Pause im „Rom des Ostens“….

So heißt die litauische Haupstadt ganz gern weil es hier in Vilnius 50 große Kirchen gibt. Die allermeisten ihrer Zeit gemäß sehr Barock, so wie das Stadtbild des großen, historischen Kerns überhaupt.

Total katholisch schwingt hier der gläubige Geist überall duch die Gassen; wenn auch nicht so radikal wie noch in Spanien (oder Deutschland) wo die Trennung zwischen Kirche und Staat komischerweise noch nicht wirklich vollendet ist, in Litauen aber auch in Polen sind Sonntags und Feiertags fast alle Geschäfte offen… während bei uns in Deutschland tatsächlich noch Tanzverbote in Diskoteken zur Osterzeit gesetzlich von den Kirchen gegen „Andersgläubige“ offiziell verängt werden dürfen, schert man sich im viel gläubigeren Polen oder Litauen kaum darum ob Tanzwütige durch die Osternächte zappeln in ihren Partybunkern.
Wie schon mein theologisch sehr belesener Freund Georg dazu meint: Im Osten steht eine gewisse Volksfrömmigkeit dem immernoch kirchlich geprägten Staatswesen im Westen gegenüber; „kaum zu glauben“, sagt auch mein Gastgeber Valdas hier in Vilnius: „Ihr zahlt dahinten sogar eine Kirchensteuer“ … sowas gibt es hier aber (noch) nicht …

Jaja, der Valdas, hat schon so seinen ganz speziellen Glauben: Große Verschwörungstheorien, 11 September 2001, Kriege in der Welt, alles inszeniert von einem geheimen Zirkel, von verborgenen Weltherrschern; Aids ist eine Erfindung der Pharmaindustrie, Die Kondenzstreifen der Flugzeuge hoch am Himmel beinhalten Chemikalien die uns unbewusst willenlos machen und zum Massenkonsum verleiten…. Mac Donalds ganz besonders… voller Drogen der Bic Mac die uns auf ewig kaufsüchtig machen…

Genug Diskussionsstoff  also hier in Vilnius mit Gastgeber Valdas, der mich auch deshalb eingeladen hat, um zu erfahren wie man so einfach sein Leben komplett umkrempelt…. das will er nähmlch auch so machen, weiß aber nicht genau wie. Also her mit dem Wanderwagen-Mann…. mal sehen was der so zu erzählen hat.

Ich komme prima aus mit Valdas, auch wenn ich seine Welttheorie eher witzig finde, respektieren wir unseren Geisterglaube jeweils… so funktioniert Frieden auf der Welt.

Das galt auch mal lange Zeit für Vilnius so: Bis 1940 wo über 60.000 Juden die Hälfte der Stadtbevölkerung stellten, ein reiches, großes Kulturleben etablierten, Wissenschaft, Aufklärung, ja eine gewisse Freizügigkeit stand derzeit dem Spitznamen „Jerusalem des Ostens“ nicht entgegen.
Das änderte sich mit dem Einfall der Nazis sofort: Alle Juden wurden (wie unweit im polnischen Bialystok) deportiert, viele Russen verließen auch die Stadt und später zogen eben die Litauer ein, stellen heute mit 80% die übergroße Mehrheit, – sagt die Statistik; ca 100.000 Russen sollen aber heute noch ungemeldet in Vilnius leben, da ihnen immernoch nach 27 Jahren (!) keine behördlichen Dokumente ausgestellt werden, weder von Litauen noch von Russland.

Ansonsten hat die Stadt sich sehr verändert; glänzende Hochhäuser neben gammeligen Mietskasernen aus Gorbatschovs Zeiten, eine feine, saubere Altstadt, vier gewaltige Schoppingmalls und jede Menge Hostels voller Backpacker aus aller Welt lassen mir Vilnius als „Mini Metropole“ erscheinen, mit 541.000 Bewohnern noch überschaubar, aber dennoch einfach „groß“.

Valdas lebt hier gern, wenn auch nur kurz;  wie ganz viele in Vilnius zog er vor lange Zeit aus einem der schwindenden Dörfer im Norden Litauens in diese eben einzig wirkliche Stadt (neben Kaunas) des Landes, und wie auch hier ein Paradebeispiel: Es reichte nicht, er zog nach Kanada (Burlington bei Toronto) und ist jetzt sogar Staatsbürger des Riesenlandes nördlich der USA.

Ein Nomade, wie ich… wie 600.000 andere Litauer die ihr kleines Land seit der Wende verlassen haben.

(Bilder: Spaß und Pause in Vilnius, z.B. bei der weißen Kathedrale mit dem typisch litauisch-seperaten Turm. Aussicht vom alten Burgberg auf die Stadt. Wanderleben = Tourileben)

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