Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (09.11.2015) Stadt: Poznan …. (550.000 Einwohner)

An ihm kommt man in diesem Land nirgends vorbei: Papst Johannes Paul, ein Nationalheiliger ersten Ranges. Ergreifend, als ich beobachte wie die alte Frau zu seinen Füßen greift und sich danach kreuzend segnet. Mächtig ist sie wieder geworden, die Kirche in Polen, einem Land was noch immer so sehr nach starker Identität sucht, scheint im Katholizismus mehr und mehr fündig.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (09.11.2015) Stadt: Poznan ….. (550.000 Einwohner)

In der Kathedrale von Poznan liegen die Urzellen der Stadt, ja der polnischen Kultur tief unten in den Kellergewölben verborgen: Die 1000 Jahre alten Königsgräber der ersten Herrscher. Heute steht hier ein Bau neuerer Art, neugotisch und natürlich Barock obendrauf. Selbstverständlich hatte Papst Johannes Paul die Kirche in den Status einer Basillika erhoben, einem Titel höchster Auszeichnung für historische Verdienste im Christentum. Im Jahr 968 war hier ein Vorgängerbau einer romanischen Kirche, der als erster polnischer Bischofssitz damals von riesiger Bedeutung war.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (09.11.2015) Stadt: Poznan ….. (550.000 Einwohner)

Wieder unterwegs, aber nur innerhalb der Stadt. Auf dem alten Hauptmarkt mit seinen Gildenhäusern holpert der Wanderwagen über weites Pflaster. Das Rathaus im Hintergrund ist mitten auf dem Platz gelegen, ein großes Nebeneinander: Dahinter schlimme Blöcke aus kommunistischen Tagen, neben Barock und klassischer Bauart. Eine echt tolle Stadt deren Geschichte für Polen die weitreichenste sein soll; schon vor 1200 Jahren gab es hier eine Siedlung, etwas später gründete sich mit den ersten Königen das polnische Reich, genau hier in Poznan. Schon sehr viel früher fand hier grundlegendes statt: Poznan ist die Wiege der Nation, da vor 1500 Jahren hier in den Wäldern der Region die “Polonen”, ein slawisches Wandervolk zum ersten mal Ackerbau betrieben, also sesshaft wurden. Die Polonen leiten sich von “Pole“ab, was sowas wie “Feld” bedeutet. Somit entstand auch der Name Polen, was im übertragenen Sinne sowas wie “Feldland” oder “Feldien” heißen müsste (?) Deshalb heißt die Region in der Poznan liegt auch Großpolen, sozusagen das Ur-Polen, eine heute 30.000 Quadratkilometer große Region (so ausgedehnt wie Brandenburg) -Auch wenn Krakau und Warschau in kultureller Konkurrenz stehen, und deren Könige später noch viel mächtiger waren, hat hier mal alles angefangen.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (08.11.2015) Stadt: Poznan …. (550.000 Einwohner)

Im Gespräch: Maria, 27 Jahre und bei Mc Kinsey angestellt, Kosmopolitin mit perfekten Englisch. Klar, sie war schon länger in viele Länder, entspricht dem modernen Weltbild der gut ausgebildeten Singels ihres Landes, will vielleicht mal woanders leben, ganz klar in anderen Ländern arbeiten. Maria lebt zusammen mit Mama und Schwester in einem Haus, drei Kilometer außwärts der Posener Innenstadt. Hier habe ich ein ganzes Zimmer für mich, draußen schlägt das Wetter um und drinnen ist es somit um so gemütlicher. Maria und ich sind im Geiste recht ähnlich: Ich freue mich über ihre Ansichten vom Humanismus, die sogar bis in die exotische Richtung zum Transhumanismus führen; ein visionärer Glauben an die optimale technologisierung der Menscheit, die z.B. auf Bio-technischer Ebene langfristig zur Unsterblichkeit führen könnte. Maria und ich fänden die Idee spannend, sich dafür extra einfrieren zu lassen. Sowas gibt es sogar, natürlich in Amerika, wo eine kleine Versicherung dafür sorgt, dass ich im hohen Alter auf 191 Grad minus im Edelstahltank für eine lange Wartezeit frisch bleibe, auf dass irgendwann in der Zukunft eine neue (Bio)technologie, mich wieder erweckt, meine alten Zellen verjüngt und somit unbegrenzt leben.
-Ein Glauben, wie jeder andere eigentlich auch. Während Christen an die Wiederauferstehung glauben, oder zumindest darauf hoffen, glaube ich an sowas, an einen Fortschritt ganz anderer Art. …. Jaja, ein Thema was jeder bestreitet, ich kenne das … aber Maria, sie würde sowas auch machen…. …. ….. ….. …. Also dann, sehen wir uns spätestens in Arizona wieder, wo die Kühltanks stehen? Why not, antwortet sie und ich glaube ihr. Vielleicht wirds eine Freundschaft für die nächsten 5000 Jahre ….

