Post von Vlad aus Staraja Russa…

Och wie weit ist das schonwieder weg?
250 km bestimmt, Staraja Russa ganz tief in der Pampa….  welch tolle Erinnerungen aber.
Danach kam ja die Ochsentour durch den Jungel „Staraja Moskito“…. uff.

Vlad schickte mir noch einen ganzen Schwall Bilder die er damals machte, wollte die noch hier mal zeigen.

In Memory of Staraja Russa, Tamara und feines Salz.

Ab ins Niemandsland…

22.06.2016

Hinter Staraja Russa soll mal eine kleine Kostprobe für Sibirien folgen; endlose Kilometer kein Garnichts, ok, Wald, Wald, und nochmals Wald. Wenn auch nur dichter Birken-Zitterpappel-Weiden Buschwald, manchmal ragen die dünnen Bäume hoch, öfter eben nur als undefinierbare, dichte Sichtsperre links und rechts; grüne Hölle undurchdringlichen Sumpfdickichts. Fliegenplage und natürlich schwarmweise Mückenattacken sind hier schon eingeplant; fettig, dick eingeschmiert mit diesem  Anti-Moskito Zeug, hält es sich einigermaßen aus auf all die Meilen der Busch-wäldlichen Eintönigkeit.

Besonders schwer wiegt heute der Wanderwagen: fünf große Wasserpullen, eine dicke Bierflasche (2.l) Tonnenweise Esszeug aus den Regalen des Kaufladens, und Tamaras guter Gartenwein, selbstgemacht aus irgendwelchen roten Beeren, in gleich zwei Verschlussflaschen darf ich als Andenken mitnehmen.

So wirklich weit komme ich an diesem verregneten Geburtstag nicht, spät erst schaffte ich den Absprung aus der Stadt, schlürfte noch einen letzten Cappuccino im hintersten Cafe, bei den Thermalbädern, nutzte noch einmal ganz feste das WiFi um mit Mama zu „scypen“, ihr zu erzählen, dass es sehr bald erstmal länger Funkstille gibt.
Der Blick auf die Landkarte lässt es ahnen; mein Weg, etwas abseits der Mega-Straße zwischen Petersburg und Moskau kommt da eben wirklich sehr verlassen rüber.
Etwas später merke ich das schon deutlich allein daran, dass selbst kaum eine Handyverbindung klappt; Freund Georg auf dem Jakobsweg in Frankreich, schaffte lediglich wenige Minuten bevor die Leitung nachhaltig zusammenbrach.

Funkstille am mittlerweile sonnigen Abend im Zelt. Leider.
Sicherlich hatten nicht wenige versucht mich gerade heute einmal anzurufen. Und gerade jetzt muss ich unbedingt hier in der tiefsten Pampa meinen wohl einsamsten Geburtstag feiern denn je. Egal, Tamaras Wein und ganz viele Schlemmerreien machen den Abend im Zelt unvergesslich. Draußen schwirren Trillionen Mücken, drinnen relaxe ich bei zuvor gespeicherten Tageschau Filmen auf dem Tablet-PC.
Abgeschnitten von all den digitalen Alltäglichkeiten…. mal ganz schlimm, mal ganz speziell anders….

23.06.2016

Die Sonne dämpft einem schnell aus dem Zelt. Schon um sieben bin ich wieder auf dem Asphalt, das nächste Dorf, Rameshevo besteht nur aus wenige Holzhäuser, alles Privat hier, kein Laden.
Der allgegenwärtige Wald, zig Kilometer lang, mag zwar eine gewisse Deckung erahnen, aber mitnichten taugt die grüne Hölle selbst für die Notdurft; im nu fiehlen dutzende Mücken über das soeben entblößte Gesäß her, wie schonmal passiert. Einmal und nie weider!!!
Also dann ein Blick nach hinten, einen nach vorn: Kein Auto, ich bin völlig allein auf der einsamen Straße nach Zaluchye.
Stehen bleiben, Hose runter und krachen lassen. Fertig.

So habs ich noch nie gemacht… die Erleichterung lässt mich nahezu schweben.
Viel später komme ich im Kaff Zaluchye an, brauche dringend Wasser. Dreieinhalb Liter hatte ich gestern allein schon verbraucht.

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Abenteuerlich: Mit dem Wörterbuch jedes einzelne Stück bitte aufsagen, nur dann bekomme ich es auch.... ein schweres Stück Arbeit bier im Tante Emmaladen von Zaluchye.

