Türkei: …Kleinasien, oder kleine Welt für sich …

Klein passt irgendwie nicht wirklich; lediglich im weltichen Vergleich beschreibe ich die Türkei gern im Wiederspruch “großes Land weil kleine Welt”.

Das wird einem schnell klar, beim Versuch diese große Nation in Worte zu fassen. Erstmal ist die Türkei schonmal doppelt so groß als Deutschland, von der Fläche her gesehen, mit 778.000 Quadratkilometer, über 1300 Kilometer breit, von Nord nach Süd über 600 km, überzogen von riesigen Bergen, oft mehr als 3000, ja 4000 Meter hoch, flachen Gebieten wie Wüsten oder fruchtbar grün, mittendrinn oft eine Metropole umgeben von reichen Kulturland.
Seit ca 8500 Jahren bauen Menschen hier Städte, wobei von den ersten ihrer Art kaum noch was übrig ist, platzt das Land vor Unmengen an Geschichte, überfordert in seinen Größen erstmal gewaltig, so wie ich es noch von Italien kenne.
Doch dieses Land ist älter, hat als Brücke der ersten Zivilisationen von Asien nach Europa ein historisch unheimliches Gewicht. Doch auch die Gegenwart ist vielfältig; ein Land, ein System im Wandel der Zeiten versucht sich bereits seit 92 Jahren an den ersten Versuch einer islamischen Aufklärung, der Trennung von Staat und Religion als wahres Wunderwerk Kemal Attatürks, der als Staatsgründer landesweit ikonisch verehrt, zu verdanken und einer großen alewitischen Gemeinde, mit ihren fortschrittlich, humanen Auslegung des Korans.

Eine Gegenwart voller Energie, – von allen Seiten. Ein Land voller Ideologien, Völker und Temperamente, ob freigeistig oder islamistisch. Hier kommen sie alle zusammen, mehr als in jedem anderen Land.
Diese Horizonte will ich nun erkunden, plane meinen Weg weiter in Richtung Norden, entlang der zerklüfteten Ägäis, auf den Spuren uralter Geschichte der alten Griechen (denen das Gebiet hier mal gehörte) bis ins totale Epizentrum Istanbul, dem “Rom des Ostens” wo ich dann Freund Georg treffe.
Anschließend wandere ich von Istanbul über viele Umwege 4500 Kilometer nach Osten, rein ins anatolische Hinterland bis zum 5165 Meter hohen Ararat, dem höchsten Berg im Land, an der Grenze zum Iran gelegen. Das alles mache ich wieder mit Wanderwagen und komplett zu Fuß. Naja, sollte mal jemand unbedingt darauf bestehen mich ein wenig mit zu nehmen, werde ich nichts dagegen haben, denn die Hilfsbereitschaft, Kontakt und Gastfreundschaft hier im Lande ist phänomenal.
Ungefähr acht Monate Türkei, mit Unterbrechung für Nord-Griechenland (Treffen mit Familie dort) und eine Zeit Zuhause in Recklinghausen, braucht es für “Kleinasien”, dem Vorposten eines neuen Kontinentes, der schon selbst wie ein kleiner, eigener Kontinent betrachtet werden kann.

Darauf freue ich mich, eine gute Zeit in einem der spannensten Länder der Welt, aber auch gewaltige Herrausforderungen stehen dem Wanderleben in der “türkischen Welt” bevor….

Türkei (20.07.2015) Stadt: Izmir ( 3.200.000 Einwohner )

Also hier oben ist es auch nicht frischer; auf dem Riesenrad im Lunapark in IZMIR, für 1,50€ gönne ich mir mal den Ausblick auf die drittgrößte Metropole der Türkei.
*Stöööhn* mit über 35 Grad sind so Erkundungsgänge -vor allem in Millionenstädten so eine Sache. Ein Hostel war es mal wieder, wo ich mich erstmal meiner Gepäcklast entledigte, dort in schwüler Enge auf wackeligen Etagenbett die Nacht verbringe und morgen es dann schaffe, kostenlos eine Couch, irgendwo in der Riesenstadt zu belegen… Einladungen gibt es sogar, Couchsurfing geht wieder hier in der Türkei; Gastfreundschaft ist angesagt, endlich nach so langer Abstinenz in südeuropäischer Anonymität….
Izmir ist Hafenstadt, was ihr schon vor 2900 Jahren bei ihrer Gründung den Vorteil einbrachte, Handel zu betreiben, und bis heute hat sich seine herrausragende Stellung bewährt; das alte Ephesus versandete, Pergamon auch und Izmir, das über 2500 Jahre Smyrna hieß, konnte gedeihen, lag an einem großen, befestigten Naturhafen.
Hier bleibe ich dann mal drei Tage….

