Angriff der Bakterien ………

Kaum hat man so schöne Tage hier erlebt, kommt schonwieder ein dicker Rüffel daher…..  kurz gesagt, ein alter Zeckenbiss am Bein (Bild) hält sich schon seit vier Wochen entzündlich rot.
Tut zwar garnicht weh, und ansonsten merke ich garnichts, kein Karankheitsgefühl, kein garnichts. Aber Schimpfe gabs vom Doktor Zuhause in Recklinghausen; dem hatte ich mal kontaktiert und nach dem Rechten gefragt; „Sofort handeln, Doxycyclinum Antibiotika beschaffen“ heißt es energisch.

Oh je, jetzt hier mitten in der Pampa auch noch einen Arzt auftreiben….

Heute, ein sonniger, aprilfrischer Freitagmorgen steht ganz im Zeichen gegen die fiesen Borrelien, also auf, auf ins nächste Dorf, sechs Kilometer hinaus aus den Wald. Abschied vom Hof Rostes. Welch schöne, wundervolle Zeit hier …

Lang zieht sich die Landstraße nach Ainaži, ( 800 Einwohner ) dem letzten Ort vor der Grenze zu Estland. (Bild)

Etwas in Sorge ob das nun auch klappt: Erst einen Doc auftreiben, dann irgendwelche Tabletten schlucken, dann diese auch noch vertragen; so eine vorbeugende Antibiotika Nummer muss leider sein, entzündete Zeckenbisse sind manchmal ein Hinweis auf eine sehr gefährliche Borrelien Infektion, die zur „Borreliose“ ein sehr komplexes Krankheitsbild führt und mal soeben 90% jeglicher Lebensqualität zerstört.
Borrelien sind Bakterien die sich über Zecken übertragen.
Nur einen einzigen Biss hatte ich damals, noch im litauischen Panevežys entdeckt und das Vieh gezogen; alles war sauber, Stachel raus und sogar mit Desinfektionsspray sauber gemacht.

Etwas später:

So, uff… alles geschafft; glücklicherweise steht gleich mitten im Dorf ein moderner, hölzerner Bau, groß und gepflegt, die regionale Kinderklinik und schnell kümmerte sich gleich sogar die Direktorin, Frau Chefärztin höchtpersönlich um mich.

Im wackeligen Englisch verschafft sie mir die Therapie; zwei Hammertabletten harten Antibiotikums ( Doxycyclinum ), ergänzend dazu Wobenzym, weil das Antibiotikum recht heftig wirkt …..

Aaaaber: Alles war umsonst, kostenlos; das Krankenhaus verlangt einfach keine Gesundheitskarte meiner Krankenkasse, auch nichts Bares …..
In der Apoteke nebenan aber werden dann 20,66 € fällig ….

Oh jeee, also 10 Tage Chemokeule gegen eventuelle Killerborrelien, und dabei bitte schön fit bleiben auf all den Kilometern ….

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Landleben total, Lettland total …

Bei Edgars und Claire + Säugling Ozols (was auf lettisch „Eiche“ heißt) auf dem Waldhof „Rostes“ – irgendwo im Nirgendwo… weitab vom Schuss bin ich tatsächlich noch einmal bei den Letten Privat untergekommen.

Noch in Riga zwichen Hostel und Georgs Apartment eher touristisch im Lande, komme ich hier der Sache mal wesentlich näher; Claire…. die so garnicht lettisch daherkommt, sondern aus Florida einst nach Valencia (Spanien) ging, und dort den jungen, reisenden Edgars aus Lettland traf, und zak, die beiden wussten nicht wie ihnen geschah. Wo die Liebe hinfällt …