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (08.11.2015)

Lange Wege durch sub-urbanes Land gehören dazu wenn man sich der Großstadt nährt. Auch Polen verändert sich seit einigen Jahren, der Lebensstandard passt sich immer weiter dem mitteleuropäischen Durchschnitt an, Neubauten und vor allem Unmengen an Autos überall. Wilde Parkplätze, oder offiziell vor den nagelneuen Frischbauten hier mitten auf dem Land, weit vor der Stadt, sieht es aus wie auf Autolagerung auf Halde; mindestens jeder hat seine Karosse, und jeder will jetzt auch immer mehr: Neubauten kilometerweise überraschen mich in einem Land dessen Bevölkerung eher schrumpft. Wie in Deutschland liegen die Kinderzahlen je Frau auf dramatisch, niedrigen Werten. Bekommen sie statistisch mit 1,3 Kindern sogar noch weniger als die deutsche Mutter (1,4 Kinder ) Doch sind auch die Zeichen in Polen wie überall erstmal auf Wachstum gesetzt; die Städte boomen wieder total, das platte Land aber findet stellenweise kaum den Anschluss. Poznan, in dessen Windschatten ich schon seit Stunden einkehre, kündigt sich großspurig an, weil hier draußen die Neubauten groß, modern und vor allem günstiger sind als in der Stadt selbst. Ein Auto hat ja mittlerweile jeder, und das sogar als Neuwagen zumeist, damit die Wege zur Arbeit nicht länger als 30 Minuten betragen. Es verändert sich in Polen. Doch wie sicher ist der Aufschwung? Mit knapp unter 38 Millionen Bewohner hat das Land etwas weniger als die Hälfte von Deutschland, Tendenz: sinkend, da auch kaum Zuwanderer in die eher feindlich gesinnte Gesellschaft, ja erst recht (und neuerdings) fremdenfeindliche Politik eine Perspektive sehen. Während bei uns z.B. die Altenpflege gut und gern die bewährte, polnische Pflegerin übernimmt, fragt sich, wer pflegt bald die alten Polen? Drei Millionen Auswanderer Netto für die letzten 20 Jahre muss das Land zusätzlich noch verschmerzen, auf Versicherungen, gute Renten, oder einen starken Staat der für die Armen alle Kosten übernimmt, dürfen die vielen Millionen Alten die sehr bald hier in Rente gehen nicht setzen. In Ansätzen funktioniert ja die Sache hier; das Land ist angepasst günstig, die Preise stehen im Verhältniss zur Lebenswirklichkeit der einfachen Masse, ganz im Gegensatz noch zu Griechenland, wo das (mittlerweile) gleiche Einkommensniveau wie in Polen, einem Preisniveau teils teurer wie dem deutschen entgegensteht. Wahrscheinlich aber liegt es auch an seiner Größe; Polen gehört noch zu den großen Ländern Europas, mit einer funktionierenden Industrie, vor allem im Lebensmittelbereich, wo eine große Landwirtschaft dahinter steht; von den 316.000 Quadratkilometern (ca 75% der Größe Deutschlands, oder wenig größer als Italien) sind ca 50% Landwirtschaftlich genutzt. 50% der Getreideproduktion wird für den Eigenbedarf genutzt, alles weitere geht in den Export. Also eine Kornkammer für Europa dieses Land…. und somit eine der zukünftigen Chancen; Polen, wie auch Osteuropa überhaupt sind und werden Agrarnationen sein, ob es ihnen gefällt oder nicht. Abgesehen vom mächtigen Russland, schwinden sie dahin die Staaten im Osten unseres Kontinents, deren Bevölkerungen überaltern so katastrophal, wie das Verhalten ihrer starken Jugend; entweder auswandern in den Westen, oder besoffen in den Tag leben…. dazwischen bleibt eine neue Mittelschicht, deren Existenz langfristig gefährdert ist, ihr fortdauern eigentlich nur in der europäischen Idee eine Zukunft hat. Das aber wollen hier immer weniger; “Hinterhof” eines zentralen Europas sein, – in jeglicher Hinsicht? Nein, lieber neue, “nationale Identität” erkennen. Sowas gefällt hier, doch wohin? Der Westen nimmt uns die Kinder, bevormundet uns ….. der Osten (Russland) ist aber auch blöd…. (Polens neue zwei-Fronten Regirung, der PIS: Gegen Brüssel, gegen Moskau…. auf in den Kampf….) – Jaja, in den Kampf, … auf das wir alle, von Ungarn über Kroatien bis Warschau zum wirklich größten Hinterhof dieser Welt werden.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen. (08.11.2015)

