kilometer knattere ich weit abseits der lärmenden Haupstraße eigentlich des besseren Weges wegen hier entlang. Doch dafür bin ich langsam, ruppel die Meter auf historischen Boden mühselig ab…. Ein klassisches für und wieder im Wanderleben.,

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (04.11.2015)

Wie schön kann dieses Land sein….? Bei dem Sonneschein im herbstlichen Dunst der über den ganzen Tag in den tiefen Wäldern überdauert, momentan intensiv duftend, ob die Eichen oder der gelbe Ahorn es sind. Wie im Märchen ziehe ich im Blätterfall entlang der alten Wege, seit abseits der wenig schönen Straßen in Richtung Osten. Kalt ist es aber dennoch: acht Grad verlangen einen strammen Schritt um schön warm zu bleiben.

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (04.11.2015) Stadt: Sulecin

Der Blick aus meinem Fenster über den Hinterhof auf Sulecin, das allerdings nicht überall so triest aussieht; viel mehr ist es der frische, ja frostige Novembermorgen mit seiner herrlichen Sonne die mich auf den Weg ruft…. frisch geduscht mit randvollem Bauch mache ich mich auf. Auch Hausaufgaben sind gemacht; Couchsurfing-Anfragen für die nächsten Orte bis zur Großstadt Poznan (Posen) sind versendet. Hab gestern fast bis Mitternacht am PC-Gerät gewurschtelt…. alle Akkus voll… auf gehts in die Ferne….

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (04.11.2015) Stadt: Sulecin (10.000 Einwohner)

Haaaach, welch ein Luxus, und das auch noch mit echt polnischen Power-Frühstück – immernoch alles für 20 Euro, unglaublich. Im echten Bett schläft es sich nunmal anders als im Zelt, zwar nicht unbedingt besser, aber viel unkomplizierter: Bett sehen – reinlegen – fertig. “Pensjonat Kacper” heißt die Adresse, gleich neben der zentralen Kirche im Ort, ein Fotoladen hat die recht wohlhabende Familie nebenan, und eine Tochter in Texas, Amreika, wie es nunmal für die durchschnitts Familie im Auswanderland Polen üblich ist; eine Tochter von 20 Millionen Auslandspolen die weltweit auf der Suche nach Glück ihr schlichtes Land verlassen hatten. Schlicht wirkt oft die weite Landschaft, wohl alles andere als das aber die Gastlichkeit (siehe Frühstückstisch) … Also dann: Es wird eine verdammt gute Zeit hier im Land, das hab ich im Gefühl.

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (03.11.2015) Stadt: Sulecin (10.000 Einwohner)

Über ruhige, ja einsame Straßen schaffe ich den Weg noch bis ins gut 30 km entfernte Sulecin, einer Kleinstadt inmitten der platten, bis sanft gewellten Landschaft des Lebus, Polens tiefen Westen. Hier will ich heute am liebsten mal absteigen, in einem echten Zimmer. Die sollen hier auch ganz billig sein und ja, nach langer Suche (ich wollte aufgeben und ab in den Wald…) finde ich irgendwas Privates mit Zimmervermietung. Für sagenhafte 80 Zloty, (der Zimmer-Durchschnittspreis) also 20 €, steige ich heute mal richtig ab. DANKE, nochmals an Frau Else in Pillgram, die mir noch die 20 Euro gab, genau die, die ich jetzt dafür anlege hier zu nächtigen. Nötig wäre das mal, nicht wegen eines warmen Bettes, da ich ansonsten echt gut in meinen Daunen-Säcken eingehüllt auf Daunen-Luftmatratzen, usw… traumhaft bei Minusgraden schlafe, sondern einfach und banal meine Geräte aufladen muss; der Tablet-PC mit bedrohlichen 12% Akku versetzt mich chronisch in einem digitalen Dauerstress Zustand, der trotz aller praktischer Autonomie des funktionierenden Wanderlebens ein skurriler Wiederspruch in sich selbst ist; bei aller Freiheit, wo ist die nächste STECKDOSE…. ? Es ist zum Wahnsinnig werden; fotografieren, scypen mit den Lieben daheim, hier posten auch bei Facebook, Couchsurfing verwalten, Mails lesen und schreiben, noch die Nachichten lesen, Recherchen über die Orte meines Weges halten, ja noch dann über Google Maps (oder “Here”) ständig auf Landkarte sein….. das ist zu viel.Fehlt nur noch dass ich mit dem Ding bald koche (!?)…. Jaja, jetzt aber habe ich das Geld und nutze den Nebeneffekt eines warmen Bettes was dann doch schon was anderes ist…. Coichsurfing schaffe ich jetzt aber wieder nicht, bin einfach viel zu müde und muss schluss machen; 3 Std schrieb ich jetzt allein hier, das Bilder runterladen dauert auch, aber ich mach es gern…. Draußen sehe ich durchs Fenster die Häuser von Sulecin im Nebeldunst; nahezu jeder hier heizt noch mit Brennholz; wie in einem Film, ja oder dem Ruhrgebiet der 50er Jahre raucht jeder Giebel in den Straßenzügen und versetzt alles im Geruch verbrannten Holzes.