Nach einigem hin und her kam es nun dazu, dass in den Tiefen der lettischen Provinz die beiden ihr Zukunftsglück fassen.
Im wahren Wortsinn: Handfest und begabt basteln, akern und gärtnern die beiden sich ihr eigenes Reich zusammen.
Ein großes Stück Lettland auf diesem ehemaligen Forsthof, einst in den 50ern als Waldarbeiterhof zu Sowjetzeiten errichtet, baut die frische Familie das schlichte Haus Stück für Stück aus; viele Räume noch reine Baustellen, selfmade ansonsten in den (halb)fertigen; ein Kamin in alter Lehmbauweise heizt mein Gästezimmer, was zugleich auch Werkstatt ist (Bild: Mein Bett auf dem Holzboden). Abenteuerlich: Die Dusche, selbstgebaut und ein wahres Erlebniss, tausend Leitungen, seltsame Geräte … (Bild).
Hier in den lettischen Weiten ist es eben noch machbar, die Bodenpreise sind unglaublich billig, verfallende Höfe für ein Appel & ein Ei zu haben … inklusive weiter Ländereien.
So haben Claire und Edgars reichlich Platz z.B. für Gäste, sind zudem auch als „Wwoofing Farm“ eingetragen, in diesem Club für Bio-Höfe wo junge Leute gegen ein paar Stunden Landarbeit Kost & Logis erhalten, somit kostenlos dort einige Wochen bleiben können.
Geld ist hier sowieso knapp; 16 € Tageslohn soll es in Lettland für einfache Landarbeit geben. Also mal kein Thema für die allermeisten, sowie für mich.
Einfach so aus Spaß biete ich den beiden meine Dienste als Baumpfleger an. Meinen alten Beruf den ich 11 Jahre machte.
Somit rockte ich ganze 10 Apfelbäume, schnitt mit einfachsten Werkzeugen die mittlerweile wüsten und stark verwilderten Baumkronen aus, räumte die Neutriebe aus der Fasson.
Apfelbäume sind einfach zu bearbeiten, da gut zu beklettern; nicht sehr hoch und viele, dichte Äste sorgen für den nötigen Halt. (Bilder: Spiderman-Aktion in Appletree)

Bis Nachmittags ruppte ich in den Bäumen, dürfte das Gröbste geschafft haben und freue mich nun auf’s Bier. Edgars hat extra was besorgt und ja, ich muss unbedingt noch den fantastischen Cider (Fruchtwein) vom Hof Rostes erwähnen: Perfekt in Säure und Frucht schmeckt der wie vom Profi.
Außerdem lebt die Familie mehr und mehr vom Verkauf ihrer selbstgemachten Sachen, wie Teppiche aus speziellen Stoffen in sinnvoller recycel machart, und auch ihren begrenzten Cider kann man sich schicken lassen.

Erreichbar unter der Adresse:  https://www.etsy.com/shop/hoboholidays?ref=hdr_shop_menu

Wäre icht schön wenn der eine oder andere vielleicht was bestellen mag. Die Leute habens echt verdient, bauen an ihren Traum, leben ihr junges Glück als junge Familie hier in den Tiefen Lettlands. Ich bin begeistert und dankbar in ihr spezielles Leben zu schauen.

(Bilder: Claire bei der Feldarbeit nahe dem Haus, und Edgars beim Bau seiner neuen Werkstatt, meine Wäsche beim trocknen bei endlich (!) frühlingshaften 18 Grad, …. das ehemalige Forsthaus „Rostes“ mit stolzem Besitzer und neuerdings Familienvater Edgars (30). Welch tolle Leute …)

Salacgriva ( 3000 Einwohner )

Die letzte Stadt ganz oben im Norden von Lettland, oder eher ein Städtchen.
Hier sollte eigentlich Endstimmung aufkommen, noch 15 km bis zur Grenze nach Estland, aber wie schön das noch so kurz vor dem Länderwechsel eine Einladung in ein Waldhaus angesagt ist.

Claire Anderson, 28 Jahre jung, aus Tampa (Florida/USA) sagte meinem digitalen Gesuch auf www.Couchsurfing.com zu, was allerdings einen großen Umweg nochmal ins Landesinnere bedeutet.

