Der Weg war das Ziel

a_Reiseroute_JakobswegÜber 5250 Kilometer, von Recklinghausen (NRW) nach Santiago de Compostela (Spanien) – und wieder zurück

Dieser Jakobsweg führte von meiner Haustür nach Santiago de Compostela und auch wieder zurück.

Insgesamt hatte ich den Weg in sieben Großetappen unterteilt :

Großetappe 1:
Recklinghausen – Trier  ( 450 Kilometer )

Großetappe 2:

Trier – Le Puy  ( 845 Kilometer )

Großetappe 3:
Le Puy – Saint Jean Pied de Port  ( 724 Kilometer )

Großetappe 4:
Saint Jean Pied de Port  –  Santiago de Compostela  ( 800 Kilometer )

 – Zwischenetappe-

Santiago de Compostela – Kap Finisterre  ( 93 Kilometer )

Großetappe 5:
Kap Finisterre – Irun  ( 900 Kilometer )

Großetappe 6:
Irun  –  Paris  ( 850 Kilometer )

Großetappe  7:
Paris  –  Recklinghausen  ( 600 Kilometer )

Inzwischen hatte ich diesen Weg erwandert und brauchte für die insgesamt 5262 Kilometer, fast acht Monate.

Bald starte ich wieder. Lange halte ich es ohnehin nicht aus, zu Verweilen und werde dann für Jahre den europäischen Kontinent erwandern.

Und das wird nicht die Grenze sein.

Eiseskälte und Raureif in Holland

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„Jens hat so sparsam gelebt. Er tat mir oft leid, aber ich konnte ja nichts tun“, sagt Mutter Heidi mit Blick auf die bis aufs letzte Gummi abgelaufenen Schuhe. „Die sind jetzt durch. Kein Wunder, dass ich mir damit eine Rückennerventzündung eingefangen habe.“ Für die geplante Europa-Tour müssen neue Treter her. Drei Monate will er sich Zeit lassen, Vorträge halten, die Homepage aufarbeiten, ein Buch über seine Reise schreiben. Der Markt sei zwar übersättigt mit Pilgerbüchern, aber er habe schließlich einen der längsten Jakobswege absolviert. Und Jens Kwass hat eine besondere Botschaft: „Nehmt euch Zeit für den Rückweg. Auf diese Weise erhält das Ankommen eine ganz andere Dimension!“ 

Die Blätter fallen

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Der Weg durch Holland wo das Laub, das ich einst vor Monaten auf demselben Weg sprießen sah, nun wieder von den Bäumen fällt.

„Nico’s Taverne“ ist der Endpunkt seiner abenteuerlichen Pilgerreise auf dem Jakobsweg bis Santiago de Compostela – und zurück. Am 18. März war der Extrem-Wanderer an der Philipp-Nicolai-Kirche gestartet – sein ganzes Hab und Gut in einem Kinderwagen verstaut. Für die Recklinghäuser Zeitung berichtete Jens Kwass regelmäßig von seinen Erlebnissen.

Bei Propst Jürgen Quante in St. Peter holte er sich gestern seinen letzten Pilgerstempel ab. Familienangehörige, allen voran Lebensgefährte Georg Weege und Mutter Heidi, begleiten den Recklinghäuser auf seiner letzten Etappe.

Glücklich und randvoll mit Eindrücken präsentiert der Jakobspilger seinen wichtigsten Weggefährten: Kuscheltier Paul, ein plüschiger Marienkäfer, habe ihm unterwegs so manche Tür geöffnet. „Alle sind bei seinem Anblick dahingeschmolzen, haben mich eingeladen oder einen Schlafplatz angeboten.“ Auch die Jakobsmuschel, das Symbol der Pilger, habe geholfen, Ängste vor dem Fremden, mutmaßlichen Obdachlosen, abzubauen. Die Hilfsbereitschaft unter den Wanderern sei ohnehin grandios. „Dieser Weg verbindet, obwohl er oft zu voll ist.“ Den Zauber des Jakobsweges habe er trotzdem gespürt, auf den einsamen Strecken, durch wunderschöne Landschaften, sagt Jens Kwass. Wenn er unterwegs ist, ist der glücklich. Das bescheidene Leben liegt ihm. „Mein Luxus heißt: Zeit haben.“

Rund 15 Euro pro Tag, mehr gab das schmale Budget des Aussteigers, der zuletzt als Baumfäller und -pfleger gearbeitet hat, nicht her. Einige Spenden sind zwar eingegangen. Trotzdem: Nur wenn nichts mehr ging, leistete sich der 34-jährige ein Hotel. Mal setzte ihm Durchfall, mal eine starke Erkältung schachmatt. Richtig gefährlich wurde es nur einmal. Die Wildschweine, die in sein Zelt eindringen wollten, schlug er mit Pfefferspray in die Flucht.