Jaaaaaa, wieder Sonne. Die Nacht war grausam lang, auch weil nach den vielen Salzheringen der Durst echt schlimm war. Literweise musste ich spülen, unendlich viel Pipi machen in die “Flasche” – ein alter Campingtrick, um nicht ständig aus dem warmen Zelt zu steigen. Aber jetzt steigt die Laune spürbar; gleißende Sonne über der Piste weißt mir den Weg weiter nach Osten…. 30 Kilometer bis Poznan sind noch zu schaffen, dort treffe ich dann Maria, die mir vermittelt wurde als ich noch bei David und Mareike in Nauen (bei Berlin) übernachtet hatte. Sonntag, Magen leer, aaaaaaber Läden auf: Keine Sperrzeit wie noch im Gottesstaat Italien, ja oder auch Deutschland wo ich ansonsten dem verhungern nahe gerate. Hier sind alle Läden offen und ich stürze mich in den Kalorien-Konsum….. der hier einfach unglaublich wenig kostet.

Viva Polonia – 800 km zu Fuß durch Polen (06.11.2015) Stadt: Szamotuly …. (19.000 Einwohner)

Das platte Land brachte viele Dörfer hervor, ich durchquere ethliche davon und errege manchmal etwas Aufsehen in der Einöde. Die Mentalität hier im Osten ist ruppiger, so kommt es vor dass auch alte Säufer mich komisch anquatschen, ja sogar zornig lallen, wenn ich sie korrekterweise ignoriere. Auch drei angesoffene Jungs in lodderigen Trainingsanzügen und schmutzigen Turnschuhen sehen mich, pöbeln irgendwas Dummes vor sich hin und werden lauter je weiter ich ziehe. Mir macht das nichts aus, stelle aber später fest, dass der Wanderwagen den ich vor einem Cafe im Ort Szamotuly in Sichtweite vors Fenster parkte, einen deftigen Tritt kassiert, von eben einer dieser Jungs die auch in den Ort kommen, wohl des Wochenmarktes wegen wo sie sicherlich weiter irgend ein Unheil anrichten…. sowas gibts also auch. Zum Glück hält das Fahrgestell noch einiges mehr aus, und es bleibt spannend wie bei all den Wildschweinen in den Wäldern auch die wohl schlimmeren Raubtiere – besoffene Menschen, zu übertehen sind.(Bild: Szamotuly, eine Kleinstadt schafft Abwechlung im grauen Einerlei langer Landstraßen)