Hineinspaziert in die Megalopolis

Was nahezu jeder entweder mit Bus, Bahn, Auto oder Flieger macht, erledige ich zu Fuß: Rein in die größte Stadt des Kontinents, Moskau begrüßt mit Hochhäuserfronten und Mega-Shoppingmalls, gewaltigen Wirrungen sich windener Autobahnen wo mir nichts anderes übrig bleibt, so zu tun als wäre es das normalste der Welt fußläufig in so eine Stadt einzudringen.

In einer Welt der Autos und schnellstmöglichen Lifts, extrem der natürlich, menschlichen Langsamkeit entwöhnt, ist es ja klar dass hier rein garnichts für Fußgänger, oder Radfahrer organisiert ist.
Keinen einzigen Radler sehe ich hier im Eingang zum urbanen Chaos, das lediglich und ganz allein eine wilde Arena des Automobils bleibt. Änderung nicht ansatzweise in Sicht.

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Immer weniger Platz, fast schon unmöglich erscheint irgendein Weg zu Fuß nach Moskau hinein.

Aber genau das ist es: Ein wirkliches Abenteuer in unserer heutigen Zeit; es zu schaffen rein zu Fuß durch diese Welt zu kommen.
Schon diese M10, die Fernstraße zwischen Moskau und Petersburg stellte mich all die Tage zuletzt vor fast (…) unlösbaren Aufgaben; Seitenstreifen mit seegroßen Pfützen nach den Wolkenbrüchen, teils mit tiefen Löchern, Leitplanken die todesgefährlich den ohnehin knappen Raum auf ein totales Minimum teilen, Baustellen mit abenteuerlichsten Aufgaben, dort es irgendwie zu schaffen auf Zentimetern nicht von einem 40-Tonner zerschmettert zu werden…

Doch es geht immer weiter. Irgendwie.

Chimky, der erste große Vorort Moskaus läutet nun entgültig ein großstädtisches Feeling ein, überall 20 – 25 stöckige Hochhäuser, viele noch im Rohbau zeugen vom Überlaufen der vollen Stadt Moskau.
Nun schwappt das nicht enden wollende Wachstum der Metropole weit über die administrativen Grenzen hinaus; Chimky, Balaschicha oder Reutov heißen die stark ins Umland greifenden Vororte, lassen Moskau nahezu unendlich ins weite Umland wachsen.

Einige Eindrücke aus Chimky, ganz weit draußen am Rande der Stadt:

Freitag Abend: Leider kein Bett in erreichbarer Umgebung. Wobei Anna aus Dolgoprudny mich über Couchsurfing eingeladen hat heute bei ihr zu nächtigen.
Keine Chance, der Blick auf die Landkarte führt zur Weißglut; kaum drei Kilometer Luftlinie entfernt, trennt dieser Moskau-Wolgakanal uns auf Lichtjahre…
Wie gesagt, keine Chance zu Fuß entweder über die Autobahnbrücke zu kommen, oder eben mit dem Zug. Dieser ist einfach zu eng für den dicken Wanderwagen, verzweifle daran dss es einfach völlig unmöglich ist dort drüben…. das andere Ufer ist zum Greifen nah, rüber zu machen.
Kein Weg, lediglich unglaubliche 10 – 12 Kilometer (!) kompliziertesten Umweges würden mich heut zu Anna führen.

Also dann, urban Camping ist angesagt, ziehe lang durch Grünanlagen umher, finde zwischen Schutt und gefällten Bäumen ein lausiges Plätzchen wo man zelten könnte… doch warum lungern gerade hier im Schlamm und Unrat diese komischen Typen herum?
Drei offenbar usbekische Männer sitzen da oben am Rande der hochgelegenen Straße und trinken Tee aus Termoflaschen. Kein noch so winziger Fleck hier ist unbewacht.
Entlang des eher verwilderten Weges am Kanal – drüben ragen riesige Wohnhochhäuser in den Himmel, ein ununterbrochenes Rauschen der Ringbahn, der vielspurigen Autobahn um Moskau, schallt durchs Dikicht.
Hier und da mal ein tiefer Busch, feucht und dunkel…. offensichtlich als Toilette für den einen oder anderen Spaziergänger genutzt, fällt als offenbar einzige Möglichkeit auch aus.
Ein noch wilderes Stück Buschwald, ab und zu mit altem Müll hier und da, lädt mich dann doch noch ein heute Nacht ungestört zu zelten.