Ich denke kaum lang nach und folge der Wegweisung, hinaus vom Küstenort Salacgriva hinein ins platte, leere Waldland, irgendwo da Draußen soll es sein, ein einsamer Hof in den Wäldern der „Rostes“ heißt, sogar eingezeichnet in den Landkarten.

(Bilder: Der Hafenort Salacgriva, schlicht, einfach aber freundlich und entspannt, mit dem Holzhafen wo Lettlands größtes (und einzig nennenswerter Export) auf See kommt. Und: Der lange, lange Weg (12 km) durch endlose Wälder zum Hof „Rostes“ wo ich mal zu Gast sein werde)

Alles wieder gut :-)

Salacgriva ( 3000 Einwohner )

11 Stunden geschlafen hab ich im Zelt.
Und heute fantastischer Sonnenschein, sehr kalte, nordische Luft und einen versteckten Pfad abseits der brutalen Hauptstraße; sandig und sehr sehr lang führt er über Wurzeln und tiefen Pfützen bis nach Salacgriva, der nächsten Stadt auf meinem Weg nach Norden.

Vorbei an uralten Bäumen, den hier so typischen Waldkiefern (oder Sandkiefern) die locker 200 jährig oder mehr sind. An alten Baumstümpfen gefällter Bäume am Wegesrand zähle ich die Jahresringe; mal eben 182 bei einem mittelmäßig großen (45 cm Durchmesser) – 241 Jahresringe beim nächsten (75 cm Durchmesser) …. mein Gott, welch zeitlose Gesellen hier am Wegesrand.

  • Sofern die eine oder andere Kettensäge nicht dazwischen kommt …

Aufpasser gibts hier genug: Milliarden Ameisen bauen hier in Sichtweite ihrer „Milionenstädte“ – Ameisenhaufen mit mal locker 250.000 bis über 1 Mio Ameisen, die fast nebeneinader ganze „Superkolonien“ bilden, praktisch wie ein Staat organisiert, mit mehreren Königinnen.

Viel zu entdecken auf dem Weltweg nach Norden.

So, ich muß weiter, Kaffee leer, 2,50 zahlen und noch 15 km walken; tief im Wald, im Landesinnern treffe ich heute Abend Claire und ihre Familie zum Couchsurfen. Weit ab vom Weg, aber ich habe Zeit…

Kilometer Nr. 2000 erreicht.

Oder Km Nr. 7250, wenn alles zusammengezählt mit dem Jakobsweg.
Also noch 143.750 km, bis ich der am weitesten gewanderte Mensch der Welt sein werde.
Keine Ahnung wo der absolute Rekord da liegt, das meiste was ich weiß ist von einem Kanadier der 71.000 km durch die ganze Welt spaziert ist, selbstverständlich mit Wanderwagen.

Was man nicht so alles tut für solch ein Lebenstraum/Werk, z.B jetzt mal wieder zuviel Geld verprassen weil es eben nicht anders geht; sitze jetzt…. wo eigentlich?
Entlang dieser endlos-Straße nahe des kalten Meeres, strikt nach Norden führend, dümpel ich schon seit Stunden über den matschigen Seitenstreifen, keinen Meter breit, die Faust fluchend den krachenden LKW entgegenhalted, sowie dem scheußlichen Wetter. Schneeregen, immernoch eiskalt der nasse Wind, alles ist wieder feucht und jeder, aber auch jeder Handgriff in der Materialschlacht meiner 30 Kilo schweren Ausrüstung, muss perfekt sitzen, sonst wird’s nass.
Plastikplane sowie Gummiplane spanne ich über den Wanderwagen, fummele deren ständig im Windstoß vorbeipreschender LKW, flatternden Enden und Zipfel fest, damit bloß kein Wasser eindringt und meine Klamotten tränkt.

