Soll man meinen; die Megastraße zwischen den Metropolen gilt als Russlands wildeste Piste; Laster im Sekundentakt, und ich höre sie schon…. die Verheißung moskitofreier, aber ohrenbetäubender Mobilitätsextreme unserer Zeit.
Ich kehre ein, fünf km hinter Torzhok auf die M10, eigentlich Autobahn, aber mit Erlaubnis hier zu gehen…
Nur 10 km und ich bin in einem anderen Russland: Wiese, Weite, keine Mücken…. ich glaub es nicht, einfach keine Blutsauger, selbst beim Waschen mit der Plastikpulle, total nackt neben dem Zelt.
Das ist Sommer wie im Pardies, dafür dröhnt eben permanent die Blechlawine keine 100 Meter weit. Der Pulli übers Ohr gelegt über Nacht schafft Abhilfe.
30.06.2016
Klare Richtung heute: Moskau.
Das liegt immer geradeaus längs des Highway to Hell, und ich genieße es, ja, ich genieße es mit jedem Truck auf Tuchfühlung, den Staub ins Gesicht gewirbelt zu kriegen, zu sehen dass die wenigen, dennoch vorhandenen Stechfliegen einfach von Lärm und Wirbel davongepustet werden.
Überhaupt, alle paar Kilometer gibts Tankstellen, Esslokale oder Straßendörfer mit Läden wo die Versorgung mit „High Zivilisation“ mal ganz anders aussieht; Cappuccino hier, eine eiskalte Cola da… und das alles zu Schleuderpreisen.
Trotzdem halte ich die Strecke im Auge, will heute noch ganze 35 km rocken ……
Raus aus der grünen Hölle, denke ich hier in meiner Blase, gut geschützt vor dieser komischen Umwelt da Draußen… ganze zwei Moskitos schafften ins Zimmer einzudringen. Keine Chance meinem mittlerweile hoch kultivierten Killerinstinkt zu entkommen.
Auf zum nächsten Abenteuer: Eine Busfahrt zum nächsten Ziel auftreiben, was 130 km hinter den Sümpfen und Buschwäldern liegt; Torzhok, eine Stadt am Higway to Hell… oder eben nach Moskau….
Natürlich spricht keiner in diesem sozialistischen Beton-Ungetüm, am Hafen des Seligersees, nur im Ansatz Englisch, was aber egal ist; große Hilfsbereitschaft baut die Brücken dort wo sie gebraucht werden. Mit Ach & Krach findet sich der Wanderwagen schnell zerlegt im Kofferraum & Rücksitz des Taxis wieder; in acht Minuten geht der Bus los….
Auch dort, alles ganz einfach. Der Bollerwagen, dafür gemacht schnell zerlegt zu werden, hat genug Platz im Gepäckraum des alten, deutschen Überlandbusses. „Bitte wärend der Fahrt nicht mit dem Wagenführer sprechen“ lese ich noch drinnen, direkt daneben baumeln orthodoxe Devotionalien, sowie Hammer und Sichel als Aufkleber darüber.
Wie ich das genieße; drei Tagesetappen spulen sich mal soeben in 70 Minuten ab, und dabei „schummele“ ich noch nichteinmal; der Umweg über die Sumpfwälder wäre seit Novgorod viel länger ausgefallen als ginge ich von dort direkt auf dem Highway nach Moskau weiter. Der direkte Weg von Petersburg nach Moskva ist 720 km lang, mein Weg über Staraja Russa allerdings genau 1000 km.
Also, 130 km mehr oder weniger, auch Wurscht.
Der liebe Ulrich, ein ferner Bekannter meines damaligen Jakobsweges, schrieb kürzlich: Fahre doch in den letzten Tagen deiner Visazeit einfach mit dem Zug, weiter bis Wladiwostok. So könnte ich es doch schaffen….
Das wäre natürlich zu viel der guten Fahrdienste, und verbuche seine Spende weiterhin im Tagesgeschäft meines fußläufigen Wanderlebens.
Danke aber so sehr Ulrich, für deine wichtige Hilfe 🙂
Torzhok ist nun das Tor zur nächsten, aber hoffentlich verträglicheren Hölle: Die Superstraße nach Moskau mit Russlands höchster Verkehrsdichte, verläuft am Stadtrand vorbei, sitze jetzt noch ehrfürchtig am Ortsausgang in einem Cafe, fürchte mich vor den grausamen Blicken der böse gelaunten Bedienung hier.
Auch eine typische Seite russischem Miteinanders, woran man sich aber gut gewöhnt wenn es nicht falsch verstanden wird.
Nur 10 km will ich heute aus der Stadt hinaus, suche mir dann ein schönes Plätzchen am Acker und trinke eine 0,7 L Pulle Heineken.
Die Vorräte sind nicht üppig, 65 km bis zur Großstadt Tver sind überschaubar, und hier und da gibts Tankstellen zur Versorgung.