Wladimir good bye…

So eine schöne Zeit hier in Wladimir-Stadt ist nun wieder zu ende.

Zu Gast bei Anna und ihrem Freund; die Kinder waren bei der Oma, Platz also für den Besucher mit dem Wanderwagen.

Ganz lieben Dank für eure Gastfreundschaft, wir sehen uns wohl wieder, irgendwann mal in Deutschland.

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Beide aus der Region, beide sprechen Deutsch. Wilkommen sein in Wladimir.

Weiterer Wegverlauf: Sudogda (Kleinstadt in 40 km), Murom, (120 km) dann weiter nach Nizhnij Novgorod (Millionenstadt, 260 km)

… Spendet mir weiterhin Kilometer, noch 670 km bis KAZAN, noch ganz viele Cappuccinos (sofern vorhanden und trinkbar) zum durchkommen… Spendenkonto unter „Kontakt“ auf dieser Website.
Danke bereits an Benoit aus Brest, für die Spende, sowie Hansruedi aus der Schweiz, ohne euch würde es sonst jetzt sehr schwierig sein… danke auch an alle die mir folgen 🙂

… Schwere Schritte nach Wladimir …

So, mal wieder eine Meldung vom weitesten Land der Welt.
Über 30 Grad, Waschküchenluft, Dauerschwitzen. So sahen die letzten Tage aus als ich raus aus der moskauer Region ins neue Gebiet einwanderte; die Vladimirskaya Oblast (Gebiet Wladimir) eines der Kernstücke altrussischer Historie.

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Wieder ein neues Stück Russland erreicht: die Wladimir - Oblast; mit 29.000 Quadratkilometer so groß wie Brandenburg, und mit 1,4 Mio Bewohnern immerhin größer als die Republick Estland.

Eigentlich wollte ich noch einiges über das Moskauer Land berichten, schaffte es aber einfach nicht, zu sehr beanspruchte das Wandern, Überleben und Durchkommen den Alltag auf der großen Straße.
Heiß ist es momentan im Alt-Russischen Herzland, weit und flach, vielleicht auch etwas langweilig weil nun viel dünner besiedelt die flachen Waldlandschften noch eintöniger wirken.
Das dachten auch schon vor 950 Jahren die Übersiedler aus dem eigentlich viel fruchtbareren Gebiet der südlichen Kiever Ebenen, wo allerdings permanente Überfälle türkischer Nomaden die Sehnsucht nach Ruhe und Frieden viele Menschen in den Norden trieb.
Dort ins „Salessje“, dem Hinterwaldland war dan erstmal Frieden angesagt, neue Herrscher im neuen Land kultivierten die damalige Siedlung Susdal zur regionalen Reichshauptstadt, gründeten nur wenig später 30 km südlich davon Wladimir-Stadt, auf einem einsamen Hügel der fantastischen Übersicht wegen.

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Weites, plattes Waldland. Von hier oben aber mit Übersicht in die Ferne um auch hier allerlei Eroberer früh genug zu erkennen...

Ein wichtiges Zwischenziel auch auf meinem „Camino Russa“, die Stadt Wladimir, (345.000 Einwohner) 180 km östlich von Moskau. Einst der mächtigste ostslavische Staat, gilt der Wladimir Rus, (Fürstentum Wladimir-Susdal) zudem als Wiege der großrussischen Sprachentwicklung.
Auch wenn dieses Reich wenig später auch hier oben in den unendlichen Wäldern letztlich keine Ruhe fand, erst durch die Belagerung und Zerstörungen der Mongolen im Hochmittelalter, dann wegen innerer Kämpfe, final übergehend ins spätere Moskauer Reich (Moskau – ein Kind Susdals…), besteht seine Größe noch bis heute im historischen Bewusstseins der Russen.
Die Großstadt Wladimir als auch das (heute) viel kleinere Susdal sind ganz wichtige Touristenorte im Land, selbst die berüchtigten Chinesen-Reisegruppen tauchen hier wieder auf.

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Kennt jeder aus dem russischen Geschichtsunterricht: Die Mariä Entschlafungs Kathedrale (was auch immer das heißen mag) und weiter rechts die kleinere Demetrius Kirche in Wladimir-Stadt.