Trocken kriege ich bei dieser Witterung so zimlich garnichts mehr wenns einmal feucht ist, einige Socken kann ich jetzt schon abscheiben, liegen bereits Tage feucht in der Tüte, muffen und faulen.

Die lange Straße von Riga nach Tallin (Estland), klangvoll „Via Baltica“ genannt, war mal sicherlich ein beschaulich, romantischer Handelsweg, immer nahe der Ostsee. Heute nur noch eine dröhnende Schlagader des regionalen (globalen) automobilen Wahnsinns; Überholmanöver, LKW Kollonnen nicht enden wollend, ein winziger Sandstreifen daneben für mich, ganz viele Kilometer lang als einzige Möglichkeit von Riga in den Norden zu kommen, nach Estland.
Klar, gibt es auch andere Wege, kleine Straßen weit im Landesinnern die aber alles andere als zielführend nach Norden weisen. Ich würde hunderte Kilometer Umwege durch die Pampa gehen müssen um ländliche Stille zu genießen.

Wieder sitze ich jetzt in eine dieser Cafes/Restaurants der Hotelanlagen, die alle 10 km mitten in der öden Waldlanschaft stehen, die zwar dreimal teurer als der Landesdurchschnitt ausfallen, aber einfach nur TROCKENE Orte sind und warm!
Habe WiFi, trinke Cappucchino, Cola und esse eine riesengroße Wurst, echt lettisch mit auffälligem Holzräucher Geschmack.
Ein Espresso soll gleich auch noch folgen…. kanns mir zwar nicht leisten, aber hab ihn mir einfach verdient……oder?

Zwei Tage läuft es schon so, vorgestern saß ich ähnlich gestrandet auf der Flucht vor Regenfronten die wie ein Weltuntergang übers Land walzen, auf der Flucht vor der permanenten Nasskälte die immer tiefer in die Knochen eindringt….
Für 6,60€ gabs dann auch noch die lausigsten Schaschlikspieße von ganz Lettland, innen noch halb roh, davon ohnehin die Hälfte schwabbeliges Fett.
Aber WiFi ist überall vorhanden, wenn auch nicht am Strand, wo ein strammer Wind mich nicht wirklich einlädt zum verweilen, baue aber etwas geschützt zwischen niederen Kiefern mein Lager auf. Mittlerweile stürmt der Regen fast komplett Waagerecht, der Aufbau ein wahrer Nervenkrieg; schnell, superschnell das Zelt aufschmeißen, die tausend Klamotten rein und alles zumachen.
Hört sich leicht gemacht an?
Mitnichten, nur Sekunden reichen und schon ist alles, einfach alles 25% feuchter. Die Schlafsäcke, die Luftmatratze, der Rucksack, die Landkarten, einfach alles.
Irgendwie aber trocknet der Schlamassel dann doch wieder ein wenig, wenn auch ein wenig, wärend ich noch zwei, drei Stunden im Zelt weile, mein Essbuffet ausbreite im Innern (ohne Sicht nach draußen, da regendicht verschlossen) mein Bier schlürfe und dabei lese, die Landkarten ausbreite.

Der nächste Tag ist besser. Kaum noch Regen, aber alles pampig dafür.
An der lauten, vollen Straße klebt immernoch der Seitenstreifen meine Schuhe voller Matsch, mit all den Kilometern dringt da wieder etwas Wasser ein. Wieder ein Paar Socken nass.

Wo man hinguckt, nur Wald.
Holzwirtschaft ist das größte Geschäft der lettischen Landwirtschaft. Überall die monotonen Plantagen hoher Sandkiefern, sowie immer wieder der Donnergroll jener LKWs die schwer beladen mit Baumstämmen das Exportgut Nr. 1 Lettlands zum Hafen nach Riga bringen, an mir vorbeiknallen dass ich mich dreimal drehe…..
Lettisches Holz ist billiger und wird deshalb nach Holland oder England massenweise verschifft.

