Was freue ich mich auf die einsame Straße von Jäneda hinaus nach Tapa… noch kürzlich ging ich hier, aber ohne Wanderwagen zum abgelegenen Bahnhof, dort in den Zug nach Tallinn (Flughafen). Und nun wandere ich wieder hier.
Zum Glück bin ich damals nicht bis Tapa gezogen, wollte ja eigentlich dort den Wanderwagen lassen, weil Tapa ja eine Stadt ist und womöglich bessere Konditionen zur Zwischenstation meines wuchtigen Gepäcks bietet.
Von wegen, welch ein Glück zuvor in Jäneda geblieben zu sein; Tapa wirkt erst gewohnt trist, mit weißgrauen Sozialbauten, vier Stock hoch und selbst beim gleißenster Sonnenflut immernoch trostlos.
Komischerweise sind im jedem Fenster aber Gardienen, oder sonstige Lebensspuren, also wohnen hier auch viele Leute.
Die tummeln sich teils besoffen im Park zwischen der Jakobi Kirche und Bahnhof, die einen wie betäubt sitzend auf der Bank, die anderen laut erzählend fast schon hyperaktiv gestikulierend.
Ich halte Abstand und kaufe erstmal im zentralen Kaufhaus ein. Für 12 Euro füllt sich die Wanderwagen-Vorratskammer komplett voll.
Lust auf ein Kaffee?
Lust auf Internet? (Mit Mama sprechen)
Keine Chance, ich streife im Ort umher und finde nur eine winzige Pizzeria ohne Räumlichkeit, aber Stadtauswärts doch noch eine Kneipe.
Russischer Pop und hölzerne Einrichtung lassen ahnen eine Mini Russendisko gefunden zu haben. Auch ein einsamer, sehr offensichtlich komplett alkoholisierter Typ bereichert die Szenerie.
Der ist gerade noch in der Lage von der Holzstufe aufzustehen und mich anzulallen, „American?“
Abgelenkt mein WiFi zu generieren sage ich schlicht „yep“ und kann gerade noch ausweichen…. ein wirrer Hieb seines dünnen Armes unter schimpfung „Russia down“ … „America fuck Russia“ wollte mich treffen, doch die ruppigen zwei Frauen hinter’m Tresen sind blitzschnell zur Stelle; „Sasha“, so verstehe ich, soll sich ganz schnell vom Acker machen und die ausgezehrte, dünne Gestalt war plötzlich verschwunden.
Uff, ein Vorgeschmäckle auf Russland?
Wir werden sehen …
Traumhaft, es weht ein sanfter, warmer Wind und die Sicht ist weit. Ich achte stets darauf nicht immer die Arme und Beine frei zu machen, damit nicht wieder die Haut gebraten, tagelang schmerzt…
„Hotel California“ von den Eagles spiele ich im Geiste, kenne das alte Lied auswendig seit meiner Kindheit und wandere meinen Traum; vielleicht schaffe ich es wirklich bis „California“ …. noch gut 55.000 km bis dahin (hab die Welt-Wanderroute bereits gut ausgetüftelt)
Abseits der total verlassenen Landstraße (von Saksi nach Porkuni) entdecke ich einen steilen Pfad, hinauf auf ein sattgelbes Rapsfeld am Rande des allgegenwärtigen Waldes.
Ein perfekter Platz, gut geschützt auf weichem Gras für die Nacht.
Voll und üppig gefüllt auch die „Speisetasche“ vorn am Wanderwagen.
Jetzt muss ich mich nur noch an die mittlerweile Milliarden geschlüpften Mücken gewöhnen, esse, trinke, genieße, aber erlege insgesamt 14 Plagegeister mit bloßer Hand, kassiere nur drei Stiche und verfüttere sie am Ameisenhaufen, 10 Meter vor dem Zelt.