Sterbende Dörfer, schwindende Städte…

Ein dickes Ding hier in Litauen, was seit der Wende 1989 ganze 800.000 Einwohner verloren hat. Zurück blieben oft nur die Alten, bis heute wo die wenigen Jüngeren auch noch in die Großstädte (Vilnius und Kaunas) abwandern.

Einige aber bleiben und versuchen das Beste aus ihren schwindenden Orten zu machen; kümmern sich um vieles, versuchen Fördermittel in der Haupstadt oder der EU zu ergattern um wenigstens etwas Makulatur, wie neue Bürgersteige oder Mülleimer, zu schaffen.

Der Verfall in den Dörfern ist kaum zu übersehen, kaum Leute und wenn dann schlurfen ein paar Alte durch diese zeitlosen Kulissen.

Dramatisch: Die Stadt Rudiškes (gesprochen „Rudischkes“ ) wird wieder zum Dorf; einst eine kleinste Stadt mit 2500 Einwohnern, (Jahr 2005) heute mit 500 Menschen weniger ein Schatten seiner selbst.
Hier und da noch gepflegte Holzhäuser, dort die bunte Flagge Litauens am eckigen Zweckbau des kleinen Rathauses, und ein nagelneuer Superkontainerbau als größerer Kaufladen geben ein insgesamt eindeutiges Bild der Rückentwicklung.
Schon bald sterben die nächsten paar hundert Alte weg…. die übersichtliche Gruppe schmutziger Plattenbauten am Ortsrand wurden schon Jahrzehnte nicht saniert.
Keine „Kaviene“ wo es so gut billig zu Essen gibt. Die sind schon lange dicht in Rudiškes, aber groß ist das Dilemma noch immer: einen ganzer Kilometer zieht sich die Siedlung mit ihren eigentlich schon zahlreichen Eindrücken …

Eine Siedlung wie viele hier in Litauen, die wieder zu Dörfern werden, die einen kontrolierten Rückbau meistern müssen.

Eine neue Herrausforderung im weiten, kinderarmen Osten Europas…

(Bilder: Ansichten von Rudiškes & der langen Straße ins leere Hinterland)

….Wander – Begegnungen….

…. mit einem Katalanen auf dem Reiserad, im Dorf Onuškis, auf dem Weg zum Nordkap.

Jaaa, wie genial ist denn das?

Inmitten im Wandertaumel taucht plötzlich dieses Drathesel – Ungetüm auf, und zak, schon waren die Helde der Straße im Gespräch. Manel kommt aus Mataro, ca 40 km von Barcelona gelegen und hat abertausende Kilometer auf dem überladenen Spezial – Reiserad hinter sich.
Jetzt will er noch höher in den Norden, umfährt Europa in allen Ecken. Kälte scheint dem robusten Südländer offensichtlich garnicht zu stören; zelten im Frost ist somit nicht nur meine alleinige Spezialität.

Manel arbeitet immer mal wieder Zuhause bis er genug zusammenhat für ein paar Monate auf dem Sattel, eine tolle Sache denke ich, rückblickend auf eigene Versuche vor Jahren mal ein Fernradler zu werden.
Doch drei Gründe hielten mich eher davon ab:

Ich bin leidenschaftlicher Läufer.
Weltreise-Radler gibts allerdings massenhaft auf der Welt.
Und mir tat immer höllisch der Arsch weh nach Tagestouren damit.

Aaaaaber dennoch; verstehen tun wir uns immer super, die Fernradler und die Fernwanderer respektieren sich als eine Art „wahre Reisende“ – fern abseits einer touristischen Identität.

Selbstverständlich hat auch Manel eine Website unter: www.losviajesdemanel.com

Wanderleben = Einkaufleben

Von wegen der Wanderer braucht fast nichts wenn er durch die Weiten zieht…. so wie es oft in den Globetrotterforen heißt; Was braucht man schon? Kein Bus, kein Bahntiket, kein Hotelzimmer (Zelt) …. nahezu ein Geld – freies Leben….

Nicht ganz, z.B. ist jeden Tag Einkaufen angesagt in einem der Läden in den Dörfern oder Städten. Ein fester Bestandteil im Plan eines Wanderlebens, weil die halbe Welt ist das gute Essen………….. 

