600 km durch Deutschland (16.10.2015) Dorf Evessen.

Mann, ist das ein Scheißwetter…. Dauerregen ohne Ende, hält mich aber nicht auf; noch durch Braunschweig satte 10 Kilometer verirre ich mich sowas von und verliere mindestens anderthalb Stunden…. Posten für meine Website kann ich auch vergessen, gut ein-zwei Stunden brauche ich allein dafür, habe schon gottseidank Couchsurfing verwaltet und einen neuen Gastgeber 38 km weiter in Schöningen gefunden. Der rief mich schon sofort an und die Sache war klar. Also los, noch mit Mama telefonieren (30 min) dann Einkaufen: (((Ausgaben: 3 € bei Lidl für Orangensaft, Aufschnitt, Wasser…. /gestern lebte ich komplett von Mannes Kühlschrank))) dann 30 min Essen, dann weiter…. oh Backe: schon unglaubliche ZWÖLF UHR !!! – Und in 38 Kilometern wartet schon jemand auf mich für heute…. maximal sieben Stunden Zeit bis zum dunkelwerden, danach ist nix mehr mit “Roadwalking” …. zu dunkel, zu abgefahren knallen die LKW selbst über die Dorfstraßen…. gut eingepackt in Gummiplanen walke ich die Kilometer ab bei permanenten Dauerregen, mache noch dazwischen das Telefon-Interviev mit der Braunschweiger Zeitung. Doch ohne Tunnelblick: Im Kaff Evessen fällt dieser “Tumulus” auf, ein prähistorischer Grabhügel aus einer Zeit noch vor 4000 Jahren…. obendrauf diese fette Linde. Die umschreite ich mehrmals, fasse den uralten Holzleib an und schätze den Baum auf ca 550 Jahren Lebensalter. Sowas haut mich immer um, lasse mir die Zeit die solch ein Ort fordert. Deshalb renne ich wieder gegen die Uhr zum nächsten “Termin” renne und renne…. Wanderleben = Lotterleben? Schön wärs, ich komm zu spät, ich komm zu spät ..