Eiffelturm muss einfach sein

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Herbst und Regenwetter… Die feuchte Kleidung wird zum Dauerproblem. Sehenswürdigkeiten haben es dann irgendwann schwer, zu begeistern.

Auch beim Waschen meiner Wäsche bin ich auf das Entgegenkommen meiner Gastgeber angewiesen und selbst reinige ich mich mit allen nur möglichen Tricks des Überlebenskünstlers, und das sind mittlerweile einige. Ich achte sehr auf meine Pflege, da bei meiner Unternehmung nicht nur das eigene Wohlempfinden wichtig ist sondern auch das äußere Erscheinungsbild: Keiner wird mir helfen, wenn ich wie ein Obdachloser aussehe, wobei ich das eigentlich momentan bin …

All diese Härten auf diesem langen Weg machen das Wanderleben erst wirklich lebenswert; man muss sie nur beherrschen können, bescheiden sein, braucht noch nicht einmal überdurchschnittlich sportlich zu sein. Aber eines braucht man: Zeit. Zeit haben für Dinge, die wirklich gewollt sind.

wohin ich mich lege, ist eben mein Bett

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Wenn ich mit offenen Augen wandere, entdecke und erfühle ich unzählig viele Schönheiten: in den tiefen Wäldern der Aquitaine (nahe Bordeaux) oder auf dem sanft gewellten, bunten Ackerland, das in der Ferne wie ein Flickenteppich aussieht. Alles kommt mir wie eine sich immer wiederholende Mahnung vor, die mir sagt, wie groß diese Welt ist und wie klein ich es bin, der mit schmerzendem Fuß dies alles zu bezwingen versucht. Mit Erfolg: Dank der Hilfe vieler so gastfreundlicher Franzosen wie Mme Marie aus Moustey, die mich zwei Tage in ihrer Villa aufnahm. Zuvor danke ich noch den Roma (auch bekannt unter der diskriminierenden Bezeichnung „Zigeuner“) für die geselligen Abende in den Wohnwagencamps von Bayonne. Dank an die Familie Le Pin mit ihrem „Garten“ so groß wie der Südpark in Recklinghausen, an Denis in Bordeaux, an Armand, dem Comiczeichner in Angoulème, an Aurélie in Poitiers, an Mélanie in Tours, Florian, dem Deutschen, in Blois, Cédric dem 2,07-Meter-Mann in Orléans, Pat und zahlreichen Kindern in Arteney, Pascal, ja ganz besonders meinem lieben Freund Pascal vom Montmartre in Paris und noch so vielen mehr … Auch die netten Bauern sind mir hier eine große Hilfe. Zwischen den Städten sind es oft zwei, drei Tagesmärsche, und ich brauche zum Abend einen sicheren Lagerplatz für das Zelt. Hier kann ich in den Wäldern, aber lieber bei den Bauern auf der Wiese übernachten. Geschützt vor Wildschwein und Co. lausche ich den Stimmen der Nacht und schlafe mit der Dämmerung des Abends ein … Ist das ein Leben wie Gott in „Frankreich“? Ganz gewiss nein. Ich esse oft kalte Küche aus den Supermärkten (wenn solche überhaupt auf dem Weg liegen) und trinke den Wein für drei Euro (alle zwei Tage)! Ich gehe nie in Hotels und trinke oft auch nur Leitungswasser.

Einsam immer geradeaus

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Frankreich hat vier historische Hauptrouten, die nach Spanien und somit nach Santiago führen. Für meinen Rückweg nach Deutschland habe ich die westlichste gewählt, die „Via Turonensis“, welche von Paris über Tours (daher der Name) bis hin nach Spanien führt und größtenteils über sehr ruhige kleine Straßen verläuft. Während in Spanien ständig andere Jakobspilger anzutreffen sind, bin ich hier in Frankreich nur selten solchen begegnet; unendlich weite Landschaften tagein, tagaus prägen den Alltag des Fernwanderers auf den Wegen Frankreichs.