Mir hilft der Wald auch, und nach 25 Kilometern schlage ich mich einfach links hinein ins Einerlei aus Kiefern.
Lichte und aufgeräumt wirkt der Forst.
Wie auf Kissen läuft es sich hier, mit erheblicher Mühe ramme ich den Wanderwagen durch diese morastigen Polster tiefen Mooses bis ich endlich ein ebenes Plätzchen, 100 Meter abseits der Straße finde.
Dieses „Polstermoos“ ist eben ganz speziell hier im Norden; 10 bis 50 (!) cm tief reichen die Polster, weich und im innern pilzig, muffig. Kleine, weiße Würmchen tummeln sich da drinnen, seltsamstes Insekt dazu… (Bild: Polstermoos lässt sich leicht öffnen) – mein weiches Bett für heute Nacht.

So, genug geschrieben heut. Draußen stehen die ganzen Klamotten vor dem Restaurant, warten auf die letzen drei Kilometer um irgendwo im feuchten Dunst das Lager zu errichten. Ein Traum wenn ich einfach hier ein Zimmer nehme… aber 45€ sind selbst für lettische Verhältnisse ganz schön viel, richten sich ausschlißlich an den oberen Mittelstand aus Riga.
Noch zwei Stunden verweilen, die Tageschau lesen/gucken, Süddeutsche.de und natürlich den neuesten Tratsch auf Facebook….. mal abschalten.

Draußen prasselt der Dauarregen vor die Fenster.

Freiheit – Unabhängigkeit – Supermarkt….

Ja, frei bin ich… wandere unter endlosen Himmel, komme mir vor wie die Vögel da oben. Absolut frei.

Sowas erzähle ich auch gern, wenn die Leute mein Wanderleben hinterfragen und eigentlich könnte ich den Beitrag jetzt so stehenlassen, wäre in sich genug und schön.

ist es auch, man soll ja nichts dramatisieren, wenn da nicht so ein spezielles Organ wäre; gierig, groß, mächtig und nimmersatt: Der Magen. Besonders jene von Fernwanderer attakieren ihre Träger gern spontan mit Heißhungeranschläge die nahezu willenlos machen.
Wie ein Junkie pilgere ich somit von einem Kaufladen in den nächsten, muss aufpassen bei der Streckenplanung nicht zu lang in „Supermarkt freie Zonen“ zu gelangen; alle 35 Kilometer muss der Wanderwagen-Speicher aufgefüllt werden; mehrere Liter Wasser und/oder Fruchtsaft, etwas Obst, usw… ich schrieb ja schon oft und gern über das „Buffet Wanderleben“.

Somit ist es eben dieses eine was unumgänglich ist und bleibt, jedenfalls für mich.
Ich wundere mich deshalb um so mehr wenn ich andere Longtime-Traveler treffe (so wie Stefan Liebhold damals in Italien) die nahezu von Luft und Liebe leben, sich kaum erinnern wann sie mal den letzten Euro ausgegeben hatten … Stefan wusste zu berichten „Das Essen läge auf der Straße“, immer wieder fand er Lebensmittel die der Fernradler somit umsonst verwerten konnte….

Beim besten Willen, ich finde und fand eigentlich nie oder sehr selten mal was zu Essen in der Gegend. Auch spannend: Es gab damals auf dem Jakobsweg immer wieder welche, die einfach ohne Zelt, ohne alles fröhlich auf Feld und Flur geschlafen hatten, ob im Gras, unter Bäumen oder Brücken… diese Leute faszinieren mich immer wieder, schrecken aber auch etwas, weil nahezu immer ihnen anzusehen ist welch zehrende Kräfte das total-minimum Outdoor Leben fordert.

Dagegen bin ich wohl eher die „Thru Hiker Diva“.