Ich kann mir kaum vorstellen eben auch das noch zu reduzieren… bis 10 Euro brauche ich hier in Litauen für den täglichen Kalorienbedarf, und alles andere ist wirklich egal; schlafen kostet nichts, Fortkommen tue ich selber, lediglich Essen und Trinken soll nicht ganz so bescheiden sein.

Das erzähle ich auch Irena, (Bild)eine Verkäuferin im Dorfladen von Pivašlūnai, die etwas Englisch kann und ein reges Interesse am Wanderleben zeigt.
Naja, ist auch mal eine Abwechslung in Pivašlūnai, was die Säufer draußen neben dem gelben, hölzernen Laden ähnlich sehen; sie lallen mir noch einen Schwall litauische Grüße hinterher.

(Bild: Dorf Pivašlūnai, auf der Straße nach Vilnius)

Minus 6 Grad…

Und wieder einmal meine „Farm“ in Leichtbauweise…. hier gleich neben der langen, aber ruhigen Straße zwischen Alytus und Vilnius.
Platz satt für mich, und lang bin ich heute gewandert, diesmal bis 17 Uhr, weil es noch hell genug bleibt. Vorbei die ewig langen Winternächte mit 14 Stunden Schlafsack-Marathon…. 
Klar, eisig und ungefähr 10 Stunden ist die Nacht … ich ziehe alle Register in vier (!) Schlafsäcken und Decken, komme so aber gemütlich durch, auch wenn der Atem sich als Eis am Schlafsack niederschlägt.

Wie immer, ein gutes Bier darf nicht fehlen! In Litauen gern mal aus der Liter – Plastikflasche.

Alles gefriert sofort, sodass auch mein Nutella frühmorgens wie Holz aus dem Glas geschnitzt werden muss…. oh jeee, und das Trinkwasser kommt mittlerweile auch aus dem Schlafsack. Andernfalls gefriert alles in den Plastikpullen wenn es nicht mit der eigenen Körperwärme geschützt ist.

Bestes Training für Russland!

Schöne Kilometer.

Litauische Weiten in Sonne und klarer Sicht, welch Wohltat nach all den fiesen Wochen in Grau… dennoch zischt ein scharfer Wind über die matten Weiden, von Frühling (fast) noch keine Spur; aber hab den ersten Zitronenfalter gesehen, und die erste Biene meinte, im roten Iso-Band am kaputten Lenker des Wanderwagens eine Blume zu erkennen… noch etwas verpeilt das Tier.

Bei all den Flächen gibt sich die Landwirtschaft eher mittelmäßig: Litauen, fast so groß wie Bayern, produziert wohl längst nicht so viel wie unser größtes Bundesland; zu wenig geben die eher sandigen Böden her, Weizenanbau geht zwar, aber in geringerer Ertragsqualität als jener von fetter Braun oder Schwarzerde.

Zur Selbstversorgung reicht es aber dicke, ja sogar für einer der größten Industriezweige des kleinen Landes: Braugerste wächst hier gut, und Bier braucht das Volk nicht zu knapp.

So auch die Holzfäller, die seit Jahrhunderten dafür sorgen, dass für jeglichen Wald eigentlich (wie fast überall in Europa) nur das Wort „Holzplantage“ taugt in Litauen.
Neben Weideland fürs Rindvieh, und Weizenfelder, wächst hier jede Menge Holz, – Holz von hohen Waldkiefern die wie Birken, den sandigen Boden mögen.
Fette Eichenstämme sind hier nicht im Massen zu ernten, und die eleganten Buchen fehlen hier oben im kontinental Klima komplett.

Ganz anders als noch in Polen, fallen hier die Höfe aus; während drüben die polnischen Bauernhöfe groß und propper als richtige Unternehmen ihre Massen produzieren (dank neuer Agrarsubventionen der EU) sehen die litauischen Ländereien wesentlich bescheidener aus.
Nahezu etwas verfallen, und alt sind die oft an die 100 Jahre alten Holzhäuser in Leichtbauweise.

