Auf nach Kaunas ….

Von der neuen zur alten Haupstadt; 120 km ungefähr dürften das sein.

Vom Hostel vorbei an der weißen Kathedrale, noch kurz zum Mc Donalds für 4,85€ nochmal warm „amerikanisch“ einen Bic Mac frühstücken, gibt Kraft und raus aus der Stadt.

Lange Kilometer dann triste Plattenbauten, ein ganz anderes Vilnius eben, acht Kilometer später dann zerstreuen sich die Familienhäuser, planlos um den Stadtrand gewachsen, so das villenhafte, chike Häuser ohne Straße an breiten Sandwegen stehen.

Ich wandere zielstrebig über verschlungende Pfade, entkomme nur mit Mühe diesem Gewusel aus vorstädtischen Zubringerstraßen in Autobahnformat. Keine Chance dort zu wandern. Wie überall in der Welt wurden Radfahrer und erst recht Fußgänger wieder völlig vergessen.

Das alles allerdings bei erster frühlingshafter Stimmung: Immernoch Sonnenschein und nach 35 Kilometern endet die Stadtflucht im Sumpf nahe dem Dorf Rukštos.

(Bild: Gut versteckt hinter blubbernden Sümpfen (scherz) das Zeltlager)

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Schluss mit dem Lotterleben…

… jetzt ist wieder Power – Wandern angesagt… muss aber noch erst bloggen, mich waschen, essen und mit Freund Georg & Mama scypen…. dann dürfte es schonwieder halb elf sein.

Diesmal nicht so schlimm, weil es jetzt erst gegen sieben dunkelt am Abend. Also noch genug Zeit um einige Kilometer zu schaffen, raus aus der Großstadt die mir drei Tage so gut tat; Zwei Tage bei Valdas, und letzte Nacht im Hostel (für 8 €) im 6-Bett Zimmer. – Super Zentral in der Altstadt direkt an der weißen Kathedrale.

Gastgeber Valdas begab sich in den Bann einer Frau, der er jetzt sich selbst hinterfragend, nach Kleipeda folgt… (Litauens Hafenstadt an der Ostsee) ich wollte noch länger bleiben und freue mich einfach über solch billige Chancen wie hier im „Pogo Hostel“.

Zugegeben musste ich auch etwas mehr Geld ausgeben. Müssen oder wollen, schwer da jetzt einen Unterschied zu machen, da gestern und vorgestern der eine oder andere Euro – vor allem beim Bier, recht locker saß; 54 € für drei Tage Vilnius sind eigentlich supergünstig, dennoch für mich erstmal eine Großinvestition.

Die aber lohnte 🙂

Also, los jetzt…die Sonne scheint draußen, die Stadt erwacht und in vier Tagen will ich im 130 km entfernten Kaunas sein…. los,los….

(Bilder: Weitere Eindrücke der Stadt, vom Couchsurfen bei Valdas, dessen Straße mit Neubau in wüster Umgebung, das Bier mit „litauischer Käsesammelung“ – für insgesamt 5,50 € – die Altstadt mit Fußgängerzone und Hare Krishna Musikant, Wanderwagen Parkplatz im Hostel Wohnzimmer)

Pause im „Rom des Ostens“….

So heißt die litauische Haupstadt ganz gern weil es hier in Vilnius 50 große Kirchen gibt. Die allermeisten ihrer Zeit gemäß sehr Barock, so wie das Stadtbild des großen, historischen Kerns überhaupt.

Total katholisch schwingt hier der gläubige Geist überall duch die Gassen; wenn auch nicht so radikal wie noch in Spanien (oder Deutschland) wo die Trennung zwischen Kirche und Staat komischerweise noch nicht wirklich vollendet ist, in Litauen aber auch in Polen sind Sonntags und Feiertags fast alle Geschäfte offen… während bei uns in Deutschland tatsächlich noch Tanzverbote in Diskoteken zur Osterzeit gesetzlich von den Kirchen gegen „Andersgläubige“ offiziell verängt werden dürfen, schert man sich im viel gläubigeren Polen oder Litauen kaum darum ob Tanzwütige durch die Osternächte zappeln in ihren Partybunkern.
Wie schon mein theologisch sehr belesener Freund Georg dazu meint: Im Osten steht eine gewisse Volksfrömmigkeit dem immernoch kirchlich geprägten Staatswesen im Westen gegenüber; „kaum zu glauben“, sagt auch mein Gastgeber Valdas hier in Vilnius: „Ihr zahlt dahinten sogar eine Kirchensteuer“ … sowas gibt es hier aber (noch) nicht …

