Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (22.11.2015) Stadt: Lodsch/Lodź ….(873.000 Einwohner – mit Vororten)
Angekommen im Zentrum der drittgrößten Stadt im Lande; auf der fast fünf Kilometer langen “Piotrkowska” , die berühmte Boulevardstraße teils als einzige Autofreie Zone der Großstadt, die schnurgerade durch die innere Stadt zieht, wandere ich dem nächsten Ziel entgegen, dem Cynamon-Hostel an der Nebenstraße, wo es dann für nur sieben Euro die Nacht ein Bett (im Mehrbettzimmer) eine Dusche + reichhaltiges Frühstück gibt. Couchsurfing habe ich diesmal nicht angestrengt, – so günstig, so relaxt soll es ja hier mal werden. Vor 200 Jahre war hier ein gepflasterter Weg entstanden, der die damals neuen Fabriken mit der älteren Stadt Zgierz verbinden soll, Fabriken die hier ab 1820 im Zuge der ersten industriellen Revolution analog zum englischen Manschester gewaltige Textilmanufakturen bildeten, waren der große Durchbruch der Stadt. Ganze 100 Jahre war Lodsch somit einer der größten Textilproduktions-Stätten der Welt, Tuchmacherfabriken, Kleidung und Teppiche gaben zig-tausende Arbeiter ein Auskommen;Wachstum war angesagt, überall neue Häuser, oft aus billigem Holz, aber auch protzig prollig den Reichtum neuer Industrieller zeigend, entstanden. Lodsch wurde zur Großstadt, einer reichen Großstadt die damals den neuen Trend der Massenindustrie voll mitnahm. Entlang der eigentlichen Verbindungsstraße wuchsen so die Fabriken wie auch Villen, Geschäfte, Verwaltungsschlösser, – ja, damals baute man selbst Verwaltungsgebäude so prunkvoll wie Adelshäuser, und eine neue Stadt entstand. Heute nach viel, viel Geschichte, wenn auch nicht die älteste, war einiges passiert in Lodsch; die mächtigen, jüdischen Unternehmerfamilien wurden enteignet, vertrieben (oder schlimmer noch, in den “Ghettos” im Jahr 1940 deportiert) die Manufakturen kamen über die Jahrzehnte aus der neu-globalen Mode, durften im Sozialismus zumindest künstlich eine Lebensverlängerung genießen, während natürlich ab 1989 entgültig Feierabend im wahrsten Wortsinn war. Zur Wende dann, erlebte Lodsch den wohl schlimmsten Niedergang polnischer Städte (neben der Kattowwitz – Kohlenregion in Südschlesien) überhaupt; sackte von 850.000 Einwohner auf nun heute knapp 700.000 ab. Die Leute zogen aus, fanden und finden besser Arbeit im 130 Kilometer entfernten Warschau, oder gingen ganz ins Ausland. Anna sagte mir noch, in Warschau als IT Expertin das doppelte (!) Zu verdienen…. so schwer findet die ansich große Stadt Lodsch den Anschluss.
Doch bei all dem, was gibt es gutes zu erzählen? – Viel, z.B. dass es sich hier gut und günstiger leben lässt als in anderen Großstädten. Lodsch veränderte sich die letzten Jahre stark, viel wird gebaut am morbiden Stadtbild, die Preise sind billig, alles ist da: Universität, Mega-Schoppingmall, Krankenhäuser aller Art, und vor allem jede Menge Bars, Kneipen und Esslokale, vor allem hier an der Piotrkowska, dem “Walk of Fames” Polens mit seinen Sternen im Bodenpflaster wie in Hollywood. Lodsch ist auch Filmhauptstadt im Land, hat eine freiere Kultur weil hier nicht alles so unbezahlbar ist wie woanders. Ein großes Bier für 1,20€ vom Fass ist mir jetzt erstmal sicher….