Auch der Mythos vom Survival Leben in der freien Natur verfolgt mich immer wieder in den Fragen und Vorurteilen der Leute. Kellerasseln essen, Würmer und Baumrinde zum Nachtisch sind mir genauso ein Gräul wie jedem anderen. Sowas geht wohl, aber ÜBERleben ist einfach was ganz anderes als Draußen leben, meinetwegen auf Wanderschaft.

bisher hatte ich in den Wäldern lediglich die Deckung bekommen um ungestört dort übernachten zu können. Fallen stellen um mal einen Hasen oder gar ein Wildschwein zu erbeuten, werde ich wohl selbst in Sibirien bald nicht müssen; auch dort ziehe ich entlang der (endlosen) Straßen und organisiere mein leibliches Wohl entlang der Tankstellen und Dörfer dort. Kaufe also simpel alles ein was ich brauche. In der Natur finde ich eben nur die Insperation wärend meiner Pausen beim Bier (mitgebracht vom letzten Shop) von Wildlife Romantik und ja, diese unendliche Freiheit – bei Milka Schokolade, Heinekenbier, Obst aus Spanien, und Konserven aus Deutschland….

Ist auch so: Was brauche ich?
Kein Bett, kein Klo, keine Dusche, keine Heizung ….
Alles geht – wenns gut gemacht ist – eine ganz lange Zeit gut, nahezu perfekt.

Nur immer diese Supermärkte. Die brauche ich einfach, finde keine wirkliche Dauerlösung auch davon unabhängig zu werden ….
Mal sehen was bald in Russland so los ist, da kommen gut und gern 120 km ohne irgendwas.
Jaja, Wanderleben = Kaufrausch Leben; Tag für Tag 4000 Kalorien in Kellerasseln oder Ameisen sind eben nicht wirklich einfach.

Bilder: Was will man mehr? Ist der Bauch gut voll, schwebt es sich gut im höchsten Wanderhimmel…

Ab in die Wildnis …..

Wieder im Wald daheim.

20 km hatte ich noch geschafft nachdem ich Georg verabschiedet hatte, lang zog sich noch die große Stadt; neue Bürofassaden, nicht hoch aber breit und glänzend, in Sichtweite zu längst verlassenen Fabriken die in Zigelbauweise zur grauen Sowjetzeiten errichtet, heute in urbaner Wildnis, große Brachen ins Stadbild ausbreiten.

Immer wieder Plattenbauten wo man sich fragt, ob und wer da drinnen so wohnt…. grüner Rasen dazwischen, Kiefern und Trampelpfade. Kaufläden, klein und eher abweisend weil kaum irgendwie schön gemacht, obligatorisch mit einem Trunkenbold davor, als bewache er den Verschlag seiner Quelle…

Vier, vielleicht fünf Stunden wandere ich aus Riga hinaus, vorbei an den gewaltigen Hafen nordwärts, über eine windige Brücke in die abendliche Kälte eines hier noch so jungen Frühlings.

Gerade mal fünf Grad heut Abend am Zelt. Da schmeckt das mitgebrachte Bier zumindest kalt um so besser.

105 km sind’s noch durch Lettland, straff nach Norden. 414 km dann durch Estland. …. hab am Zeltlager noch alle Landkarten ausgebreitet und gründlich nachherechnet mit dem Finger auf der Landkarte.

(Ausgaben: 13,40 € für Einkauf: Käse, viel Brot, Schokolade, drei Fischkonserven, saure Gurken im Glas, drei Liter Wasser. Bier hatte ich noch aus Riga übrig.)

Bild: Wieder Zuhause im Wald, 20 km hinter Riga.

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Ticket ins weiteste Land der Welt …

Jaaaa, ich hab’s: Das begehrte Russland Visum, erstmal für ganze drei Monate.