Jaja, der Valdas, hat schon so seinen ganz speziellen Glauben: Große Verschwörungstheorien, 11 September 2001, Kriege in der Welt, alles inszeniert von einem geheimen Zirkel, von verborgenen Weltherrschern; Aids ist eine Erfindung der Pharmaindustrie, Die Kondenzstreifen der Flugzeuge hoch am Himmel beinhalten Chemikalien die uns unbewusst willenlos machen und zum Massenkonsum verleiten…. Mac Donalds ganz besonders… voller Drogen der Bic Mac die uns auf ewig kaufsüchtig machen…

Genug Diskussionsstoff  also hier in Vilnius mit Gastgeber Valdas, der mich auch deshalb eingeladen hat, um zu erfahren wie man so einfach sein Leben komplett umkrempelt…. das will er nähmlch auch so machen, weiß aber nicht genau wie. Also her mit dem Wanderwagen-Mann…. mal sehen was der so zu erzählen hat.

Ich komme prima aus mit Valdas, auch wenn ich seine Welttheorie eher witzig finde, respektieren wir unseren Geisterglaube jeweils… so funktioniert Frieden auf der Welt.

Das galt auch mal lange Zeit für Vilnius so: Bis 1940 wo über 60.000 Juden die Hälfte der Stadtbevölkerung stellten, ein reiches, großes Kulturleben etablierten, Wissenschaft, Aufklärung, ja eine gewisse Freizügigkeit stand derzeit dem Spitznamen „Jerusalem des Ostens“ nicht entgegen.
Das änderte sich mit dem Einfall der Nazis sofort: Alle Juden wurden (wie unweit im polnischen Bialystok) deportiert, viele Russen verließen auch die Stadt und später zogen eben die Litauer ein, stellen heute mit 80% die übergroße Mehrheit, – sagt die Statistik; ca 100.000 Russen sollen aber heute noch ungemeldet in Vilnius leben, da ihnen immernoch nach 27 Jahren (!) keine behördlichen Dokumente ausgestellt werden, weder von Litauen noch von Russland.

Ansonsten hat die Stadt sich sehr verändert; glänzende Hochhäuser neben gammeligen Mietskasernen aus Gorbatschovs Zeiten, eine feine, saubere Altstadt, vier gewaltige Schoppingmalls und jede Menge Hostels voller Backpacker aus aller Welt lassen mir Vilnius als „Mini Metropole“ erscheinen, mit 541.000 Bewohnern noch überschaubar, aber dennoch einfach „groß“.

Valdas lebt hier gern, wenn auch nur kurz;  wie ganz viele in Vilnius zog er vor lange Zeit aus einem der schwindenden Dörfer im Norden Litauens in diese eben einzig wirkliche Stadt (neben Kaunas) des Landes, und wie auch hier ein Paradebeispiel: Es reichte nicht, er zog nach Kanada (Burlington bei Toronto) und ist jetzt sogar Staatsbürger des Riesenlandes nördlich der USA.

Ein Nomade, wie ich… wie 600.000 andere Litauer die ihr kleines Land seit der Wende verlassen haben.

(Bilder: Spaß und Pause in Vilnius, z.B. bei der weißen Kathedrale mit dem typisch litauisch-seperaten Turm. Aussicht vom alten Burgberg auf die Stadt. Wanderleben = Tourileben)

Sterbende Dörfer, schwindende Städte…

Ein dickes Ding hier in Litauen, was seit der Wende 1989 ganze 800.000 Einwohner verloren hat. Zurück blieben oft nur die Alten, bis heute wo die wenigen Jüngeren auch noch in die Großstädte (Vilnius und Kaunas) abwandern.

Einige aber bleiben und versuchen das Beste aus ihren schwindenden Orten zu machen; kümmern sich um vieles, versuchen Fördermittel in der Haupstadt oder der EU zu ergattern um wenigstens etwas Makulatur, wie neue Bürgersteige oder Mülleimer, zu schaffen.

Der Verfall in den Dörfern ist kaum zu übersehen, kaum Leute und wenn dann schlurfen ein paar Alte durch diese zeitlosen Kulissen.

