Die neuen Kathedralen unserer Zeit…

Moskau ( 16 Mio Einwohner ) 12.07.2016.

Gestern war ich ja im modernen Moskau unterwegs, zugegeben etwas faul in futuristischen Ambiente aus Stahl, Glas und Neonlichter, die billigen Kalorien von Mc Donalds notgedrungen essend, da hier in dieser eigentlich sehr teuren Stadt die anderen Gerichte in all den unzähligen Lokalen, zwar mit 10 – 12 Euro nicht so astronomisch teuer wie in Paris sind, aber in ihrer Winzigkeit eine Lupe erfordern; das russische Klischee von sich biegenden Tischen, deftigen Portionen und randvollen Krügen war wohl sicherlich zu Juri von Susdals Zeiten existent, aber heute im mondänen Moskau eine Sache die man suchen muss.

So richtig satt wurde ich bei dem ohnehin heiklen Drahtseilakt zwischen Super-low-Level Budget und erfüllender Gastronomie bisher hier nie.
Wie überall auf der Welt, vor allem in den Metropolen simuliert sich eine künstliche Mangelwirtschaft zu unverhältnismäßigen Preis-Leistungs Orgien, die allerdings eher auf ein rituelles, ästhetisches Kunstwerk auf den schwungvoll desigeten Tellern schließen lassen, und die Nahrungsaufnahme eher zur Nebensache degradiert.
Gefällt mir ja auch mal.
Aber wenn doch der Hunger da ist, was dann?
Hab doch nur 62 Kilo… seufz…

Noch günstig ist Moskau da wo es am modernsten ist, in den Mega Shopping Malls, wo Masse vor Klasse irgendwie (fast) jeden bedient, freie Toiletten, billiges Fast Food, (Pop)Musik beschallung, freies Internet (WiFi) und jede Menge Leute gucken wirkt wie ein Urlaub auf dem Clubschiff AIDA.
Abschalten und Gehirn Zuhause lassen…. das tut auch mal gut.

image
Europas gewaltigste Shopping-Mall, der riesige Aviapark. Erst vor zwei Jahren eröffnet, ein Magnet für Menschen, wie eine neue Kirche des Konsums die Massen berauschend.... ein spannendes Thema unserer Zeit ...
image
Hier gehen die Moskauer hin, und kaum ein Tourist. In den Irrwegen der Monster-Mall sich treiben lassen, sich einfach verlieren in schwirrender Gemütlichkeit.
image
Und dann ein Käffchen mit Korallenriff-Blick. Unglaublich, ein 20 Meter hoher Meerwasser - Aqua-Zylinder inmitten des Einkaufparks. Die Fische sind echt, die Korallen allerdings aus Plastik.

So ganz neu ist das Phänomen allerdings auch nicht.
Ich ziehe weiter um die Mutter aller Shopping Malls zu finden, was ganz leicht ist; gleich direkt am Roten Platz prangt stolz und voller Prunk das alte, ehrwürdige GUM Warenhaus.
Streng genommen eher eine Ur-Shopping Mall, weil in ihrer Architektur der heutigen, modernen Glaspaläste immernoch sehr ähnlich, wenn auch in einem faszinierenden Charme nostalgischer Elemente aus Großmutters Zeiten.

image
Unferfehlbar, die weißlichen Fassaden des weltberühmten GUM Kaufhauses, direkt gegenüber vom Lenin Mausoleum am Roten Platz. Seit über 100 Jahre die Top Adresse der feinen Moskauer.
image
Dennoch den Vorbildern aus Milano und Paris in den 1880ern nachempfunden, das "Glawny Uniwersalny Magasin" (GUM) was "Hauptwarenhaus" heißt, erlebte schon viel; unter den Zaren erbaut, war es lange Zeit bei den Kommunisten geschlossen und Verwaltungsgebäude, dann nach und nach wieder ein Gegengewicht des heimlichen Kapitalismus in der UdSSR zu Berlin und Co.
image
Bis hier trugen mich meine Treter....auf mondänen, geschliffenen Kalksteinfliesen wandel ich umher, träume von einem Espresso dort hinten, für drei Euro ...
image
Und noch ein Bild vom Roten Platz... der eigentlich viel später aufgrund seiner politischen Geographie als "Rot" betietelt wird; schon ganz weit vor Marx & Engels nannte man diese zentrale Fläche einfach "schönen Platz" was in der russischen Sprache eben synonym mit der Farbe "Rot" ist. Wie der Zufall es wollte passte das Rot dann Jarhunderte später eben auch zur Politik. (Bild von der Basilius Kirche aus mit Blick über den Platz)

Mega – Malls, sozialostische Bausubstanz, orthodoxer Schnörkel, Zwiebeltürme und ab und zu eine dröhnende Tupolev am Himmel… Moskau ist sowas von stark, dermaßen persönlich, identitätsvoll… ich bin begeistert.

Kommentar verfassen