Türkei (19.06.2015) Stadt: Selçuk ( 36.000 Einwohner )

Powerfrühstück, so wie es die Türken mögen; viel Gemüse, Melone, Oliven, Brot und Ei…. alles dabei. Nocheinmal in Selçuk frühstücken, im Boomerang Guesthouse und dann gestärkt in den (heißen) Tag starten: Heute ziehe ich nun nach Izmir weiter, dem alten Smyrna (von dem kaum noch was übrig ist…) und versinke in der Millionenstadt…… für 10 Lira (ca 3,70€) gibt’s die Fahrt im Minibus dorthin. Mal sehen ob Couchsurfing oder doch ein Hostel dabei herumkommt, jedenfalls habe ich für die nächsten Tage noch genug Geld um auf niedrigem Niveau so weiter zu machen; Hostels, Überlandbusse, Eintrittsgelder für historische Stätten.

In 10 Tagen aber hab ich’s geschafft: Dann treffe ich Freund Edmond für zwei Wochen in Istanbul; Hotel & Großerkundung der türkischen Küche(n) sind dann angesagt…

Türkei (18.07.2015)

Ort: Ephesus bei Selçuk.

So hatte es mal ausgesehen: Ephesus am Hafenbecken gelegen, das aber mit der Zeit versandete. Die Stadt war somit nicht mehr Handelshafen und verlor im damals ständigen Wettbewerb gegen die anderen Städte Smyrna und Pergamon. Smyrna hatte einen gewaltigen Naturhafen an einer riesigen Bucht, liegt ca 75 km weiter nördlich und heißt heute Izmir, eine gewaltige Millionenstadt die es bis heute gechafft hat ihre Stellung zu halten. Ephesus fristete hingegen all die Jahrhunderte ein Dasein als Randerscheinung, blüht nun wieder in neuer Größe auf, als großartigste, historische Stätte des Landes; “Efes” wie es auf türkisch heißt ist auch der Name der größten (und wohl einzigen) Biermarke der Türkei. …. Hmm, was das damit wohl zu tun hat…?

Türkei (18.07.2015) Ort: Ephesus bei Selçuk.

Das ist der Knaller hier: Die alte Celsus Bibliothek, mit ihrer ca 20 Meter hohen Prachtfassade, eigentlich als Heroon für den verstorbenen Kaiser errichtet, sozusagen als Grabmal. Dennoch war hier wirklich mal die Bibliothek von Ephesos drinn, vor 1900 Jahren erbaut stand sie eine lange Zeit bis ein Erdbeben kurzen Prozess machte, aber viel später im Jahr 1970, findige Forscher die Trümmer wie ein Puzzle zusammenlegten und die Fassade tatsächlich wieder aufbauten, so dass sie nun (fast) wie in alter Pracht wieder erstrahlt. 1978 war der Bau wieder hergestellt, wie gesagt, aus den alten Originalteilen. Eine unglaubliche Leistung!

Türkei (18.07.2015) Ort: Ephesus bei Selçuk.

Ich hatte schonwieder keine Lust mehr als ich am Eingang, nach ca zwei Kilometer Fußmarsch von Selçuk nach Ephesos, mindestens 50 Reisebusse, Unmengen an Autos, und den üblichen Mega-Toiristenrummel inclusive Bazaar, “Efes-Restaurants” , Souvenier-endlos-Läden und Legionen bissiger Taxifahrer erblicke, mich durch den Wust drängel und etwas später aber in der weiten (!) Anlage feststelle, wie sehr sich die ungefähr 3000 Touristen hier verlieren. So groß ist das Ganze…. immerhin lebten in der Römerzeit, wo Ephesus seine Blüte hatte, ungefähr 200.000 Menschen hier. Damals einer der größten Städte der Welt, ein Zentrum der ersten Christengemeinden überhaupt; Apostel Paulus weilte lang hier, Mutter Maria soll einige Kilometer von hier verstorben und in den Himmel gefahren sein. Und natürlich zuvor waren alle römischen Gottheiten ordentlich vertreten, wie auch zuvor deren Vorfahren, wie Artemis mit ihren sagenhaften Artemis Tempel, von dem nur noch Fundamente zu bewundern sind.
(Bild: Ganz hinten die Celsus Bibliotek, DAS Wahrzeichen von Epesus.)

Türkei (18.07.2015) Ort: Ephesus bei Selçuk.

Unglaublich: Antike Straßen, mal mehr, mal weniger intakt, sollen uns mal zeigen was dauerhafte Qualität heißt. Dicke Marmorplatten halten Jahrtausende, auch wenn kaum eine Mauer all die Zerstörungsfeldzüge und Erdbeben überstanden hat, die alten Prachtmeilen bleiben.
Riesig: Über einen Kilometer antiken Boulevard hat Ephesos noch heute.

Türkei (18.07.2015) Ort: Ephesos bei Selçuk.

