Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (26.11.2015) Ca. 10 km hinter Lodź.

Wieder Daheim im Zelt. …. Schon um 15:30 war schluss, eine halbe Std später dann schon total finster…. die Zeit der super-langen Nächte beginnt; vier Tage Marsch bis Warschau sind im Plan. Durch die Kleinstädte Skierniewice und Zyradow über Felder, durch Wälder bis in die Metropole. Wetter: Arschkalt, Schneegriesel, aber alles warm (bis auf die Finger, die brauchen länger)

lodsch-tourist-infoViva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (25.11.2015) Stadt: Lodsch …………….. ( 700.000 Einwohner )

Da bin ich: Mitten drinn im Land, 400 km bin ich schon durch Polen gegangen um jetzt hier in Lodsch an der Piotrkowska im Tourist Office zu stehen. Darüber fand ich das Event-Zentrum der Stadt, wo ich mein Weltwander-Projekt vorstellte, Grund genug offenbar für ca sechs Reporter aus allen Medien…. Lieben Dank Lodsch für all die tolle Zeit in einer sehr spannenden Stadt!!! – Schweren Herzenz “muss” ich heute aber weiter; die Radioreporterin lud mich glad für heute ein, noch bei ihr unterzukommen. Doch es wird wieder Zeit zu gehen, die Sonne scheint vom kalten, klaren Himmel….. ja, tatsächlich sehne ich mich in den Wald zurück nach drei Tagen in Lodsch …. der liegt 15 km vor der Stadt…. Richtung Osten, Richtung Warschau…. da gehe ich heute hin.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (25.11.2015) Stadt: Lodsch

Wieder im Rampenlicht, diesmal in Lodsch morgens um zehn; Fernsehen, Zeitungen und Radio sind am Start. ….Uff, so viele. Auf Englisch erzähle ich aus dem Leben wie es zum Wanderleben wurde, wie schlafe ich draußen? Was gefällt mir an Polen besonders gut?Ich verspreche einen Gruß aus Tianjin und Chengdu zu übersenden, die Partnerstädte von Lodsch in China. Ist noch ein langer weg, erinnere ich. Dauert also noch etwas….

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (24.11.2015) Stadt: Lodsch …………….. ( 700.000 Einwohner )

Tolle Abendstimmung -bereits um halb vier, auf der Endlos-Promenade Piotrkowska. Stundenlang poste ich jetzt hier in “Annas Bar” zu frisch gezapften “Warka” und verwalte meine wachsenden Ansprüche der Online-Welt…. ein Thema für sich…. morgen wollte ich schon zum Sonnenaufgang starten; vier Tage Marsch auf Warschau, 130 km durch immer schlimmere Kälte…. doch Lodsch hält mich tatsächlich noch länger: Ich bekomme eine SMS vom Kulturbeauftragten der Großstadt, “ five journalists from tv, radio and newspapers wants meet you tomorrow at 10 a.m.” steht auf dem fleckigen Display meines Uralt-Smartphones….. also starte ich um einiges später…. oh je, der Wandersmann erregt nun auch Aufsehen in Lodsch ….

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (24.11.2015) Stadt: Lodsch …………..( 700.000 Einwohner )

Jaaa, Wa-wa-Wanderleben im Cynamon Hostel wo mich erstmal der junge Besitzer Lukasz glatt zum umsonst-übernachten einlädt. Wieder waren es die Medien die diesmal Lukasz sah, auch wenn ich nicht ganz unbeteiligt war; ich erzählte natürlich seiner charmanten Dame an der Rezeption meine Geschichte. Aber auch sonst, für 30 Zloty ( ca. 7 € ) kriege ich hier ein Bett im Mehrbetzimmer, eine Dusche, sowie ein üppiges, für Hostels schon sehr deftiges Frühstück. Plangemäß hätte ich das wohl berappen können. Überhaupt plante ich eine kleine Auszeit; so viel wurde mir geschenkt, so viel konnte ich die letzten zwei Wochen sparen; ganze 20 Euro hatte ich da ausgegeben über die ganze Zeit. Ständig war ich eingeladen, ob auf einen Cafe oder im Sternepalast mit Luxusmenü….. da ließ ich mal die Couchsurfing-Einladung in eine große Studenten-WG mit Partygarantie sausen und ziehe mich ins Mehrbettzimmer zurück. Naja, abgesehen von besoffenen Arbeitern, die ebenfalls die Nacht vom Tag (und vieles mehr) nicht unterscheiden können, waren die letzten beiden Nächte schon eher lausig…. schnarch-Attacken, Fürze und Zigarettenpaffen mitten im Raum & lautes Gelaber lassen die liebe Anna aus Zgierz vermissen die mich ja für die ganze Zeit einlud für Lodsch. Doch der Preis fürs Stadtzentrum ist nicht immer in barer Münze zu verrichten…. jedenfalls bin ich mal wieder begeistert: Lukasz freut sich mich als echten Reisenden zu beherbergen. Er freut sich auch auf eine spannende Zukunft; Lodsch hat fast keine Touristen, hier ist alles noch ganz echt, ganz unverbraucht so sehr polnisch. Die Stadt hat Potential und ich hoffe so sehr, dass sie dabei nicht ans Ziel vorbeischießt….
(Bild: Couchsurfen im Hostel. Sowas hab ich bisher auch noch nie erlebt.)

