Flucht aus dem Busch ….

29.06.2016

Raus aus der grünen Hölle, denke ich hier in meiner Blase, gut geschützt vor dieser komischen Umwelt da Draußen… ganze zwei Moskitos schafften ins Zimmer einzudringen. Keine Chance meinem mittlerweile hoch kultivierten Killerinstinkt zu entkommen.

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Eine Burg aus Plastik, Rigips und Presspan in Lack: Das Hotel "гостеой Аом" in Ostashkov kurierte mich zwei Tage lang.

Auf zum nächsten Abenteuer: Eine Busfahrt zum nächsten Ziel auftreiben, was 130 km hinter den Sümpfen und Buschwäldern liegt; Torzhok, eine Stadt am Higway to Hell… oder eben nach Moskau….
Natürlich spricht keiner in diesem sozialistischen Beton-Ungetüm, am Hafen des Seligersees, nur im Ansatz Englisch, was aber egal ist; große Hilfsbereitschaft baut die Brücken dort wo sie gebraucht werden. Mit Ach & Krach findet sich der Wanderwagen schnell zerlegt im Kofferraum & Rücksitz des Taxis wieder; in acht Minuten geht der Bus los….

Auch dort, alles ganz einfach. Der Bollerwagen, dafür gemacht schnell zerlegt zu werden, hat genug Platz im Gepäckraum des alten, deutschen Überlandbusses. „Bitte wärend der Fahrt nicht mit dem Wagenführer sprechen“ lese ich noch drinnen, direkt daneben baumeln orthodoxe Devotionalien, sowie Hammer und Sichel als Aufkleber darüber.

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Was für ein Gefühl: Erleichterung und Stolz die Dinge zu bewältigen; 77 km wieder kein Dorf, nur ewig grünes Einerlei mit Hühnergroßen Moskitos jeden Meter.

Wie ich das genieße; drei Tagesetappen spulen sich mal soeben in 70 Minuten ab, und dabei „schummele“ ich noch nichteinmal; der Umweg über die Sumpfwälder wäre seit Novgorod viel länger ausgefallen als ginge ich von dort direkt auf dem Highway nach Moskau weiter. Der direkte Weg von Petersburg nach Moskva ist 720 km lang, mein Weg über Staraja Russa allerdings genau 1000 km.
Also, 130 km mehr oder weniger, auch Wurscht.
Der liebe Ulrich, ein ferner Bekannter meines damaligen Jakobsweges, schrieb kürzlich: Fahre doch in den letzten Tagen deiner Visazeit einfach mit dem Zug, weiter bis Wladiwostok. So könnte ich es doch schaffen….
Das wäre natürlich zu viel der guten Fahrdienste, und verbuche seine Spende weiterhin im Tagesgeschäft meines fußläufigen Wanderlebens.
Danke aber so sehr Ulrich, für deine wichtige Hilfe 🙂

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Angekommen in der 46.000 Einwohnerstadt Torzhok.

Torzhok ist nun das Tor zur nächsten, aber hoffentlich verträglicheren Hölle: Die Superstraße nach Moskau mit Russlands höchster Verkehrsdichte, verläuft am Stadtrand vorbei, sitze jetzt noch ehrfürchtig am Ortsausgang in einem Cafe, fürchte mich vor den grausamen Blicken der böse gelaunten Bedienung hier.
Auch eine typische Seite russischem Miteinanders, woran man sich aber gut gewöhnt wenn es nicht falsch verstanden wird.

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Auch Torzhok hat viele alte Kirchen, ist sogar um einige, wenige Jahre älter als das große Moskau.

Nur 10 km will ich heute aus der Stadt hinaus, suche mir dann ein schönes Plätzchen am Acker und trinke eine 0,7 L Pulle Heineken.
Die Vorräte sind nicht üppig, 65 km bis zur Großstadt Tver sind überschaubar, und hier und da gibts Tankstellen zur Versorgung.