Ein Anfang für den größten Flächenstaat der Welt mit seiner dramatischen Visapolitik. Sollte ich den Weg bis ende August schaffen, will mir die Deutsch – Russische Gesellschaft in Berlin sogar ein Jahresvisum organisieren.
Sozusagen ein „Diplomatenschein“ für mein Wanderprojekt „Deutsch-Russischer Freundschaftslauf“ 13.000 km zu Fuß von St. Peterburg bis Vladivostok (!)

Georg btachte es mir mit aus Deutschland hier nach Riga, zuvor war das Visum noch in Arbeit über das Konsulat, alles durchgezogen von dieser genialen Reiseagentur „Zent Reisen“ aus Wesel (NRW) – die sehr kompetent an die Sache gingen.

Lediglich erlaubt ein Touristen Visum nur drei Wochen in Russland zu bleiben. Für mich als Wanderer eine winzige Zeit im Riesenland ….

(Bild: Visum und gleich schonmal den passenden Haarschnitt für RUSSLAND. – Ab Juni darf ich dort hin -)

Satte 165 Euro kostete das Papier im Pass. Eine deftige Investition meiner letzten Mittel. Deshalb eben um so wichtiger:

Wer schenkt mir Kilometer? 50 Cent pro Kilometer – soweit die Füße tragen –

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Bye Riga ….

Mann, war ich jetzt lang hier.
Lettlands Haupstadt hat mich ganz schön gefesselt; zum einen als mittelmäßige Metropole, zum anderen voller sozialer Erlebnisse und Erinnerungen; erst das geniale Hostel, dann kurz der Stadtwald, dann das Apartment mit Georg und all das gute Essen mit ihm, leckeres Guinness vom Faß, Burgunder und ein dramatisches Ballett von Prokofiev „Romeo und Julia“ in der lettischen Staatsoper. Welch Kontraste im Wanderleben!

Heute verabschieden wir uns, ich von Georg und von Riga.

Nach Norden geht jetzt der „Weltweg“ weiter, bis hoch nach Tallin, der Haupstadt Estlands. Danach straff nach Osten, St. Peterburg entgegen, RUSSLAND entgegen.

Vorerst aber noch ca 100 km über Lettisches, plattes Land nahe des Meeres. Hoffe das Wetter stellt sich mal auf Normalität ein. Der Frühling hier oben im Baltikum soll nämlich die trockenste Jahreszeit sein…. (der Blick aus dem Fenster momentan: Regen.)

Jaja, ich sitze nun hier, noch im Zimmer und schreibe, muss noch Facebook machen, noch Couchsurfing verwalten (Gastgeber in Estland auftreiben) und, und…. wärend Freund Georg um die Häuser zieht, sich die fantastischen Jugenstil-Fassaden anguckt.
Dann kommt der Abschied: Tränenalarm; Georg wird auch weit gehen…. ab Mai läuft mein 65 jähriger, bester Freund den gesamten Jakobsweg von Trier nach Santiago (Spanien) – wohl alles in über drei Monaten Wanderzeit.
Ein starkes Erlebnis: „In die Rente wandern“ wolle er,  jetzt kurz nach seiner Verrentung als Pianist läuft er ins neue Leben.

Was gäbe es da besseres als einen Gang nach Santiago, stimme ich ihm zu.

Es geht weiter, und über Riga könnte ich noch tonnenweise schreiben, zeige noch einige Bilder der letzten Tage in der Stadt ….

Freund Georg: Luxus und Sonneschein ins Wanderleben …

Kalte Speisen, Kartoffelsalate, Dosenfleisch und Schokoriegel … Alltag einer armen Kirchenmaus auf Wanderschaft.

Doch wenn ER kommt, kommen andere Zeiten; Georg aus Trier, ein Fan des Wanderlebens , spendiert mir ein fantastisches Intermezzo; feines Essen, köstliche Weine.

Vier Tage teleportiert er mich in eine andere Welt …. immernoch hier in Riga, und dennoch so weit abseits der Hostels und Mc Donalds …