Da hab ich sie wieder: Die alten Stätten längs vergangener Metropolen; das weltberühmte Amphietheater von Ephesos, seiner Zeit das größte in Kleinasien. Ja, Kleinasien heißt noch heute die anatolische Landmasse der Türkei, abgeleitet von der damaligen römischen Provinz “Asia” als Vorläufer des großen asiatischen Kontinents, damals eine noch unbekannte, unendliche Welt….. Vor 2200 Jahren von den Griechen errichtet, wurde das “Auditorium”,wie das Theater archologisch genannt wird, in der Römerzeit weiter ausgebaut und fleißig genutzt; von Lesungen bis Gladiatorenkämpfe war hier alles drinn, 25.000 Zuschauer fasste die Anlage über viele Jarhunderte, bis über 1000 Jahre die Vergessenheit des finsteren Mittelalters über die Ränge der Ewigkeit fielen. Erst um 1860 buddelten englische und österreichische Forscher auf der Suche nach dem legendären Artemis Tempel (einer der sieben Weltwunder der Antike) das Theater wieder aus.
Uuuff, momentan sind es satte 37 Grad hier, nicht wirklich einfach mal eben zu verweilen, dem Ort mit Zeit zu würdigen *schwitz*
Auf dem anderen Bild erkennt man die Hafenstraße rechts vom Theater. Da war mal das Hafenbecken, was den Reichtum durch Seehandel nach Ephesos brachte. Lang ist’s her und heute reicht der Blick weit über plattes Land…

Türkei (18.07.2015) Stadt: Selçuk ( 36.000 Einwohner )

Meine erste Stadt im Riesenland: Selçuk (gesprochen: Selschuk) liegt etwa sechs km vom Meer landeinwärts, was historisch nicht immer so war. Damals, vor ca 2500 Jahren war das Meer mit einer kleinen Hafenbucht der eigentliche Grund um hier zu siedeln; Ephesos, einer der größten antiken Stätte überhaupt entstand durch den zusammenschluss einiger Siedlungen vor sogar genau 3000 Jahren. Damals setzten die alten Ioner fort was die Mykener und etwas vorher die Minoer begannen; eine altgriechische Siedlungskultur zu pflegen. Ionien war mal ein Teil des antiken Griechenlandes, mit weiteren mächtigen Städten wie Smyrna (heute Izmir) und Pergamon, also ein fettes Stück Griechenland der ureigensten Klasse. Selçuk taucht als solches erst viel, viel später auf: Als mittelalterliche Festungsanlage wacht die große Osmanenburg noch heute stolz über die Stadt auf einem Berg, ein Zeichen fortwährender historischer Kontinuität beobachte ich im ganzen Stadtbereich, bis hinunter 1,5 km zu den Ruinen von Ephesos. Somit wanderte über die Jahrhunderte die lebendige Stadtsiedlung mehr und mehr ins Landesinnere, verlagerte sich nun dort wo heute Selçuk liegt vor ca 1400 Jahren, da weiter unten der alte Hafen mit der Zeit versandete und die Schifffahrt nicht mehr möglich war.
Dennoch entwickelte sich der Ort nur mäßig, war mal Militärstützpunkt, mal Marktflecken, oder ein untergeordnetes Kulturzentrum als Schatten seiner großen Vergangenheit. Selçuk ist als lebemdige, für türkische Verhältnisse recht reiche Kleinstadt allerdings genauso erfolgreich, lebt von den Einnahmen der Touristen gut, den die (so wie ich) zahlen allein für Ephesos schon 12 Euro Eintritt – ohne Museum, das kostet nochmal dazu. Sei’s drum, die Stadt macht Spaß, ist sehr sauber, gepflegt und keine Nepper gehen einem auf die Nerven. Offene Armut sehe ich hier nirgends.

Türkei (17.07.2015) Stadt: Selçuk ( 36.000 Einwohner )

Coole Mischung: Eine Chinesin aus Sydney (Australien) verliebte sich in einen Türken und kam hierher nach Selçuk, machte das “Boomerang Guesthouse” auf: “China küsst Türkei”….. lecker chinesische Suppen und herzhafte Köfte mit Fladenbrot, dazu natürlich reichlich “Efes” das Bier der Nation. So treffe ich hier erstmal haufenweise Chinesen, quatsche mit ihnen lang über die tiefsten Provinzpossen ihres Landes, “Chengdu überholt bald Chongqing” – das Thema hatte ich vorher nicht erwartet, schon garnicht im Mini-Bus von Kusadasi nach Selçuk, der mit Lichtgeschwindigkeit über die Dörfer sowie entlang gewaltiger Ferienanlagen entlang der Küste bretterte…. für 2,20 € die gute Stunde Holpertour. Das Hostel hat neben einem Mehrbett Schlafsaal (wo ich für 12 € übernachte) auch Einzelzimmer für ca 25€. Ich leiste mir das alles mal weil es momentan eben geht, und hier bekommt man auch was geboten für die kleinen Moneten.