Dramatisch: Die Stadt Rudiškes (gesprochen „Rudischkes“ ) wird wieder zum Dorf; einst eine kleinste Stadt mit 2500 Einwohnern, (Jahr 2005) heute mit 500 Menschen weniger ein Schatten seiner selbst.
Hier und da noch gepflegte Holzhäuser, dort die bunte Flagge Litauens am eckigen Zweckbau des kleinen Rathauses, und ein nagelneuer Superkontainerbau als größerer Kaufladen geben ein insgesamt eindeutiges Bild der Rückentwicklung.
Schon bald sterben die nächsten paar hundert Alte weg…. die übersichtliche Gruppe schmutziger Plattenbauten am Ortsrand wurden schon Jahrzehnte nicht saniert.
Keine „Kaviene“ wo es so gut billig zu Essen gibt. Die sind schon lange dicht in Rudiškes, aber groß ist das Dilemma noch immer: einen ganzer Kilometer zieht sich die Siedlung mit ihren eigentlich schon zahlreichen Eindrücken …

Eine Siedlung wie viele hier in Litauen, die wieder zu Dörfern werden, die einen kontrolierten Rückbau meistern müssen.

Eine neue Herrausforderung im weiten, kinderarmen Osten Europas…

(Bilder: Ansichten von Rudiškes & der langen Straße ins leere Hinterland)

….Wander – Begegnungen….

…. mit einem Katalanen auf dem Reiserad, im Dorf Onuškis, auf dem Weg zum Nordkap.

Jaaa, wie genial ist denn das?

Inmitten im Wandertaumel taucht plötzlich dieses Drathesel – Ungetüm auf, und zak, schon waren die Helde der Straße im Gespräch. Manel kommt aus Mataro, ca 40 km von Barcelona gelegen und hat abertausende Kilometer auf dem überladenen Spezial – Reiserad hinter sich.
Jetzt will er noch höher in den Norden, umfährt Europa in allen Ecken. Kälte scheint dem robusten Südländer offensichtlich garnicht zu stören; zelten im Frost ist somit nicht nur meine alleinige Spezialität.

Manel arbeitet immer mal wieder Zuhause bis er genug zusammenhat für ein paar Monate auf dem Sattel, eine tolle Sache denke ich, rückblickend auf eigene Versuche vor Jahren mal ein Fernradler zu werden.
Doch drei Gründe hielten mich eher davon ab:

Ich bin leidenschaftlicher Läufer.
Weltreise-Radler gibts allerdings massenhaft auf der Welt.
Und mir tat immer höllisch der Arsch weh nach Tagestouren damit.

Aaaaaber dennoch; verstehen tun wir uns immer super, die Fernradler und die Fernwanderer respektieren sich als eine Art „wahre Reisende“ – fern abseits einer touristischen Identität.

Selbstverständlich hat auch Manel eine Website unter: www.losviajesdemanel.com

Wanderleben = Einkaufleben

Von wegen der Wanderer braucht fast nichts wenn er durch die Weiten zieht…. so wie es oft in den Globetrotterforen heißt; Was braucht man schon? Kein Bus, kein Bahntiket, kein Hotelzimmer (Zelt) …. nahezu ein Geld – freies Leben….

Nicht ganz, z.B. ist jeden Tag Einkaufen angesagt in einem der Läden in den Dörfern oder Städten. Ein fester Bestandteil im Plan eines Wanderlebens, weil die halbe Welt ist das gute Essen………….. 

Ich kann mir kaum vorstellen eben auch das noch zu reduzieren… bis 10 Euro brauche ich hier in Litauen für den täglichen Kalorienbedarf, und alles andere ist wirklich egal; schlafen kostet nichts, Fortkommen tue ich selber, lediglich Essen und Trinken soll nicht ganz so bescheiden sein.

Das erzähle ich auch Irena, (Bild)eine Verkäuferin im Dorfladen von Pivašlūnai, die etwas Englisch kann und ein reges Interesse am Wanderleben zeigt.
Naja, ist auch mal eine Abwechslung in Pivašlūnai, was die Säufer draußen neben dem gelben, hölzernen Laden ähnlich sehen; sie lallen mir noch einen Schwall litauische Grüße hinterher.

