Der Fluch des Russischen Sommers…

14.06.2016
Welch schöne Zeit, erst die ersten, goldenen Kilometer gestern auf der P47, der fast 90 km langen Landstraße von Luga nach Novgorod, echt traumhaft.
Doch heute; Sonnenwetter aber perfekt für all die Plagegeister des Waldes, der jetzt zig Kilometer folgen wird.

Ich überschreite zur neuen Region, in Russland „Oblast“ genannt, die Bundesländer des Riesenreiches.
Neue Oblast, neue Viecher: Riesige Fliegen, erstmal harmlos aber fett und laut brummend schwirren sie total schnell um mich umher, pausenlos, stundenlang….

Weitere Stunden des nun stinklangweiligen Weges folgen; nur noch Wald, Sumpfwald und mittendurch diese Straße. Auch hier im nun totalen Nirgendwo krachen unangenehm, unrealistisch viele LKWs durch die Stille.
Erst ein paar namenlose Kleindörfer, dann nur noch niederer, dichter Buschwald im braunen Sumpfwasser.

Wieder eine Hölle: Monsterfliegen schwärmen mittlerweile in solch großer Zahl um mich & Wanderwagen, wie ich es niemals erlebt hatte.
Sicherlich sind es an die Hundert, laut brummeln und neuerdings auch stechend (saugen den Schweiß an) – ticken permanent ins Gesicht, ja immer ins Gesicht. Warum nur?
Es gibt kein, aber auch garkein Ausweg; mit dem Handtuch schlage ich wild umher, versuche die überall haftenden Fliegen zu klatschen, erwische nur wenige, erkenne wie sich Wahnsinn nährt …. muss Ruhe bewahren, muss Ruhe bewahren….
ES GIBT KEIN ENTKOMMEN!

Weitergehen, weitergehen. Wieder ein dröhnender Lastwagen der kräftig Fahrtwind (und Staub) entgegen wirbelt, doch die großen Fliegen kümmert das nichts, die Verzweifelung wird narkotisch, wird heiß.
Manchmal ebbt der Wirbelsturm ab, vor allem wenn Wolken Schatten machen, besonders hysterisch sind sie in der grellen Sonnenhitze. Ich weiß einfach nichts mehr……………….

Inmitten eines Wirbelsturms von hunderten, Bienengroßen Fliegen fliehe ich nach gut 40 Kilometern auf ein weites Wiesenfeld, in der Hoffnung dort im Zelt endlich frei zu sein.
Aber sie folgen mir aus dem Wald, schwitze extrem im Stress, besinne aber jeden Kurzschluss, der mich hysterisch davonrennen lassen will…. wie sehr spüre ich diese Kraft des Durchdrehens.

Jeder Handgriff sitzt, das Zelt steht bald zuverlässig als meine „Burg Wanderleben“ und sitze nun hinter dem Netz.
Gedanken rasen durch die heiße Rübe, der Körper glüht förmlich im Stress unzähliger Mückenstiche, die wärend des Zeltaufbaus unvermeintlich geschehen; nun kommt noch eine neue Moskito Sorte dazu, eine übergroße, hellbraune Mücke die neuerdings sogar durch die starke Fjällräven Hose stechen kann; ein einziger Stich erzeugt viele stark juckende Blasen…. gleich mehrere kassiere ich hier und jetzt.
Im Zelt kuriere ich das Dilemma mit Salbe, wasche so gut es geht die stark verschwitzte Haut mit Mineralwasser und dem Lappen, öffne nur kurz und schnell einen kleinen Spalt den Reißverschluss um den Lappen neu zu wässern …
Auch das noch, jetzt drückt es plötzlich ganz empfindlich; ein Klo-Gang bitteschön jetzt!
Ich dreh komplett durch…. draußen tobt albtraumhaft ein Gemisch von Moskitos und Riesenfliegen ums Zelt, das allein ihr Sirren mich schon fertig für die Klapsmühle macht.

Ich MUSS also nochmal da raus.
Es ist warm, aber alle Klamotten an, auch die Jacke. Mütze rüber, Schuhe an und los…. ich renne hinaus ins Grasland, stolpere durch torfige Wasserlöcher und hocke mich schnell hin, keine Chance, wie Geisterwesen tauchen sofort aus dem Gras unter mir, neben mir, ja überall Mücken auf.
So kann ich das nicht…. jammere ich…
Aber was ist gnadenloser als die Natur?

Alles abschalten also, nichts mehr denken. Einfach funktionieren.
Der Darm leert sich, das Gehirn abgestellt (so gut es geht) die vielen Stiche – vor allem da wo momentan kein Schutz möglich ist, unbedingt ignorieren.

Fertig, alle weiteren Reinigungen im Zelt…in aller Ruhe altbewährter Outdoor Technik.

Die Handgriffe sitzen, Zeit dafür ist genug, doch der Hintern glüht jetzt … kann garnicht so viel trinken wie Blut verloren sein muss…
Trinken…. geht auch nicht so üppig; die letzten 40 km gab es keinen Laden weit und breit. Nur eine halbe Flasche Wasser bleiben noch für die übrigen 45 km morgen….sollte ich die überhaupt schaffen bis zur Großstadt Novgorod.
Schlecht geplant, schlecht gelaufen überhaupt die ganze Nummer jetzt.
Ich bin fertig, esse Brot mit etwas Wurst von gestern, überlege was ist wenn es nun so weiter geht.
Kann man durch dieses Land, durch diese Natur überhaupt wandern?
Draußen warten sie schon… Billionen Mücken die nahezu jedes Leben im Freien UNMÖGLICH machen ….

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Heute mal keine Panoramafotos. Lediglich des Netzfenster am Zelt zeige ich mal, was mich vor dem kompletten Moskito-Wahnsinn da Draußen bewahrt.

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