Noch ein Petersburger Abend.

… Bei Wladimir, dem Straßenmusikanten, im Sovjetskaya Viertel, fast in der Mitte gelegen nächtige ich heute noch in seiner gemütlichen, kleinen Wohnung auf der Matratze im Wohnzimmer.

Der heftige Duerregen zieht ab, tolles Abendlicht fällt auf die alten, hohen Wohnhäuser des Viertels, ich rolle den Wanderwagen über hohe Bordsteine durch die hochurbane, etwas abgewohnte Betonwelt älterer Bauart, durch eine Passage, die provisorisch mit Holzbalken abgestützt vor dem Einsturz bewahrt, mich in eine dieser typischen Hinterhofwelten bringt, in der so viele Petersburger wohnen.

Der freundliche Wladimir hat Zeit heute, ich konnte kommen wann ich wollte, stemme den Wanderwagen in den dritten Stock durch wieder einen Flur, der seit vielen, vielen Jahrzehnten nicht einen Handstreich Renovierung sah, durch diese rustikale Holztür plötzlich ins kleine Himmelreich.
Hier hab ich mein ganz eigenes Museum heute; uralte Holzmöbel, Musikinstumente und Puppen – fernab des Eremitagen Hexenkessels.
Der Wladimir ist ja auch einer wie ich, zieht mindestens das halbe Jahr über den Kontinent, meist in Deutschland, der Schweiz und im warmen Italien, spielt dort Musik, lässt seine Puppen tanzen.

Auch wenns heut alles viel schwerer geworden ist, weil überall die Rumänen gekommen sind, zwar immer die selben Lieder dudeln, aber dem alten Petersburger Original heftig Konkurrenz machen.

Jetzt aber ist er drinn in der Nummer, wohl für immer; „mein alter Beruf ist tot“ sagt der gelernte Kinotechniker im guten Deutsch.
Er spricht mehrere Sprachen, seine Tochter lebt zusammen mit seiner Freundin woanders, die Freundin ist junger als die eigene Tochter des 53 jährigen Lebenskünstlers, momentn gibts Zoff, und da tut der Rotwein den ich mitgebracht hat mal ganz gut.
Draußen prasselt wieder der Regen. Es ist ja so gemütlich jetzt an diesem letzten Petersburger Abend.

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Und wieder mein obligatorisches Prost mit Rotwein, diesmal bei Wladimir mitten in Petersburg.
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Mmhhhh, gut futtern bei politischer Diskussion. So soll es sein.

Viel Geschichte um mich; so hat das Wurzelgemüse an der Wand schon vor über 50 Jahren mit seinem Marionetten Dasein das Puplikum erfreut, wacht heute mal über mein Schlafgemach, eine Matratze auf dem knarrenden Holzboden.

Uuufff, …. aufstehen… immernoch Regen Draußen…

Heute gehts früh weiter, Wladimir nach Cherepovets, 520 km fern zu einem Auftritt, ich 40 km nach Süden, raus aus der Stadt…. der Rotwein erschwert noch ganz schön die Knochen …

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Uuaaaah, schon vorbei die kurze Nacht? ... Das Wanderleben ruft, die Straße ruft.... es geht weiter.

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