(Bild: Dorf Pivašlūnai, auf der Straße nach Vilnius)

Minus 6 Grad…

Und wieder einmal meine „Farm“ in Leichtbauweise…. hier gleich neben der langen, aber ruhigen Straße zwischen Alytus und Vilnius.
Platz satt für mich, und lang bin ich heute gewandert, diesmal bis 17 Uhr, weil es noch hell genug bleibt. Vorbei die ewig langen Winternächte mit 14 Stunden Schlafsack-Marathon…. 
Klar, eisig und ungefähr 10 Stunden ist die Nacht … ich ziehe alle Register in vier (!) Schlafsäcken und Decken, komme so aber gemütlich durch, auch wenn der Atem sich als Eis am Schlafsack niederschlägt.

Wie immer, ein gutes Bier darf nicht fehlen! In Litauen gern mal aus der Liter – Plastikflasche.

Alles gefriert sofort, sodass auch mein Nutella frühmorgens wie Holz aus dem Glas geschnitzt werden muss…. oh jeee, und das Trinkwasser kommt mittlerweile auch aus dem Schlafsack. Andernfalls gefriert alles in den Plastikpullen wenn es nicht mit der eigenen Körperwärme geschützt ist.

Bestes Training für Russland!

Schöne Kilometer.

Litauische Weiten in Sonne und klarer Sicht, welch Wohltat nach all den fiesen Wochen in Grau… dennoch zischt ein scharfer Wind über die matten Weiden, von Frühling (fast) noch keine Spur; aber hab den ersten Zitronenfalter gesehen, und die erste Biene meinte, im roten Iso-Band am kaputten Lenker des Wanderwagens eine Blume zu erkennen… noch etwas verpeilt das Tier.

Bei all den Flächen gibt sich die Landwirtschaft eher mittelmäßig: Litauen, fast so groß wie Bayern, produziert wohl längst nicht so viel wie unser größtes Bundesland; zu wenig geben die eher sandigen Böden her, Weizenanbau geht zwar, aber in geringerer Ertragsqualität als jener von fetter Braun oder Schwarzerde.

Zur Selbstversorgung reicht es aber dicke, ja sogar für einer der größten Industriezweige des kleinen Landes: Braugerste wächst hier gut, und Bier braucht das Volk nicht zu knapp.

So auch die Holzfäller, die seit Jahrhunderten dafür sorgen, dass für jeglichen Wald eigentlich (wie fast überall in Europa) nur das Wort „Holzplantage“ taugt in Litauen.
Neben Weideland fürs Rindvieh, und Weizenfelder, wächst hier jede Menge Holz, – Holz von hohen Waldkiefern die wie Birken, den sandigen Boden mögen.
Fette Eichenstämme sind hier nicht im Massen zu ernten, und die eleganten Buchen fehlen hier oben im kontinental Klima komplett.

Ganz anders als noch in Polen, fallen hier die Höfe aus; während drüben die polnischen Bauernhöfe groß und propper als richtige Unternehmen ihre Massen produzieren (dank neuer Agrarsubventionen der EU) sehen die litauischen Ländereien wesentlich bescheidener aus.
Nahezu etwas verfallen, und alt sind die oft an die 100 Jahre alten Holzhäuser in Leichtbauweise.

Alytus (63.000 Einwohner)

„Keine nennenswerten Sehenswürdigkeiten in Alytus“ sagt Wikipedia über die schlichte Stadt.

Alytus hält mich aber, besser gesagt das WiFi in einem Cafe; eine Stunde scypen mit Mama und Freund Georg, Bilder bearbeiten, Couchsurfing organisieren, Mails lesen und beantworten (auch von Sponsoren und Helfern) und dann hier noch posten…. uuuuffff, mein Versprechen am Samstag im 110 km entfernten Vilnius anzukommen, kann ich mir abschminken; ganze vier Stunden bin ich schon hier online, hab die Dinger permanent an der Steckdose und wurschtel mich durch.

Facebook mache ich nicht heut, muss jetzt auch noch essen…. was einkaufen und irgendwann dann: Loslaufen…..

… Vilnius, noch 110 km will ich bis Samstag erreichen…. (wenn ich fliegen kann…) bin dort verabredet zum Couchsurfen…

(Bilder: Ansichten auf Alytus, deren kulturelles Zentrum diese Kiefern-Holz Kirche sein dürfte, auf Anhöhe mit altem Friedhof drumherum.)