600 km zu Fuß durch Deutschland (15.10.2015) Stadt: Braunschweig

Einen Tag für Braunschweig: Durch die Alstadt in den modernen Einkaufspark “Schloss Arkaden” endlich dem fiesen Dauerregen entfliehen. Spannende Begegnungen mit Leute und der Stadt selbst finde ich hier, an dem Stand “Braunschweig 2030” – besser Leben“ diskutiere ich mit Studenten über das was heute und morgen wichtig ist in solchen Städten. Zu nörgeln hat der Passant bekanntlich ja genug, nicht würdig schon all das erreichte, nicht gesehen (oder nicht gewollt) das was alles funktioniert. Der Dialog mit den Bürgern kann aber auch anders, erkennen was wichtig ist, kritisch bleiben aber nicht vergessen was bereits gut läuft oder gelaufen ist; z.B. der soziale Wohnungsbau, ein oder DAS zentrale Thema des Städtebaus überhaupt. Was nützen all die Verschönerungen auf hohen Niveau wenn eine Stadt keinen WOHNRAUM bietet um ein Teil dieser zu werden/bleiben? Gut geschafft in den 50er – 60er Jahre, wo für Millionen Menschen mit wenig Einkommen sicherer Wohnraum entstand. Und heute ? Kaum: Lediglich oder sogar ganz viel, entstehen neue Wohnungen im LUXUS-Segment, schike “Lofts” ob in Berlin Kreuzberg oder eben in München. Hochhäuser für “Immobiliensammler” die schon viel “Betongold” horten, ja oder eben schon die eine oder andere Familie mit Einzelkind auf 120 Quadratmetern, wohlgemerkt mit gut 7000 € Gesamt-Nettoeinkommen. Das betrifft allerdings ca 10 bis 15% der Menschen in diesem Land, die anderen 85% stehen außen vor, müssen “härter ran” mehr arbeiten, mehr Miete blechen, – die größte Um-Verteilungs-Maschiene der heutigen Zeit, von unten nach oben …..Klar, warum zahle ich wohl satte 3,50€ für die Tasse Kaffe im Münchner Zentrum? Weil die vermögenen Vermieter immer schlimmere Summen für ihre zentralen Räumlichkeiten in den Städten verlangen. Und arm, oder direkt darauf angewiesen sind diese Immobilienbesitzer ganz gewiss nicht…. Zurück zu Braunschweig: 250.000 Menschen sind hier Zuhause, mittlerweile wächst die Stadt wieder, gut um 1% im Jahr und schon fehlt es an Wohnraum. Ein Dilemma, wo vor 60 Jahren noch viel Land im kommunalen Besitz waren, Großunternehmen und Industrie breit für die vielen einfachen Angestellten auf eigenen Grund bauten, scheffelt sich heute jeder der etwas Acker Stadtnah besitzt in unmöglichsten Wucher; Geldgier wo nur der Blick hinfällt, Sozial ja, aber bitte nicht auf meine Güter…. die Welt ist doch groß genug, warum soll gerade ich was “verschenken” (naja, eine Million für etwas Grund, statt das drei oder vielfache) -stimmt, die Welt ist groß, für alle genug, jedoch nicht für die Gier weniger (ich weiß, altes Sprichwort) ….. Und somit gilt mein Apell: Wohnraum! Gesetze für die Schaffung dafür durchbekommen. Die Welt wird voller. Enteignung? – sagt eine ängstliche Stimme…. Ganz klar: Nein, aber sicherlich eine “Enteignung” auf das Recht Extrempreise zu verlangen. (Bild: Die Stadt zu Füßen der kleinen Bürger…. zumindest einmal hier am Stand in den Schloss Arkaden)

600 km zu Fuß durch Deutschland (15.10.2015) Stadt: Braunschweig (250.000 Einwohner)

Das alte Braunschweig kennt man, viel Geschichte, viel zu sehen doch alles vorbei. Heute, größer den je steht die Stadt neben Hannover oder anderen Universitätsstädten im Wettbewerb, gewinnt als einer der letzten “Geheimtipps” die Gunst der studentischen Ankömmlinge. Münster oder Heidelberg, auch nicht groß aber teuer und schon lang angesagt sind ganz andere Orte, die Braunschweig bereits mitziehen; spezieller modernismus, Experimente oder eben Freiraum sind hier noch zu finden in einer Umgebung die nicht so extrem dem Kapitalismus unterworfen scheint. Wobei auch hier nahezu die ganze Innenstadt (wie überall) von den gerade mal 200 Weltmarken (C&a, NewYorker, Starbucks, usw…) beherrscht wird.

600 km zu Fuß durch Deutschland (15.10.2015) Stadt: Braunschweig

Seit ca 1200 Jahren gibt es Braunschweig, zuerst wie überall als einfache Siedlung am Fluss, der Oker. Handel war damals längs der Wasserwege günstiger und erste Höfe wuchsen in strategischer Lage schnell zu Dörfern. Über 200 Jahre später (im Jahr 1031) fand die erste Weihe der Magnikirche urkundlich statt, sozusagen die offizielle Geburt der Stadt Braunschweig die wenig später im 12 Jahrhundert unter Heinrich den Löwen stark expandierte, zu einer der “Mittelalter Metropolen” wurde. Till Eulenspiegel war z.B. einer der prominenten Erscheinungen dieser Zeit in dieser Stadt. (Bild: Barone, Fürsten und sonstige Herrschaften bauten Braunschweig jeweils ihr persönliches Denkmal, so wie das Stadtschloss mit supermodernen Shoppingkomplex daran und drinnen, ganz der heutigen Zeit angepasst.)