Noch 49 Kilometer bis zum nächsten Ort.
Demyansk will ich morgen noch erreichen, allein schon weil die Vorräte einfach nicht reichen für zwei Wandertage. Bei der Hitze von fast 30 Grad, schutzlos in der Sonne die Kilometer hauen, das fordert literweise Wasser. Und Abends noch wohlverdient lecker Bier.

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Leben hier überhaupt welche? Typische Holzsiedlungen, alle paar Kilometer mitten im weiten Niemandsland.
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Auf einmal mitten im Nirgendwo taucht dieser einladende Holzverschlag auf. Ein Pause für Leib und Seele.

Die Straße fimmert in der Hitze, alle 10-15 Minuten kommt mal ein alter Lada oder Kamaz-LKW vorbeigedröhnt. Jetzt mal ein knatternder Roller, den ich schon aus anderthalb Kilometern sehe, stellt sich nahezu quer vor mich und zwei sonnengegärbte, ausgezehrte Herrschaften wollen unbedingt alles über mich wissen, natürlich nur auf russisch. Was ich so stammeln kann, nützt garnichts, ich soll erstmal einen Schluck Fusel aus ihrer alten 1,5.l Plastik-Colapulle nehmen.
Die beiden sind total besoffen, ein ca 25 jähriger sowie ein viel älterer, ca 60, stammeln unaufhörlich irgendein Stuss, wobei ich offenkundig weiter will.
Der jüngere, in dieser typisch trunkenhaft agressiven Freundlichkeit, hält mich etwas zu sehr fest, fragt immer irgendwas mit „Germania“   – ich antworte „Australia, i,m Australian.
Das verwirrt und entschärft; Australien kennt zwar hier jeder Bauer, aber so recht anfangen kann damit hier draußen kaum jemand was.
Jedenfalls wissen sie dass es schonmal nicht amerikanisch ist.
Gefährlich: Russische Saufbrüder können schnell heftige Stimmungsschwankungen bekommen, sollte ihnen mal ein Deutscher oder Ami ins Netz gehen. In allen Fällen natürlich (erstmal) nicht im negativen, aber frühestens beim Ausschlagen einer Sauf-Einladung, oder ähnlichem, kippt gern dann mal die Stimmung.
So sehr die Russen uns Deutsche auch positiv wahrnehmen, so schnell wird auch klar wie schmal der Grad werden kann, eben bei den ganz Einfachen Leuten hier auf dem Land. Besonders bei 2,5 Promille.
Ich ziehe meine souveräne Nummer durch, lass die beiden stehen, Grüße nochmal und marschiere stramm weiter. Herzklopfen. Kommen die jetzt hinterher?
Was mache ich dann?
Hier draußen bin ich eigentlich völlig schutzlos…. der Jüngere plappert laut und ungestüm immer ferner hinter mir.
Irgendwann höre ich sie nicht mehr, der Spuk ist vorbei.

Das Anti-Mückenmittel sorgt dafür, nicht als blutleerer Windvogel zu enden. Ich reibe mich nochmal kräftig ein, denn gleich am Zelt muss ich mich umbedingt komplett frei machen, mich abwaschen weil ich extrem verschwitzt so nicht schlafen kann.
Dazu habe ich zuvor eine der leeren Plastikpullen meines Getränkevorrats mit diesem komisch, braunen Flusswasser abgefüllt. Zum Waschen soll das ja schon gehen.
Schnell steht das Zelt, natürlich im gewohnten Wirbel aus Fliegen und Mücken, und wieder muss alles ganz schnell gehen: Alles runter, Hosen aus und das gelbe Wasser aus dem Fluss über den Kopp….. Seife dazu und schrubbeln….. es sirrt und schwirrt, die Blutsauger geraten in einem wahren Rausch, wirbeln nur so um meinen nackten Leib, doch ich schaffe es, schleuder mit dem Handtuch wärend ich abtrockne umher, stürze nackt ins Zelt, alle Schotten dicht.
Durchatmen, fünf Mücken erschlagen die es hinein schafften, Ordnung machen, Matratze aufblasen.
Bier auf!

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Musste einfach sein: Ungewaschen nach 10 Stunden Hitzewandern ins Bett? Da wage ich eine Flaschendusche in der Moskitohölle, schaffte es sogar das Handy entsprechend einzustellen für den Beweis.