Alytus (63.000 Einwohner)

„Keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten in Alytus“ sagt Wikipedia über die schlichte Stadt.

Alytus hält mich aber, besser gesagt das WiFi in einem Cafe; eine Stunde scypen mit Mama und Freund Georg, Bilder bearbeiten, Couchsurfing organisieren, Mails lesen und beantworten (auch von Sponsoren und Helfern) und dann hier noch posten…. uuuuffff, mein Versprechen am Samstag im 110 km entfernten Vilnius anzukommen, kann ich mir abschminken; ganze vier Stunden bin ich schon hier online, hab die Dinger permanent an der Steckdose und wurschtel mich durch.

Facebook mache ich nicht heut, muss jetzt auch noch essen…. was einkaufen und irgendwann dann: Loslaufen…..

… Vilnius, noch 110 km will ich bis Samstag erreichen…. (wenn ich fliegen kann…) bin dort verabredet zum Couchsurfen…

(Bilder: Ansichten auf Alytus, deren kulturelles Zentrum diese Kiefern-Holz Kirche sein dürfte, auf Anhöhe mit altem Friedhof drumherum.)

35 km später…

lande ich hier an der schönen Memel.

Alytus, das Tagesziel hatte ich erreichen können, dank Sonnenwetter und Eiswind, ca zwei Stunden vor dem Dunkelwerden. Wie immer rein in den Wald, der gleich an der Stadt grenzt, für einen Rundgang bin ich jetzt zu faul… muss noch das Lager aufbauen und einen Platz dafür finden; tief rein in den Wald stoße ich dann an eine natürliche Grenze: Plötzlich stehe ich vor der Memel, der längste Fluss des Landes, der hier aus Weißrussland kommend sich bis zur Ostsee schlängelt.

Auf eine Art Feuerstelle mit flachem Untergrund, baue ich das Zelt auf.

Heute mal Hotel Wanderleben mit Flussblick.

(Bilder: Matte aufpumpen am Abend. Schokoladenfrühstück mit Eiswasser am nächsten Morgen)

Identität aus Holz.

… Glaube ich hier in Serijai zu erkennen.

Das immernoch junge Land ist nach wie vor auf der Suche nach seiner Identität. In Gesellschaft mit den anderen beiden Ländern Lettland und Estland, versuchen diese ehemals immer wieder fremdbestimmten Nationen ihre kulturelle Eigenständigkeit zu unterstreichen; sich einer Baltischen Identität zu besinnen, was sprachlich schonmal recht gut klappt: Das litauische ist eines der „chinesischen Sprachen“ Europas, was total fremd, anders und sehr eigen rüberkommt.

Über die Geschichte dieses kleinen Landes im weiten nordosten Europas, muss ich noch demnächst einiges erfahren, Zeit dazu dürfte wohl da sein; ca 400 Kilometer zieht sich mein Weltweg durch Litauen.

Auffällig sind schon jetzt diese hölzernen Gebilde die hier und da mal ein nues Merkmal der ansonsten schlichten Landschaft bilden.

Weites, schönes Land im Sonneschein.

Och, welch Freud, welch Traum: Sonne blendet mich beim Blick zum weiten Horizont des sanft hügeligen Ostlandes unter meinen Füßen.
Da macht der eiskalte Wind im zuvor eingecremten Gesicht nicht mehr viel….

Die Richtung geht erstmal zur Haupstadt, die aber noch 140 km weit weg liegt, zuvor nehme ich Alytus ins Visier, hoffe aber bald im Dorf Seirijai (uff, was für Namen die Orte hier haben) ein WiFi zu finden.

Mitnichten, außer malerische, wenn auch sehr einfache Holzhäuser und zimlich langweilige Bauten aus weißen, verwitterten Ziegeln, finde ich nur einen Kaufladen im 1000 Einwohnerort, füller erstmal richtig die Vorräte und zahle satte 14 Euro für allerdings ganz viele Sachen.

Endlich trinke ich so viel ich will an Handwarmen Wasser, muss nicht mehr nippen weil die Eiskälte die Zähne zum schmerzen bringen. Fülle mich ab und esse wie ein litauischer Elefant….. so komme ich mir zumindest vor..

image