600 km zu Fuß durch Deutschland (15.10.2015) Stadt: Braunschweig
(250.000 Einwohner)

Eine graue Maus auf der nationalen Landkarte war dieses Braunschweig für mich schon immer. Wann kommt man schon hier hin? Und nun, Begeisterung über eine so lebendige, schöne und große Stadt mitten im Nirgendwo der Niedersächsischen, platten Weiten jenseits von Hannover. Eine große Innen/Altstadt voller alter Häuser, ob im Fachwerk oder Prunkbau, mittelalterlicher herbschöner Gildenfassade, oder Festungen als Bollwerke historischer Größe von einst. Die trüben Wetter-Unfreuden tun alles um diese heitere Entdeckungstour zu versauen, doch Braunschweig im Regen ist selbst dann schön, ja sogar etwas heiter. Brunnen, Statuen, und sonstige Kunstsachen finde ich hier überall, alles voller Bedeutung. Uff, Überforderung über mich…. (Bild: Welch ein Brunnen ist das schonwieder? Einen Tag später wieder auf Abreise mit Wanderwagen und jede Menge Gummi, ob auf den Rädern oder als Regenschutz, ohne geht dieser Tage nähmlich garnichts…)

600 km zu Fuß durch Deutschland (14.10.2015) Stadt: Braunschweig
(250.000 Einwohner)

26 Kilometer abgerissen, mal wieder auf dem letzten Drücker und angekommen bei Manne, der zentral in der Großstadt wohnt. Manne: Ein Braunschweiger Original, lebt allein und begeistert mit der wohl hier üblichen Gastfreundschaft, trotz seines momentanen Kampfes gegen schlimmen Schmerz; seit einem Autounfall vor einigen Jahren drohen ihm die Unterbeine wegen massiver Gefäßschäden abzufallen. Stündliche Schmerzschübe gehören genau so dazu wie tonnenweise Zigaretten obendrauf; jeder Atemzug hier schmeckt mir wie Hustensaft, nur mit entgegengesetzter Wirkung, aber wo man nicht überall hinkommt …. Manne ist eine beeindruckend freundliche Erscheinung, einfach und einfühlsam und hat nahezu alles erlebt in seinen 64 Jahren; zwei Kinder sind schon groß, viele Berufe sind gemacht und nun der Wandersmann auf seiner Couch. Das gefällt ihm, wehe ihm einen Hauch von weiter Welt ins verqualmte Wohnzimmer. Zwei Nächte bleibe ich erstmal, weil Braunschweig einfach zu interessant ist um einfach gleich weiter zu ziehen. Auch Manne freut sich darüber dass ich nicht morgen wieder davonflattere. Bleiben gehört manchmal auch zum Wanderleben.

600 km zu Fuß durch Deutschland (14.10.2015) Stadt: Peine (49.000 Einwohner)

Gastgeberin Cornelia war schon ganz früh aus dem Haus, aber ich durfte noch bleiben, zog später einfach die Tür hinter mir zu. Nach dem Interviev bei der Zeitung, sowie dem Essen im Asia-Imbiss ((( Ausgaben: 5,50€ für gebratenen Reis mit Hühnchen & einer Dose Fanta))) verirre ich mich natürlich total und drehe fröhlich weiträumige Ehrenrunden durch ein ganz anderes Peine, abseits der schönen Fachwerkhäuser. Ein bischen Ruhrgebiet erlebe ich im wetteifernden Grau der Stahlindustrie mit dem fürchterlichen Wetter. Zumindest setzt der Dauerregen aus, die dicken Handschuhe schon durchnässt mahnen mich einer besseren Vorbereitung für die nassen Tage…. eiskalt die dünnen Finger, umkralle ich den Lenker des Wanderwagens den ich auf und ab über die Ausfall oder Einfallstraßen schiebe, lasse mir kompliziert den Weg erzählen in Richtung Braunschweig. Immernoch 25 Kilometer weit ….