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (23.11.2015) Stadt: Lodsch

Lodsch im Einsturz: Fast neben meinem Hostel krachte es dann gewaltig; Straßenzüge versperren den Weg, ich suche umher und bin ratlos. Das Hostel, 100 Meter dahinter war unversehrt. Manchmal kracht es eben bei einer Bauqualität auch ganz ohne Erdbeben; ob in Lissabon oder Schenzhen (China) wer Häuser aus Lego baut, muss sich über solche Peinlichkeiten nicht wundern. Hier wurde keiner verletzt. Glück gehabt…

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (23.11.2015) Stadt: Lodsch ………………..( 700.000 Einwohner)

Und wie geht es weiter? Lodsch ist jung aber in die Jahre gekommen. Kein Wiederspruch. Die Stadt muss sich verändern, zumindest ihren Bewohnern die Grundlagen bieten hier weiterhin gut und immernoch günstig leben zu können. Ich hab immer dieses lausige Gefühl bei “positiver Stadtentwicklung” die Vorfreude von Veränderung im Sinne der Gewinnmaximierung zu spühren, wenn Medien oder Leute davon reden, ja schwärmen. Aber es ist überall auf dem Planeten das gleiche: Eine Stadt wächst, wird cool, ist (erstmal) billig, weniger bekannt oder begehrt, aaaaaber dann: Alle wollen dorthin, dazugehören und was? Die Mieten steigen, steigen und nochmals steigen….. so wie jetzt in Warschau, neuerdings in Poznan, Breslau und Krakau…. ein Job reicht oft nicht um die Mieten zu bezahlen, die typische Verteilung von unten nach oben: Ich arbeite als Pizzabote 12 Stunden um Groß-Immobilienbesitzer Mister X den “Mehrwert” seiner Lage im begehrten Viertel zu zahlen, während Erhalt und Wartung der Immobilie nur einen Bruchteil der Einnahmen ausmachen. In Lodsch ist dieses Verhältniss noch sehr ausgeglichen, allerdings auch nur weil der Arbeitsmarkt hier eine Katastrophe ist, ja, Arbeit genug aber die Bezahlung liegt Polenweit ganz weit hinten. Die Stadt schafft es nicht zu den anderen Großstädten ihrer Liga aufzuschließen und muss eben dort ansetzen den Wohlstand zu wahren, – und nicht wie überall zu den “teuersten”, zu den mondänsten“ Großstädten zu gehören. Lodsch ist den Wirtschafts-Hot Spots Poznan, Breslau oder Warschau sogar vorraus, ein Ort von urbaner Freiheit zu sein, wo man sich das Attelier oder die billige Bierbar als Kleinunternehmer auch leisten kann. Wo Studenten recht stressfrei ihren Raum finden, ohne gleich zwei Jobs nebenbei bis Mitternacht zu schaffen, nur um all den Vermietern ihre unappetitlichen Überschüsse heran zu karren…. auf Deibel komm raus. Auch wenn die Jobs in Lodsch miserabel bezahlt sind, auch wenn dort wie auch in Warschau viele kleine Hausbesitzer lediglich von den Mieten leben, müssen alle für alle die Verhältnissmäßigkeit wahren. In Lodsch ist das so. Leider aber eben kaum aus humanistischen Gründen….. ich denke lieber nicht weiter….
(Bild: Lodsch im Umbau, nicht überall aber hier und da. Die Stadt ist flächenmäßig etwas größer sogar als Rom, hat aber im Ballungsraum nur weniger als ein Drittel der Einwohner. Also noch so viel Platz)

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (22.11.2015) Stadt: Lodsch

So sah die “Manufaktura” mal aus als noch nicht Mc Donalds, C&A, und New Yorker dort waren, und der Platzhirsch Izrael Poznanzki hieß, einer der ganz großen Bosse der Gründerzeit sowie Erschaffer der größten Fabrik von Lodsch.
Bis zum ersten Weltkrieg war noch alles recht in Ordnung, danach Wiederaufbau, zum zweiten Weltkrieg viel Glück gehabt, – wenn auch die nahezu komplett jüdischen Industriellen-Familien alle enteignet wurden. Lodsch wurde fast sogar Haupstadt Polens, da Warschau dem Erdboden gleich, eigentlich keine Stadt mehr war. Ein weiterer Aufschwung hebte Lodsch 1946 bis 1970 weiter in die Höhe, wenn auch der Braunkohlebergbau und weitere Industrien den Textilsektor kleiner werden ließen.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (22.11.2015) Stadt: Lodsch ……….. (700.000 Einwohner )

Nee, keine Wanderkarte, sondern die Anbaugebiete der Baumwolle für Lodsch, aber auch für Deutschland. England, der damalige “Cotton-King” hatte mit seiner Kolonialstellung in Indien den wohl größten Baumwollproduzenten überhaupt inne, deshalb zündete dort auch alles viel früher.