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Auch das ist Moskau: Etwas Wildnis und schon ist ein Bett in der Stadt sicher.

Einfach auf der Parkwiese zelten geht ja bekanntlich nicht. Polizei, und schlimmer noch, Junkies, Besoffene oder Irre ziehe hier besonders Nachts ihre Bahnen.

09.07.2016.

Noch 20 Kilometer rein in die Stadt sind heute angesagt.
Ins Hostel will ich zuerst, bevor mich Gastgeber Evgheni bei sich aufnimmt, mag erstmal von allem pausieren wenn ich ankomme.

Weit außerhalb der Innenstadt, urbanes Allerlei des moskauer Nordwestens:

15 Kilometer weiter wirds dann dichter, aber nicht wirklich enger. Ich wundere mich über all den Platz und dem Raum hier in der Metropole; nur wenige Leute flanieren hier über die breiten Gehsteige, die Boulewards sind zwar reich an Verkehr aber schlimmer als in Berlin ist es hier nicht.
Überschaubar bleibt der urbane Jungle immernoch, es ist sauber hier, kaum Schlaglöcher und abgesehen von ständigen Unterführungen (ein Alptraum für Behinderte, Alte und Wanderwägen) läuft es sich perfekt auf breiten Wegen.

Ein Kaffee muss her. Ständig gibt es hier welche entlang dem Leningradsky Prospekt, Cafes mit WiFi, kann gut den Wanderwagen in Sichtweite vor’s große Fenster parken, bestelle den obligatorischen Cappuccino, der in Russland ja so gut ist, zahle dann aber satte 3,80€ für’s Tässchen….. uuuups, wilkommen in Moskau mit Metropolen Tarif. London & New York lassen grüßen. Der Alptraum eines jeden schmalen Portemonaies.

Jetzt muss ich mich klar verabschieden von (fast) allen gastronomischen Freuden. Sehr teuer kommt es jetzt, dieses weltweite Spiel über eine unfassbare (un)Moral, durch Horrormieten entsprechende Preise zu erzwingen.
Wie in nahezu jeder Metropole zwingen die oft sehr vermögenden Eigentümer ihre Mieter zu astronomischer Geldbeschaffung.
So eben das Bier oder der Kaffee, was dann dreimal oder fünfmal so viel kostet wie sonst im Lande, um die vielen hundert Prozente (Bier, Essen, Kaffe, kosten selbst nicht viel, – Personal erst recht) an Überschuss von unten nach oben auf’s einen der Kontos der reichen Immobilien Besitzer zu verteilen.

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Der Weg führt auch durch die Tverskaya, Moskaus reiche Meile in Richtung Kreml und roten Platz.
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Jetzt wirds heiß: Ich bin ganz aufgeregt....nach so langer Wanderung ist es in Sichtweite, da drüben durch's Tor zu erkennen: Das finale Herz der Stadt und des ganzen Landes.
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Und nochmal, weils so schön war. Angekommen in der Mitte des Zentrums. Wer kennt es nicht?

Selten bin ich so aufgeregt wie eben heute an diesem (roten) Platz, direkt im Kreml mit seiner weltbrühmten Kulisse der Basilius Kathedrale.
Genau hier fängt auch wieder total der Tourismus an, bahne mir den Weg durch die weltweit allgegenwärtigen China-Reisegruppen, laufe magnetisch angezogen auf diese Zwiebeltürme zu, bin total bewegt, total glücklich.

Was für ein Gefühl nach MOSKAU gewandert zu sein.

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