Aber erstmal hier anzukommen war schon ein hartes Stück:

Wie eben im Mittelalter (oder davor) war – und ist es noch heute, ein wahres Abenteuer all diese Orte rein zu Fuß zu erreichen.
Ob wie damals auf den alten Pflasterwegen, erstmals angelegt vor 500 Jahren, oder den uralten Trampelpfaden, den ersten Straßen überhaupt, bewegt sich der Mensch mit den eigenen Füßen einfach viel authentischer fort, viel intensiver als jemals mit dem Auto, der Bahn oder selbst dem Fahrrad….
Dieser ureigene Kampf, lediglich zwischen Schuhsohle und all den Kilometern ausgetragen, kombiniert mit all diesen eben eintönigen Stunden einer ur-menschlichen Langsamkeit, lässt es mich immer wieder faszinierend feststellen: Heute diese hypermobilisierte Welt zu Fuß zu „erobern“ dürfte noch ein wirkliches Abenteuer sein.
Bonusmeilen, AIDA-Seemeilen, oder ausdauernd im Sitz des Globetrotter-Wohnmobils, alles hat seinen Platz, seinen Reiz, nichts ist besser oder schlechter, aber letztlich schlägt es sich zu Fuß doch noch so komplett andersartig übers Land …. eben so wie noch zu Zeiten der großen Entdecker …

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Heißhunger-Attake im reinsten Chaos von Lakinsk, einem Ort wo es auf jeden Meter zu dramatischsten Sachen kommt, Mega-Baustelle kilometerweit; LKW's, Autos, Bagger, alles kämpft um jeden Zentimeter, Fußgänger retten sich kletternd davon, irgendwo dazwischen denn ich + Wanderwagen.

Immer wilder wurde es auf der Straße nach Osten.
Vorher hatte ich im Ort Petuschki noch keine Ahnung was auf dem „Higway to Hell“ alles so kommt…

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Die 14.000 Einwohnerstadt Petuschki versucht mit Blumenkübeln wenigstens punktuell etwas schöner zu sein. Hier scheiterte ich (mal wieder) an der Sprachbarriere im Handyladen, konnte es nicht mit neuen Guthaben aufladen.

Auch wenn’s sich ganz einfach anhört: Im Sommer wandern, ist viel einfacher als im Winter…. stimmt nicht, ich schwitze wie ein Wildschwein (sagte mein Papa immer so…) und wie gesagt, mal im Busch Pipi machen (schlimmer noch mehr..) – mission impossible – eben der allgegenwärtigen (!) Moskitos wegen, ist kaum möglich.
Dank Mc Donalds, alle 10 km hier auch in Russland, gehts besser auf den immer schön sauberen Toiletten (besonders nach einem Cappuccino am Morgen) – wobei ich es im Wald lieber mag, aber eben ohne ca 10 Mückenstiche am Allerwertesten, pro Sitzung.
Die Körperhygiene läuft gut dank einer stets gefüllten Plastikpulle (leere Mineralwasserflaschen, aufgefüllt mit Leitungswasser) solange ich Abends am Zelt bei der Outdoorwäsche nicht zerlegt werde von allerlei Blutfliegen und Co… suche mir deshalb ja immer eine ganz große Wiese, wo die Viecher nicht sind.

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Abseits der Straße ist dann Ruhe: Mückenplagen sind hier draußen mitten auf der Wiese kein Problem mehr.

Aber mittlweweile stinkt einfach alles; die Klamotten stehen nahezu von selbst, kann sie nicht einfach mal waschen…. wo trocknen und überhaupt wann?
10 Stunden täglich sind nötig um 30 Kilometer bei der Hitze einigermaßen gut zu schaffen. Internetkram kommt noch spontan dazwischen wenn mal eine Tankstelle mit Cafe + WiFi wirbt (letzeres dann aber nicht funktioniert).

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Wieder reich gedekt, das Buffet Wanderleben. Erst nackt machen, mit Wasser abreiben, abtrocknen, und dann rann ans Buffet.... danach baue ich das Zelt weiter hinten im hohen Gras auf und schlafe sofort weg.

Mindestens 15 Euro vertilge ich täglich, wobei die Preise in den Läden dank des Rubelsturzes für mich einigermaßen billig sind, verputze ich dafür unangenehm riesige Mengen; zwischen 4500 und 6000 (!) Kalorien zähle ich gut und gern nach einen ganz normalen Wandertag… reichlich Bier kommt noch dazu.

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Extreme Wetterumbrüche, so wie hier bei der Ankunft in Wladimir überraschen mich immer wieder. Weltuntergänge in 30 Minuten; Straßen werden zu Flüssen, Gullys laufen komplett über. Wanderwagen und Wanderer retten sich in letzter Sekunde unter Plastikplanen und Regenponscho...

So, jetzt noch einige Eindrücke aus Wladimir, wo ich jetzt ganze zwei Tage bleibe, zu Gast bei einer tollen Familie die sich für mein Wanderprojekt begeistern.
Wladimir: Mal ein echt historischer Leckerbissen im ansonsten sozialistischen Einerlei vieler, vieler Kilometer….

Uff, da sitze ich nun …. treffe Anna und ihren Freund erst gegen Abend, ruhe mich jetzt einfach nur aus soviel es geht…. hier in Wladimir, genau auf Kilometer Nr. 1098 in Russland.

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So schwarz wie ich aussehe, fühle ich mich auch; 180 km dauer-wandern seit Moskau, bei der Affenhitze haut auch den stärksten Russen um ...