Heiß ist es, sowas von heiß hier im tiefsten Russland. Entweder superheiß oder superkalt im Winter, letzteres wohl viel länger, wobei am berühmt berüchtigten russischen Winter jetzt einfach garnicht gedacht werden kann… uff, 35 Grad im Schatten.
Die gewaltige Brücke hinüber in die neue Oblast wird zur Falle; hohe Geländer machen ein übersteigen (vor allem mit dem 40 Kilo Wanderwagen) unmöglich. Unglaubliche 12 km zieht sich das dann als Hochtrasse durch Sumpfland fort, … muss ales so lange laufen bis irgendwann die Leitplanken mich freilassen.
Endlich, links der Straße sehe ich endlich freies Land, wo ich hinlaufen kann. Sandig, trocken und somit frei jeglicher Insektenplage, baue ich das Lager auf.
Was gibts zu erzählen? Ich kann ja mal wieder zeigen wie so ein tagtägliches Zeltlager entsteht, viele Handgriffe die einfach sitzen müssen, Tag für Tag …
Gut einkaufen lautet die Devise eines zum Abend perfekt ausklingenden Wandertages; ein wahres Buffet an allerlei Köstlichkeiten, – was eben die Regale der Kaufläden so hergeben, breite ich um mich aus.
Wenn dann noch Freund Georg oder Mama aus dem fernen Recklinghausen (über Scype-Telefon) anrufen, ist das Wanderleben ein Traumleben.
So ziehe ich drei Tage durchs Land, die Landschaft ändert sich, es wird hügeliger und somit endlich weitsichtiger; tausend Kilometer hinter mir bestimmte nur noch eine grüne Sichtsperre den Blick links, rechts, nach vorn und hinten … Ewiger Wald und das wohl endloseste Flachland der Welt (Osteuropäische Flachlandebene) ließen mich vergessen wie Berge aussehen … und die kommen jetzt immernoch nicht wirklich; lediglich sanfte Hügelweiten mit Fernsichten auf den Schwellen obendrauf erlauben endlich den ersehnten Horizont im Blick.
Aber auch harte Arbeit, wenn es heißt den Wanderwagen die zwar nicht steilen, aber langen Anstiege hinauf zu ackern.
Und noch etwas Länderkunde, diesmal über die Oblast Nischni Novgorod, die jetzt erreicht ist.
Flächenmäßig etwas größer als Bayern (76.000 Quadratkilometer) und mit 3,27 Mio Bewohner nur ein viertel so bevölkerungsreich, ist die Nizhegorodskaya (auf Russisch) eines der wichtigen Kernregionen des alten, kulturell zentralen Russland.
Endlich erhebt sich hier erhaben das weite Land, meist goldgelb mit seinen Weizenfeldern, auf und ab in einer Hügellandschaft.
Weitsicht auf geschwungendes Feld und Waldland tun nach 1.200 km platten Einerlei des äußeren, russischen Westens, wirklich mal gut.
Nizhegorodskaya wurde, wie die meisten anderen Kernregionen rund um Moskau, den alten Fürstentümern grenzgemäß gestaltet; in seine Mitte hat die Oblast (Region) eine gewaltige Haupstadt, Nizhnij Novgorod (oder Nizhniy Novgorod, zu deutsch: Nischni Novgorod) dem ehemals sowjetischen Gorkij, heute eine große Metropole ist, die ich in Kürze erreiche.
Die Wirtschaft dieses Landes ist um diese große Stadt sehr industriell geprägt, allerdings nur in und um Nischni Novgorod, wärend die so weiten Ländereien drumherum, wie überall im ländlichen Russland, stark mit Abwanderung und Strukturschwäche zu kämpfen haben; selbst die zweitgrößte Stadt der Oblast, Dserschinsk, ein aktuell dramatisches Beispiel postsowjetischer Monostädte, scheitert als einer der größten Chemie Standorte Russlands, an seiner alten Größe; die Stadt schafft heute noch kaum seiner sozialen Dimensionen Herr zu werden; nur wenige der ehemals 300.000 Bewohner können noch heute von der stark modernisierten Chemieindustrie leben, da ändert auch die aktuelle Sozialpolitik des neuen Russlands wenig dran.
30.07.2016.
Vorsma (Worsma) eine 11.000 Einwohnerstdt war gestern Treffpunkt mit Tino Künzel, ein Reporter von der Moskauer Deutschen Zeitung, also auch mal ein deutsches Medium was sich für das Wanderleben interessiert.
Ganze vier Stunden verbrachten wir erst im Cafe dann draußen auf der Straße, zur Fotosession.
Tino lebt und arbeitet in Moskau, ist extra zu mir auf den Weg angereist um sich Wanderwagen + Wanderer mal näher anzusehen.
Ich werde dann bald den Bericht auch hier posten, Tino wird ihn mir dann senden.
31.07.2016.
Uff, ich schwitze und stinke entsetzlich, hocke nun in dieser Gazpromtankstelle an der kleinen Kaffebar und ärgere mich erst hier nach langer Suche ein WiFi gefunden zu haben …. somit schaffe ich es erst jetzt dies alles hier zu posten, veröffentlichen.
Vier Tage auf der Straße von Murom nach N.Novgorod…. vier Tage kein Internet, oh wie schlimm…
Heute erreiche ich die Millionenstadt immer noch nicht, zumindest mag ich keine 35 km gehen und lieber noch versuchen zum Nachmittag in der nahen Oka zu baden. Mal sehen ob’s diesmal klappt.
Für morgen dann bin ich mit Sergej in der großen Stadt verabredet, wo ich ganze drei Tage bleiben will.