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (03.11.2015)

Was für ein Nobemeber: Klare, kalt-blaue Luft bei gleißender Wintersonne, die aber schon ganz viel Stauwärme in meiner Jacke schafft, wenn ich zünftig in die Kilometer trete. Vor allem längs dieser entsetzlichen Landstraße ohne jeglichen Seitenstreifen, ja gar Radwege. Letztere sind in Polen ohnehin unbekannt, und überhaupt ist hier nahezu alles komplett nur fürs Auto ausgebaut. Doch wäre ich nicht stolzer “Road-Walker” wenn ich nicht ohne weiteres bei all den stoßweise entgegen-schmetternden LKWs, immer links auf den schmalen Graßstreifen ausweiche, alle paar Minuten, immer wieder…. (ich laufe links, entgegen der Fahrtrichtung) was auf Dauer schon sehr anstrengt. Aber anders geht es nicht, da nur wenig Wege dahin führen wo ich dann allein wäre. Ausnahmen gibt es schon; mit Mühe erkunde ich Landkarten in den Orten, ob bei Verwaltungszentren, Busfahrpläne oder im Internet bei “Here Maps”(die ich auch ohne online-Status anschließend abrufen kann, was aber schlimm viel Akku frißt) und könnte heulen vor Glück dann auf solchen Traumstrecken fast für mich allein , ganz viele Kilometer zu schlendern. (Bild: Innehalten vor den Waldkiefern (Pinus Sylvestris) einer der typischsten Bäume im unendlichen Osten Europas, bei einem Geschenk der Sonderklasse für den ansonst schäbig grauen November; endlos, blauer Himmel….. endlos ….)

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (03.11.2015)

Na, weit bin ich gestern ja nicht mehr gekommen: In Kovalov noch versackt in den Tiefen des Internets, bei feinster Soljanka für fast 3 Stunden. Da schaffte ich nur noch wenige Kilometer über diese mörderische Schmalspurstraße mit ihren fürchterlichen LKWahnsinn, den ich hier zwischen den Dörfern nie erwartet hätte…Polen ist in den letzten Jahren zur totalen Auto-Nation mutiert, mindestens genauso wie bei uns. Jeder der 37 Millionen im Land dürfte seinen Lebensinhalt Nr.1 rund ums Auto verinnerlicht wissen, dermaßen dicht schmettert der Verkehr selbst auf diesen Nebenstrecken nur Zentimeter und pausenlos (!) an meinem Wanderwagen vorbei. Da flüchte ich gern schon um halb vier an den Ackerrand, wohl 200 Meter fernab der Straße und schaue in den fantastisch blauen Himmel der immer mehr an warmen Farben annimmt, im Gegensatz zur Temperatur die merklich schnell fällt. Die Nacht wird kalt. Eis und Raureif on masse schrappe ich am nächsten (eiskalten) Morgen von der Zeltplane, die Eis-steif fast schon zu brechen droht. Selbst auf dem Schlafsack im Innern liegt ein feiner Eisfilm. Kondenzwasser tröppelt mir ins Gesicht. Die erste, echte Eisnacht liegt hinter mir.

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (02.11.2015) Ort: Kovalov (1.600 Einwohner)

Ja, hier hatte ich den letzten Bericht geschrieben dank den ersten WiFi seit Brandenburg. In Kovalov, einem größeren Ort erkunde ich erstmals die polnische Bescheidenheit bei den Preisen; mal eine komplett andere Welt, vor allem im Vergleich zu Griechenland (mit ähnlichem Lohnniveau) wo alles das dreifache kostet. Weder Geiz noch Gier ist aber hier am Werk; umgerechnet 2,20€ zahle ich für die beste, deftigste Soljanka (russische Fleischsuppe) die ich je hatte, und das 0,4 Liter ! – Andere Sachen auf der Speisekarte der Kantinen-Gaststätte von der Orlen-Tankstelle (Polens größte Tankstellenkonzern) konnte ich nicht erkennen; Zungenbrecher vom feinsten…. muss da noch viel üben. Aber gleich einen Kaffee hinterher, natürlich meinen Cappuccino (der auch noch schmeckt) für 1,20€. Dann eine Cola für 1€… macht bei fast drei Stunden: 4,40€. Und ich bin satt bei allen erledigten Internet-Pflichten.(Bild: Preis-Überraschungen mal andersrum; billig und echt gut lebt es sich heute in Polen allemal, so wie hier am Tankstellen-Hotspot als soziales, wirtschaftliches Zentrum von Kovalov inclusive WiFi)

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen. (02.11.2015)

Böhmische Dörfer..? Oder polnische Dörfer…? Oder ehemals deutsche, ja preusische Dörfer? …. Ach ich weiß auch nicht mehr, zumindest wenns geschichtlich hier in der Region Lebus mal wieder kompliziert wird. Also polnisch stimmt erstmal jetzt und hier in Stare Biscupice, einem Flecken auf der Landkarte inmitten düsterer Wälder landeinwärts…. und doch, weiter im Ortskern haben sie was gemacht; gut ausgebaut sind die Kleindörfer hier mit Gehsteigen, glatten Straßen, ja sogar großen Freizeitflächen wie Rast oder Sportplätze. Wenn da nicht die Grenzgänger wären; dank der ausufernden Motorisierung der polnischen Arbeiterklasse, findet mittlerweile viel Kapital hier sein Endziel in einem günstigen Familienhaus auf eben günstigen Grund und Boden. Polens Dörfer in (deutscher) Grenznähe sind alles andere als arm. Bin mal gespannt auf die Dörfer weiter drinnen….

“Viva Polonia” 800 km zu Fuß durch Polen (01.11.2015)

*Sehnsüchtig guck* …. da ganz hinten ist Recklinghausen, meine liebe Heimat…. der Blick vom Zelt (um gerade mal 17:00 Uhr…) im Feuerrot eines dennoch eiskalten Novemeberhimmels. Die erste Frostnacht bahnt sich an, mit letztem Blick auf Deutschland: Ganz hinten erkenne ich noch die Lichter des hohen Oder-Turms in Frankfurt/Oder, hier abseits von Slubice.